Leverkusener Modell

Wie Leverkusen mit Privatwohnungen für Flüchtlinge Geld gespart hat

Maicke Mackerodt01. April 2015
Umzug in eine Wohnung
Leverkusener Modell: Eine eigene Wohnung bietet Flüchtlingen mehr Privatsphäre.
Ein eigenes Zuhause garantiert Flüchtlingen Privatsphäre. Und auch die Stadt profitiert vom Verzicht auf Massenunterkünfte. Wie das Leverkusener Unterbringungs-Konzept zum Erfolgsmodell wurde.

In Leverkusen werden Flüchtlinge seit 15 Jahren nicht mehr in Sammelunterkünften untergebracht, sondern in Privatwohnungen. Asylbewerber oder Menschen mit einer Duldung können bereits nach wenigen Monaten in ihre eigenen vier Wände ziehen. Das sogenannte „Leverkusener Modell“ zeigt erfolgreich, dass es auch anders geht.

Wohnungen sind billiger als Sammelunterkünfte

„Das ist menschenwürdiger und kostengünstiger für die Stadt Leverkusen“, sagte Rita Schillings vom Flüchtlingsrat zuletzt im Gespräch mit der Tagesschau. Gemeinsam mit der Caritas begleitete der Flüchtlingsrat Hunderte Flüchtlinge auf dem Weg in die eigenen vier Wände. Dazu gehört auch, nach preiswerten Mietwohnungen zu suchen, die innerhalb einer von der Stadt festgelegten Preisspanne liegen müssen. Das funktioniert hervorragend, aber das war nicht immer so. Auch in Leverkusen waren Flüchtlinge jahrelang in den üblichen Containern untergebracht worden. „Viele Menschen lebten auf engstem Raum, es gab keine Privatsphäre, ständig Probleme mit den Sanitäranlagen, denn wenn sich sechs Familien eine Toilette teilen, hört auch der Gutwilligste irgendwann auf zu putzen. Zudem waren die Sammelunterkünfte in marodem Zustand“, erinnert sich die Sozialarbeiterin.

Als öffentlich diskutiert wurde, noch eine große Sammelunterkunft zu bauen, waren sich alle sofort einig: „Niemand wollte ein neues Flüchtlingsheim mit Stacheldraht drum herum.“ Gemeinsam mit der Caritas, dem Ausländerbeirat und der Stadt entwickelte der Leverkusener Flüchtlingsrat im Jahr 2000 das neue Konzept: „Zwei Jahre später starteten wir in eine Testphase mit 80 Flüchtlingen in dezentralen Privatunterkünften.“

Es klingt paradox, aber Flüchtlinge, die Leverkusen zugewiesen bekommt, leben trotzdem zuerst im Übergangsheim. Dort müssen sie sich als „wohntauglich“ erweisen. Gemeint ist, dass sie sich auf Deutsch verständigen können und keine Probleme in den Heimen verursachen. „Das ist eine Kröte, die wir als Flüchtlingsrat schlucken mussten, weil die Verwaltung anfangs große Bedenken hatte“, erläutert Geschäftsführerin Rita Schillings. Erst mit dieser Bescheinigung können sich Flüchtlinge eigenständig eine Wohnung suchen.

Mehr Lebensqualität für die Flüchtlinge

Der Auszug aus der Sammelunterkunft ist für viele ein Hoffnungsschimmer, weiß Frank Stein (SPD), der damalige Sozialdezernent: „In einem normalen gesellschaftlichen Umfeld zu leben ist für alle Beteiligten besser. Im Vergleich zum Übergangsheim ist es ein Quantensprung an Lebensqualität.“ Und die Stadt spart Sozialleistungen, kann sanierungsbedürftige Sammelunterkünfte schließen und die Grundstücke verkaufen. „Unterm Strich hatten wir einen mittleren sechsstelligen Betrag weniger Aufwand als bei der konventionellen Vorgehensweise“, freut sich Stein, der heute Kämmerer ist.

Allein im ersten Jahr hat die Stadt 76 000 Euro eingespart. Die Unterbringung in Wohnheimen ist teuer, weil für Bau, Renovierung und Instandhaltung sehr viel Geld ausgegeben werden muss. „Ende 2013 lebten von 1 400 Flüchtlingen nur noch gut 400 in einem der verbliebenen Übergangsheime“, sagt Rita Schillings. 2012 kostete die Unterbringung in einem Heim 223 Euro pro Person. In einer Privatwohnung ist das für nur 148 Euro möglich.

Das Leverkusener Modell findet Nachahmer

Auch Lünen im Ruhrgebiet folgt aus Kostengründen seit einem Jahr einstimmig dem Leverkusener Modell, das nicht nur in Köln und Münster, sondern auch in Wuppertal, Duisburg und Dortmund bereits erfolgreich praktiziert wird. „Wir können uns nicht entspannt zurücklehnen“, warnt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD): Zusammen mit Folgeanträgen werden 2015, so die Prognose, 60 000 Menschen in NRW Asyl beantragen. 2014 waren es noch 40 000 Flüchtlinge, die nach NRW kamen.

„In all der Zeit musste in Leverkusen noch nie ein Flüchtling wieder in die Sammelunterkunft zurückkehren“, so Rita Schillings. Es gibt Wohnungsgesellschaften, die auch an Flüchtlinge vermieten und darauf achten, dass es eine gute Durchmischung gibt – also Ausländer unterschiedlicher Nationalitäten und Deutsche. Manche Flüchtlinge erzählten, dass es schwer gewesen sei, Anschluss zu finden. Sie sind nach dem Einzug mit Tee und Kuchen zu den Nachbarn gegangen und wunderten sich, dass diese Sitte unbekannt ist. „Andererseits sind in manchen Häusern durch die Flüchtlinge echte Hausgemeinschaften entstanden. Plötzlich ist es selbstverständlich, alle Nachbarn einzuladen, wenn man im Garten grillt.“

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