Interview mit Wahlsieger Stolz

„Ein Landrat muss die Gesellschaft zusammenhalten.“

Carl-Friedrich Höck08. März 2017
Thorsten Stolz
Thorsten Stolz, bisher Bürgermeister von Gelnhausen, hat die Landratswahl im Main-Kinzig-Kreis gewonnen.
Thorsten Stolz (SPD) wurde am Sonntag zum neuen Landrat des Main-Kinzig-Kreises (Hessen) gewählt. Er tritt die Nachfolge von Erich Pipa an, der seit Sommer 2015 wiederholt Morddrohungen erhalten hat. Dass Stolz nun ein sensationell hohes Wahlergebnis einfahren konnte, sei „auch ein Statement gegen Rechtspopulismus”, sagt der Wahlsieger im DEMO-Interview.

DEMO: Herr Stolz, Herzlichen Glückwunsch zum Wahlsieg! Sie haben gleich im ersten Wahlgang trotz fünf Mitbewerbern 58 Prozent der Stimmen geholt. Wie erklären Sie sich dieses überraschend deutliche Ergebnis?

Thosten Stolz: Vielen Dank. Dieses Ergebnis ist für mich eine kleine Sensation und ich bin immer noch sehr überwältigt davon, da ich angesichts von sechs Kandidaten fest von einer Stichwahl ausgegangen bin. Ich habe zwar in den letzten vier Wochen des Wahlkampfes gespürt, dass die Stimmung sehr gut ist, aber mit einem so deutlichen Ergebnis im ersten Wahlgang habe ich wirklich nicht gerechnet. Das ist eine schöne Bestätigung meiner Arbeit und meiner hohen Präsenz vor Ort, denn ich habe seit meiner Entscheidung für die Landratskandidatur im Sommer 2016 exakt 295 Wahlkampftermine absolviert.

Die Bürgerinnen und Bürger haben mich nun klar beauftragt, mein Arbeitsprogramm zur Landratswahl umzusetzen, das ich in den vergangenen Monaten intensiv präsentiert habe. Meine Themen haben also ganz klar überzeugt. Dabei hat sicherlich eine große Rolle gespielt, dass die beiden sozialdemokratischen Landräte Karl Eyerkaufer und Erich Pipa den Main-Kinzig-Kreis in den vergangenen 30 Jahren zu einem der drei wirtschaftsstärksten Standorte Hessens mit einer hohen Lebensqualität entwickelt haben und die Menschen mir zutrauen, dass ich diesen lebenswerten Landkreis mit Kontinuität in der Erfolgsspur halte und fit für die Zukunft mache.

Ihr Vorgänger Erich Pipa ist nicht wieder angetreten. Einer der Gründe: Er hatte wiederholt Morddrohungen erhalten, weil er sich für Geflüchtete engagiert hatte. Rechnen Sie mit ähnlichen Erfahrungen und wie wollen Sie damit umgehen?

Vor solchen Drohungen ist wohl kein Politiker gefeit, der in der heutigen Zeit mit all ihren Herausforderungen klare Kante zeigt. Wie ich mit Drohungen dieser Art umgehen werde, entscheide ich, wenn ich damit konfrontiert werden sollte, was ich natürlich nicht hoffe.

Ich sage aber auch ganz klar: Es war richtig, dass wir im Main-Kinzig-Kreis nicht gewartet haben, bis Bund und Land ihr selbst verursachtes Chaos bei der Aufnahme der Geflüchteten entzerrt haben, sondern als Landkreis selbst aktiv geworden sind und gemeinsam mit den Kommunen und den vielen ehrenamtlich Engagierten die Flüchtlingsaufnahme koordiniert haben. Damit haben wir den Grundstein für eine erfolgreiche Integration gelegt, die in den nächsten Jahren noch zahlreicher Anstrengungen bedarf, bis die geflüchteten Menschen ausgebildet, weiterqualifiziert und schließlich im ersten Arbeitsmarkt angekommen sind. Daran werde ich als Landrat maßgeblich mitwirken. Und ich werde mich jederzeit klar und deutlich für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, wo Rechtspopulisten und andere Extreme diese bedrohen.

Welche Rolle hat dieses Thema für die Landratswahl gespielt – und ist Ihr Wahlergebnis auch als Statement der Bevölkerung gegen rechte Hetze zu verstehen?

Der zunehmende Rechtspopulismus war im Wahlkampf natürlich präsent, nicht nur wegen des AfD-Landratskandidaten, sondern auch wegen des Brexit und der politischen Entwicklung in Ländern wie Frankreich und den Niederlanden. Ich habe bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, dass wir klare Kante zeigen müssen gegen diejenigen, die unsere Gesellschaft spalten wollen und Respekt, Menschlichkeit und fairen Umgang mit politisch Andersdenkenden vermissen lassen. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Landrat die Gesellschaft zusammenhalten muss, über alle kulturellen und religiösen Grenzen hinweg. Wenn die Menschen mich auch deshalb gewählt haben, dann war das deutliche Votum für mich neben aller Zustimmung zu meinen Sachthemen sicherlich auch ein Statement gegen Rechtspopulismus. Zumal der AfD-Kandidat deutlich hinter dem Ergebnis seiner Gruppierung bei der letzten Kommunalwahl zurückgeblieben ist. Das zeigt mir auch, dass die Menschen nach Brexit, Trump und all den rechtspopulistischen Tendenzen wach geworden sind, ein Umdenken einsetzt und immer mehr Bürgerinnen und Bürger merken, Rechts- und Linkspopulisten bieten keine tatsächlichen Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit an.

Welche weiteren Themen waren im Wahlkampf entscheidend und was wollen Sie nun als Erstes anpacken?

Der Main-Kinzig-Kreis erstreckt sich als einwohnerstärkster hessischer Landkreis vom ländlich geprägten Vogelsberg und Spessart bis hin zur Stadt Maintal direkt vor den Toren Frankfurts. Während auf dem Land einige Dörfer bereits bis zu 20 Prozent ihrer Einwohner verloren haben, explodieren in den Kommunen, die in direkter Nachbarschaft zu Frankfurt liegen, die Mieten, weil immer mehr Menschen dorthin ziehen und Wohnungen immer knapper werden. Der Spagat, diesen unterschiedlichen Entwicklungen zu begegnen, spielte im Wahlkampf eine große Rolle. So wird der Landkreis mit mir als Landrat ein „Förderprogramm Ländlicher Raum“ auflegen, mit dem wir die Reaktivierung leerstehender innerörtlicher Immobilien und brach liegender Flächen bezuschussen, um wieder Leben in die Ortskerne zu bringen. Zur Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes in den Städte und Gemeinden vor den Toren Frankfurts werden wir ein Sonderprogramm des Kreises zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums für kleinere und mittlere Einkommen aufstocken, das seit letztem Jahr erfolgreich läuft. Deshalb wird auch die Fertigstellung des Haushaltes 2018/2019 das erste Thema sein, das ich nach meinem Amtsantritt zum 18. Juni anpacke, um damit die Grundlage für die anstehenden Projekte und Investitionen in Schulen, Kreisstraßen und Infrastruktur zu schaffen. Mit dem Haushalt werde ich die Weichen dafür stellen, dass unser Main-Kinzig-Kreis, der bereits heute sehr stark aufgestellt ist, auch in Zukunft ganz weit vorne bleibt.

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