Bundesverfassungsgericht

Leistungskürzung für Asylsuchende in Sammelunterkünften ist rechtswidrig

Carl-Friedrich Höck24. November 2022
Richterbank des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (Archivbild).
Zehn Prozent weniger Leistungen bekommen alleinstehende Asylsuchende, die in Sammelunterkünften leben. Diese „Sonderbedarfsstufe“ im Asylbewerberleistungsrecht ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, hat das Verfassungsgericht nun entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht hat die niedrigere „Sonderbedarfsstufe“ für Asylbewerber*innen in Sammelunterkünften für rechtswidrig erklärt. Die Entscheidung betrifft alleinstehende Erwachsene, die sich seit mindestens 18 Monaten rechtmäßig in Deutschland aufhalten und existenzsichernde Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLB) beziehen.

Einsparpotenzial konnte nicht nachgewiesen werden

Seit September 2019 erhalten sie, wenn sie in Sammelunterkünften leben, nicht mehr den üblichen Regelsatz (Regelbedarfsstufe 1), sondern es wird eine „Sonderbedarfsstufe“ zugrunde gelegt. Das bedeutet, dass die Betroffenen zehn Prozent weniger Geld bekommen. Diese Maßnahme wurde damit begründet, dass die Asylsuchenden durch gemeinsames Wirtschaften Einsparungen erzielen könnten.

Genau das bezweifelt aber das Verfassungsgericht. Grundsätzlich dürfe der Gesetzgeber zwar zumutbare Einsparmöglichkeiten berücksichtigen. Es fehle jedoch an tragfähigen Anhaltspunkten dafür, dass die Menschen in den Sammelunterkünften tatsächlich regelmäßig mit zehn Prozent weniger Leistungen auskommen können. Damit verstößt die niedrigere Sonderbedarfsstufe gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

Abgelehnter Asylbewerber mit Duldung hatte geklagt

Geklagt hatte ein sri-lankischer Staatsangehöriger, der 2014 nach Deutschland eingereist ist. Seit 2015 erhielt er staatliche Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes, wobei die Regelbedarfsstufe 1 zugrunde gelegt wurde. 2017 wurde der Asylantrag abgelehnt. Von November 2019 bis Februar 2020 war der spätere Kläger in einer Sammelunterkunft untergebracht, im Besitz einer Duldung und vollziehbar ausreisepflichtig. Die zuständige Stadt bewilligte ihm zu diesem Zeitpunkt nur die reduzierten Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Nach Angaben des Verfassungsgerichtes teilte der Betreffende sich in der Sammelunterkunft mit einer anderen Person einen Schlafraum und mit weiteren Personen Küche und Bad. Die Mitbewohner erhielten teils existenzsichernde Leistungen in unterschiedlicher Höhe oder waren erwerbstätig. Die Bewohner waren nicht miteinander verwandt. Der Man aus Sri Lanka klagte vor einem Sozialgericht mit dem Ziel, die höheren Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1 zu erhalten. Das Sozialgericht setzte das Verfahren im April 2021 aus und legte den Fall dem Verfassungsgericht vor. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichtes veröffentlichte nun seinen bereits am 19. Oktober gefassten Beschluss.

Mehr Informationen:
bundesverfassungsgericht.de

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