Stickstoffdioxid und Feinstaub

Luft in Städten ist viel sauberer – und es liegt nicht an Corona

Carl-Friedrich Höck16. Februar 2021
Feinstaub-Messstation: Seit Beginn der Messungen lagen die Werte nie so niedrig wie 2020.
Die Stickoxid-Belastung in den Kommunen geht deutlich zurück. Im Jahr 2020 haben wahrscheinlich weniger als zehn Städte den Grenzwert gerissen – im Vorjahr waren es noch 25. Warum das Umweltbundesamt glaubt, dass dieser Trend auch nach Corona anhalten wird.

Belastete Stadtluft war vor drei Jahren noch ein Aufregerthema: Städte verkündeten Fahrverbote, der Diesel-Skandal bewegte die Bundesrepublik. Nun hat sich die Lage offenbar deutlich entspannt. Das geht aus einer ersten Auswertung der vom Umweltbundesamt (UBA) gesammelten Messdaten für das Jahr 2020 hervor.

München und Hamburg weiter mit Problemen

Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft wurde voraussichtlich nur an drei bis vier Prozent der 400 verkehrsnahen Messstationen überschritten. Im Vorjahr waren es noch 21 Prozent.

Auch die Zahl der betroffenen Städte geht zurück. Bisher wurde nur für München und Hamburg nachgewiesen, dass die Stickoxid-Grenzwerte im Jahresmittel überschritten wurden. Weil noch nicht alle Daten vorliegen – die Daten von 140 sogenannten Passivsammlern müssen erst noch im Labor ausgewertet werden – wird die Zahl steigen. Doch das Umweltbundesamt legt sich schon fest, dass „deutlich weniger als zehn“ Städte die Messlatte reißen werden. Zum Vergleich: 2019 hatten 25 Städte über dem erlaubten Stickoxid-Wert gelegen, 2018 sogar 57.

Hauptursache für bessere Luft war nicht Corona

Den Einfluss der Corona-Pandemie auf diese Entwicklung hält das Bundesumweltamt für gering. Zwar sei die gemessene NO2-Konzentration während des ersten harten Lockdowns im Frühjahr um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen. Im Verlauf des Jahres habe sich der Verkehr aber wieder weitgehend normalisiert, erklärt UBA-Präsident Dirk Messner. Auch das vermehrt genutzte Homeoffice hat sich laut Messner nur wenig auf den Verkehr ausgewirkt. Aufs Jahr gerechnet habe das geringere Verkehrsaufkommen nur einen Rückgang von etwa einem Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft bewirkt.

Messner ist überzeugt: „Die wesentlichen Treiber für die verbesserte Luftqualität in 2020 lagen in der Umweltpolitik und in veränderten Quellen für die Luftverschmutzung.“ Modernere Fahrzeuge und Software-Updates hätten dafür gesorgt, dass die Belastung im Durchschnitt um drei Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter zurückgeht. Das betrifft vor allem Diesel-Pkw, die im Stadtverkehr 60 Prozent der NO2-Emmissionen verursachen. In der Vergangenheit hatten viele Dieselfahrzeuge die Abgas-Grenzwerte im Labor eingehalten, nicht aber auf der Straße. Das sei bei neuen Dieselfahrzeuge mit den Abgasnormen Euro 6d-TEMP und Euro 6d anders, erklärt Messner. Diese seien auch im realen Einsatz deutlich sauberer als ältere Wagen.

Ein weiteres Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter konnte im vergangenen Jahr durch Wettereinflüsse und lokale Maßnahmen eingespart werden, hat das Umweltbundesamt errechnet. Unter letzteres fallen zum Beispiel Tempolimits und Fahrverbote, aber auch Elektrobusse für den Öffentlichen Nahverkehr. Kritik übt Messner an Kommunen, die direkt vor Messstationen Fahrspuren sperren oder Luftfilter aufstellen, um die Messergebnisse zu beeinflussen. „Solche Anlagen, die in einigen Städten aufgestellt sind, reduzieren zwar die Konzentrationen unmittelbar vor Ort, tragen aber nicht flächendeckend zu einer guten Luftqualität bei“.

Umweltministerin Schulze: „Zahlen machen Mut”

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte in einer Pressekonferenz am Dienstag, die Zahlen des UBA belegten den Erfolg langfristiger Umweltpolitik und machten Mut für die kommenden Jahre. Der Bund hat 2017 ein „Sofortprogramm Saubere Luft“ und fördert zum Beispiel den Umstieg auf Elektrobusse. Das habe „eine große Wirkung entwickelt“, bilanzierte Schulze.

Einen Erfolg konnte die SPD-Politikerin auch beim Thema Feinstaub vermelden: „2020 war das am geringsten mit Feinstaub belastete Jahr seit Beginn der Messung“, also seit Ende der 1990er Jahre. Die Grenzwerte wurden deutschlandweit eingehalten. Allerdings verweist das Umweltbundesamt darauf, dass die 20 Jahre alten Grenzwerte nach unten angepasst werden müssten. Die aktuellen Vorgaben entsprächen nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Feinstaub-Grenzwerte sind veraltet

Bei Feinstaub wird unterschieden in Partikel mit einem Durchmesser bis zehn Mikrometer (PM10) und der noch feineren Partikelgröße PM2,5. Für PM10-Partikel gilt derzeit, dass der Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter höchstens an 35 Tagen pro Jahr überschritten werden darf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dies auf drei Tage zu beschränken. Diese Vorgabe hätten im Jahr 2020 in Deutschland zwölf Prozent der Messstationen überschritten – deutlich weniger als im Vorjahr (36 Prozent).

Für die kleineren PM2,5-Partikel schlägt die WHO als Obergrenze vor, dass der Wert von 25 Mikrogramm an maximal drei Tagen überschritten werden soll. Diese Empfehlung wurde an 86 Prozent der Messstationen nicht eingehalten.

Die Europäische Umweltagentur schätzt, dass im Jahr 2018 in Deutschland etwa 63.100 vorzeitige Todesfälle auf eine PM2,5-Feinstaubbelastung zurückzuführen waren. Zum Vergleich: In Verbindung mit dem Coronavirus sind bisher rund 65.000 Menschen gestorben. Getrennt betrachten lassen sich die Zahlen aber nicht. Denn laut Dirk Messner ist dort, wo die Feinstaubbelastung hoch ist, auch die Gefahr größer, an Covid-19 zu sterben. Feinstaub „schwächt Menschen in Bezug auf ihr Resilienz und Resistenz“, sagt der UBA-Präsident.

 

Mehr Informationen:
Liste der Städte mit NO2-Grenzüberschreitungen 2019/2020: umweltbundesamt.de (PDF)

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