Städtepartnerschaften zur Versöhnung

Lokal handeln - versöhnend wirken

Karin Billanitsch06. April 2021
Strasse in Windhoek, Namibia. Die Stadt unterhält eine erfolgreiche Städtepartnerschaft mit Bremen.
Jahrelange Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland zur Aufarbeitung der Kolonialzeit und des Völkermords zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts könnten vor dem Abschluß stehen. Den beginnenden Versöhungsprozess können auch die Kommunen unterstützen. Heiner Naumann, ehemaliger Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Windhoek hält ein Plädoyer für deutsch-namibische Städtepartnerschaften.

Warum sollte eine Kommune in Deutschland jetzt eine Städtepartnerschaft mit einer namibischen Kommune abschließen?

Namibia ist zwar 10.000 Kilometer entfernt von Deutschland, aber uns durch eine leidvolle Vergangenheit verbunden. Bis 1915 war es als Deutsch-Südwest-Afrika deutsche Kolonie und noch heute ist das Leben sehr deutsch geprägt. 1904 und 1905 wurde von den deutschen Schutztruppen ein Völkermord an ca. 90.ooo Hereros und Namas verübt. Seit 2015 hat sich die deutsche Regierung zu Ihrer Verantwortung bekannt, den Völkermord anerkannt und eine Entschuldigung vorbereitet. An dem anschliessenden Beginn des Versöhnungsprozesses sollten möglichst vielen deutsche Institutionen teilnehmen, nach dem Motto: lokal handeln – versöhnend wirken.

Heiner Naumann lebte mehrere Jahre in Windhoek, Namibia und leitete das dortige Büro der Freidrich-Ebert-Stiftung. Foto: privat

Sie haben als Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Namibia mehrere Jahre gearbeitet und den Prozess zur Aufarbeitung des Völkermordes 1904/05 miterlebt. Nun sind jahrelange Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland weitgehend abgeschlossen. Wie können dabei Städtepartnerschaften eine Rolle spielen, um die Regierungsvereinbarungen zu unterstützen?

Die besonders betroffenen Ethnien, Nama und Herero haben die Verhandlungsführung ihrer Regierung immer mit einigem  Misstrauen verfolgt, da sie befürchtet haben, dass mögliche Kompensationsleistungen der deutschen Regierung nicht Ihnen sondern der dominierenden Ethnie, den Ovambos zu Gute kommen werden. Mit Kommunalpartnerschaften können nun gezielt die betroffenenen  Herero und Namaregionen gefördert werden. Da die Lebensverhältnisse ausserhalb der Ballangszentren um die Hauptstadt und an der Küste weitaus besser sind, kann durch die kommunalen Partnerschaften auch ein Beitrag zur Angleichung der Lebensverhältnisse geleistet werden. Noch viel wichtiger ist aber die Möglichkeit, direkte Begegnungen zwischen deutschen und Namibiern zu organisieren um die  Vorurteile die seit Jahrzehnten gegenüber Deutschland bestehen und von einigen Politikern immer wiederholt wurden, zu entkräften.

In ihrer Heimatgemeinde Kleinmachnow bei Berlin wurde eine Partnerschaft mit Keetmanshoop initiiert. Der Ort ist Hauptstadt der Region Karas im Süden Namibias und liegt etwa 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Windhoek. Wie haben Sie Keetmanshoop ausgewählt?

Nun, Keetmanshoop ist mit 20.000 Einwohnern ähnlich gross wie Kleinmachnow und hat eine vergleichbare Schulstruktur. Wichtig war aber auch der Gedanke, einen direkten Beitrag zum Versöhnungsprozess zu leisten, da Keetmanshoop als die Hauptstadt der Nama in Namibia gilt und das kulturelle Zentrum ist. Wenn es uns gelingt, hier ein positives Deutschlandbild zu verfestigen wird dies sicherlich in allen anderen Namaorte übernommen werden.

Sind die mit einer Partnerschaft verbundenen Kosten überhaupt zu tragen?

