Kultur

Kulturhauptstadt: Chemnitz hat´s geschafft

Karin Billanitsch29. Oktober 2020
Innenstadt von Chemnitz
Großer Jubel: Chemnitz wird Kulturhaupstadt Europas 2025. Mit dem Motto „C the unseen“ richtet Chemnitz 2025 den Blick auf Ungesehenes: die ungesehene Stadt, die stille Mehrheit der Menschen, ihre verborgenen Talente.

„Wir haben´s geschafft“: Jubel auf der Homepage von Chemnitz. Die sächsische Stadt wird Europäische Kulturhauptstadt 2025. Bis zuletzt hatten die Mitbewerber Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg sich Hoffnungen auf den Titel gemacht. Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig, sagte zu der Entscheidung, die am Mittwoch verkündet wurde: „Der vorletzte Arbeitstag als Oberbürgermeisterin dieser wunderbaren Stadt ist eindeutig der beste meiner 14-jährigen Amtszeit.“

Ludwig: „Große Chance“

Sie sieht den Titel als die große Chance für Chemnitz, viel zu geben und viel zu bekommen, viel vom „Ungesehenen zu zeigen“.  Damit spielte sie auf das Motto der Bewerbung an: „C the unseen“. Ludwig:  „Nicht nur die Bilder von Nazi-Aufmärschen im August 2018, sondern auch die Bilder von zivilgesellschaftlichem Engagement für gelebte europäische Werte, eine kreative und vielfältige Stadtgesellschaft im internationalen Austausch.“ Es werde der Stadt einen Schub geben, Ressourcen hier bündeln, die über Generationen wirken können, ist die Sozialdemokratin, die 14 Jahre an der Spitze der Stadt stand, überzeugt.

Ihr Nachfolger im Amt, Sven Schulze (SPD), freute sich: „Dieser Titel ist eine Ehre. Dafür haben viele Menschen hart gearbeitet. Er bedankte sich bei „all den Freiwilligen und den Mitarbeitern im Kulturhauptstadt-Büro, die mit Leidenschaft und Einsatz, mit Ideen und Kreativität für diesen Titel gearbeitet haben“. Er freue sich schon darauf, 2025 ein wunderbarer Gastgeber für Europa zu sein. Auch er betont: Wir werden getreu dem Motto zeigen, dass Chemnitz und die gesamte Region vieles zu bieten hat, dass bisher nicht gesehen wurde."

Die Ungesehenen, die stille Mitte ermutigen

Um die europäische Fachjury zu überzeugen, dass Chemnitz eine „einzigartige, aktive, anpackende und vielfältige Stadt“ ( ist O-Ton Schulze) hat die Stadt ein auf politischen Motiven fußendes Leitmotiv erdacht: Vor allem in Osteuropa hat die Brutalität und Geschwindigkeit des Wandels in den letzten 30 Jahren viele Verletzung hinterlassen, die im Verbogenen nachwirken. So haben sich unzählige Menschen aus der politischen Debatte zurückgezogen. So beschreibt das zweite Bewerbungsbuch die Ausgangssituation. Extreme Meinungen werde lauter, während die Mitte schweigt. „Chemnitz2025 möchte diese „stille Mitte“ ermutigen, sich wieder einzumischen: in den Nachbarschaften, in den Städten, in den Regionen Europas.

Im künstlerischen Programm sollen Orte neu entdeckt werden, an denen Menschen vorbeigehen, sie aber nicht wahrnehmen. Solche Orte sind zum Beispiel Garagen: „Chemnitz2025 öffnet 3000 Garagen als individuelle Werkstätten der Interaktion. Sie werden zu Treffpunkten der Bürger*innen, öffnen den Geist und die Herzen, decken Geheimnisse auf, rufen Erinnerungen hervor, erzählen Geschichten“, heißt es im Bidbook.

Macher*innen im Mittelpunkt

Das Machen, der kreative Schaffensprozess als Motor für die Stadt ist eine weitere Programmlinie. Chemnitz als Industriestadt steht ein Wandel bevor. Im Kulturhauptstadtjahr sollen sich Akteure aus Kunst und Wirtschaft aus ganz Europa begegnen, Netzwerke knüpfen und für ihre Ideen Partner finden.  Die Kunstsammlung Chemnitz will von 2022 bis 2025 eine große Ausstellungsserie Autodidakt*innen widmen. Begleitend soll es ein Künstler-in-Residenz-Programm für internationale Autodidakt*innen im Bereich der bildenden Künste, der Musik, der Literatur und des Films geben.

Daneben soll es eine Parade von 4.000 Apfelbäumen quer durch die Stadt geben, mit Paten, die auch Gastgeber für künstlerische Events werden sollen. Ein Kunstparcours soll die gesamte Region rund um Chemnitz einbeziehen.

 

Die europäische Jury hat die Bewerbungen laut einer Mitteilung der Kulturstiftung der Länder der anhand folgender sechs Kriterien bewertet: der langfristigen Kulturentwicklungsplanung, einer „Europäische Dimension“, der Stimmigkeit der kulturellen und künstlerischen Inhalte. Darüber hinaus die war auch die Umsetzungsfähigkeit eines ganzjährigen Kulturfestivals wichtig, ebenso wie Einbindung der der Bürger*innen. Auch ein Nachweis geeigneter Strukturen in der Verwaltung zur Steuerung und Durchführung war erforderlich.

Die Ernennung zur Kulturhauptstadt aufgrund der Jury-Empfehlung erfolgt nun bis Jahresende durch die Kulturministerkonferenz, im Schulterschluss mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters, die die Entscheidung begrüßte: „Die heutige Entscheidung zur Kulturhauptstadt Europas 2025 ist ein Licht am europäischen Corona-Horizont. Sie ist gerade jetzt ein ermutigendes Signal.“