Rezension „Die Klugheit der Städte“

Wie Kultur die Städte prägt

Carl-Friedrich Höck27. April 2022
Cover: Die Klugheit der Städte
Cover: Die Klugheit der Städte
Jahrzehntelang hat Dieter Rossmeissl selbst Kulturpolitik betrieben. Nun legt er ein nachdenkliches Buch vor. Er meint: Kultur sei kein schmückendes Beiwerk, sondern ein wesentlicher Faktor der Stadtentwicklung

Kommunale Kulturpolitik ist für Dieter Rossmeissl ein Lebensthema. Der Sozialdemokrat war von 1982 bis 2000 Mitglied des Nürnberger Stadtrates und anschließend 17 Jahr lang Dezernent für Bildung, Kultur und Jugend der Stadt Erlangen. Als Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Städtetages brachte er auch dort seine Expertise ein.

Nun hat er in einem Buch grundsätzliche Gedanken zur Kulturpolitik formuliert. „Die Klugheit der Städte“ heißt das Werk. Denn der Schlüssel für Kultur und Partizipation sei Bildung, ist der Autor überzeugt. Und Städte verfügten über weit mehr und differenzierte Bildungsangebote als das Land. Damit seien sie – natürlich nur strukturell betrachtet! – klüger.

Kulturpolitik als Gestaltungsfaktor

50 Prozent aller Kulturausgaben werden in Deutschland von den Städten getätigt, so Rossmeissl. Verwaltungsrechtlich gelten diese Ausgaben als „freiwillige Leistungen“. Das hält der Autor für einen gesellschaftspolitische Irrweg. Er meint, „dass Stadtpolitik nicht nur eine kulturpolitische Dimension hat, sondern dass Kulturpolitik ein wesentlicher Gestaltungsfaktor von Stadtpolitik ist“. Die Wechselwirkungen von Bildung, Kultur und (demokratischer) Politik nimmt er in seinem Buch unter die Lupe.

Zunächst widmet er sich den Grundbegriffen, die seiner Meinung nach Stadt definieren. Dabei komme der Kultur eine zentrale Rolle zu: Ihre große Chance „besteht in ihrer Unfähigkeit, klare Kriterien für richtige und falsche Entscheidungen zu besitzen, und der Notwendigkeit, mit der sich daraus ergebenden Unsicherheit zu leben.“ Das helfe, nicht nur an Bestehendem festzuhalten, sondern den Blick auf das zu richten, was in Zukunft möglich sein könnte. Folglich fördere Kultur Innovation. Gleichzeitig sei das kulturelle Erbe prägend für die Identität und Tradition einer Stadt. In der Nachhaltigkeit urbaner Kultur sieht Rossmeissl einen Schlüssel, um zu verstehen, warum sich gerade die Städte als so langlebig erwiesen haben.

Motor der Entwicklung

Wie sich Kunst, Kultur und Politik zueinander verhalten, ist ein weiteres Thema des Buches. Eine Grundthese lautet: Ohne Partizipation könne sich Kultur nicht frei entfalten. Diese sei außerdem wichtig, damit Städte funktionsfähig und flexibel bleiben. Die Konflikte, die Kulturpolitik prägen – wie etwa der Konflikt zwischen Gestaltung und Verwaltung – seien zugleich Motor für die urbane Entwicklung.

Wie sich Stadtkultur neu vernetzt und entwickelt, betrachtet Rossmeissl ebenfalls. Mit der Digitalisierung verändern sich Kommunikationsformen und Inhalte. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ergänzt die öffentliche und bürgerschaftlich organisierte Kultur, tritt aber auch als Konkurrent auf. Die Schlussgedanken des Buches sind dem Verhältnis von Ethik und kulturpolitischem Handeln gewidmet.

Wer das Werk in die Hand nimmt, sollte sich Zeit nehmen. Rossmeissls Gedankengänge sind komplex und oft abstrakt. Er schreibt, er wolle keine Ergebnisse verkünden, sondern zum Nachdenken anregen. Das gelingt ihm zweifellos.

Dieter Rossmeissl:
Die Klugheit der Städte.
Bildung – Kultur – Demokratie
Kopaed-Verlag 2021, 279 Seiten, 19,80 Euro,
ISBN 978-3-96848-044-2

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