Die deutsche Bundesregierung bezeichnet die Kommunen als unverzichtbare Partner in der Entwicklungszusammenarbeit. Ziel des Entwicklungshilfeministeriums ist es, die kommunale Entwicklungszusammenarbeit zur Normalität in deutschen Kommunen zu machen. Bisher bestehen in Deutschland fast 800 Partnerschaften mit Städten und Gemeinden des Globalen Südens. Über die Servicestelle Kommunen in einer Welt (SKEW) werden weitreichende Förderungen gewährt. So können Anbahnungsreisen finanziert, Personalstellen und Projektkosten übernommen werden. Die Experten des Senior Expert Service (SES) können bei besonderem Beratungsbedarf mit eingesetzt werden. Dieses Angebot wird flankiert durch ein umfassendes Beratungsangebot.

Was passiert eigentlich genau in einer solchen Partnerschaft?

Bisher bestehen etwa zehn bis 15 deutsch-namibische Partnerschaften. Diese beschäftigen sich zum Beispiel mit der Umsetzung der „Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs)“, den Auswirkungen des Klimawandels oder der Beratung bei kommunalpolitischen Herausforderungen wie die Versorgung mit erneuerbarer Energie oder sauberem Wasser, der Gestaltung der Verbesserung des Schulwesens. Schul- und Vereinspartnerschaften sowie Kooperation beim Kulturaustausch können diese Projekte ergänzen. In Namibia stellt die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit einen weiteren Schwerpunkt dar.

Wie kann unsere Zivilgesellschaft an einer Partnerschaft beteiligt werden?

Die Erfahrungen zeigen, dass die Partnerschaften gerade dann am erfolgreichsten sind, wenn die Kommune durch zivilgesellschaftliches Engagement unterstützt wird. Dies gilt für beide Seiten. Gerade das ehrenamtliche Engagement in dritte Welt Gruppen oder Vereinen hat enge Kooperationen und Freundschaften entstehen lassen.
Fast überall in Deutschland gibt es wertvolles Wissen und die Bereitschaft zu einem Know-how-Transfer. Die erfolgreichste deutsch-namibische Partnerschaft besteht zwischen Bremen und Windhoek. Delegationsbesuche ähneln häufig Familientreffen, da man sich teilweise seit Jahrzehnten kennt. In einer solchen Atmosphäre können Probleme natürlich besser gelöst werden, als in den starren Entwicklungsbürokratien.

Warum sollten sich Sozialdemokraten für diese Partnerschaften engagieren?

Die SPD, besonders August Bebel, hat im Reichstag gegen den Völkermord im damaligen Deutsch- Südwest-Afrika protestiert und damit eine Regierungskrise ausgelöst, die 1907 zu den sogenannten „Hottentottenwahlen“ geführt hat. 2004 hat die damalige Ministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit Heidemarie Wieczorek-Zeul als erste deutsche Spitzenpolitikerin, eine Entschuldigung für die Taten der deutschen Truppen ausgeprochen. Ein SPD geführtes Aussenministerium hat die Verhandlungen über die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit 2015 aufgenommen. Ehemalige Minister wie Heidemarie Wieczirek-Zeul und Herta Däubler-Gmelin unterstützen die Initiative zur Aufnahmen von Partnerschaften mit namibischen Kommunen.

Welche Städte in Namibia sind denn an einer Partnerschaft interessiert und wie kann der Kontakt aufgenommen werden?

Das Interesse namibischer Kommunen an derartigen Partnerschaften ist groß. Omaruro, Otjiwarongo, Okakarara (Otjozondjupa), Opuuo (Kunene), Otjinene (Omaheke), Marienthal (Hardap), Maltahöhe (Hardap), Karasburg (Karras) und Gibeon Village (Karras) bereits Interesse signalisiert. Der Kontakt kann über mich (Heiner.Naumann@gmx.de) oder über die SKEW in Bonn vermittelt werden.