Kultur und Migration

Wie Mannheim sein eigenes Erbe der Weltkulturen präsentiert

Harald Sawatzki10. Juli 2017
Aus aller Welt kommen Menschen nach Mannheim, um dort zu leben – ein Wahrzeichen der Stadt ist der Fernsehturm. Nach dem Vorbild der UNESCO-Kommission gibt es eine Liste des Mannheimer Erbes der Weltkulturen.
In Mannheim leben Menschen aus 160 Nationen Tür an Tür. Wie Mannheims Kulturhaus „Zeitraumexit“ einen Querschnitt des Kulturerbes der Stadt zusammengesucht und Kulturgüter aus aller Welt in einer Ausstellung präsentiert hat.

Talat Kamran wählt seine Worte bedächtig: „Mannheim,“ so urteilt der Vorsitzende des Institutes für Integration und interreligiösen Dialog, „Mannheim ist bundesweit eine Vorzeigestadt beim Thema Toleranz.“ Dass hier Fremde seit Jahrhunderten mit offenen Armen empfangen werden, „das merkt man.“ Kamran muss es wissen: Der studierte Politikwissenschaftler kam 1981 mit 22 Jahren aus der Türkei nach Deutschland, blieb hier, lebte sich ein und besitzt längst die deutsche Staatsangehörigkeit. So war er gewissermaßen die Idealbesetzung als Redner zur Eröffnung einer Ausstellung, die sich im weitesten Sinn der Thematik „Erbe der Weltkulturen“ angenommen hatte.

Beispiele lebendiger Kultur

Ganz so hoch wollte Initiator Jan-Philipp Possmann vom Kulturhaus „Zeitraumexit“ mit seinen Mitstreitern die Sache nicht hängen. Ihm ging es darum, nach dem Vorbild des Unesco-Welterbes einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Beispiele lebendiger Kultur sich zusammentragen lassen, die in Mannheim für Migranten aus vieler Herren Länder auch und besonders in der neuen Heimat, in der Fremde Bedeutung haben. Die Idee: die Migranten selbst sollten das benennen, was ihnen wichtig ist, was sie vielleicht aus der alten Heimat mitgebracht haben, was ihnen ihre Identität bewahren und somit dabei hilft, sich in der neuen Heimat zurechtzufinden, sich zu integrieren.

Ein Jahr lang recherchierten Possmann und Kollegen in der Mannheimer Migrantenszene, ehe das Projekt spruchreif wurde. Sie kontaktierten Vereine, Verbände, große und kleine Gruppen, vermutlich auch Einzelpersonen und Versprengte aus aller Welt, um zu hören, wie es sich so lebt, mit zwei Identitäten: als jemand, der hier in Mannheim angekommen ist, die frühere Heimat aber immer mit sich trägt, die Erinnerung an sie pflegt und hegt.

Statue aus Indien, Nationalflagge aus Taiwan

Das Echo auf Possmanns Vorstoß war erfreulich vielfältig, wie die Ausstellung belegte. Von den Migranten aus etwa 160 verschiedenen Ländern dieser Erde, die in Mannheim registriert sind, steuerten knapp 90 Exponate bei, die für sie gleichzeitig als Erinnerung an das frühere Zuhause und als Demonstrationsobjekt für ihre neuen Mannheimer Nachbarn dienen. Aus Indien brachten die Neumannheimer zum Beispiel eine Nataraja-Statue mit, die als Erscheinungsform des Gottes Shiva verehrt wird. Die Volksgruppe der Zaza aus Ostanatolien, die eine eigene Sprache spricht, „Krieg und Verfolgung“ erlitten hat und nun „dankbar für das Leben in Mannheim ist“, präsentiert eine großflächiges volkstümliches Bildnis ihrer Heimat. Robert Sun aus Taiwan brachte seine Nationalflagge mit und drapierte sie auffällig im Ausstellungsraum. Auf einer Schautafel freut sich Kanish Gupta über „Myriaden von Kulturen“, die in Mannheim zu erleben sind.

Auch wenn das ein wenig übertrieben scheint, wie gemischt die Mannheimer Migrantenszene tatsächlich ist, verdeutlicht eine mehr als mannshohe Schautafel: Große schwarze Kreise, die in mehreren Reihen hintereinander angeordnet sind und zum Ende hin immer kleiner werden, veranschaulichen die Vielfalt der Kulturen und Länder. Mit beinahe  30.000 Einwohnern stellen die Türken die größte Gruppe, gefolgt von  18.000 Polen, 10.500 Italienern bis hin zu jeweils zehn Neubürgern aus Namibia, Benim, Honduras, Nicaragua oder auch Panama. Das Projekt begann übrigens fast auf den Tag genau vor einem Jahr.

Sie alle landeten aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt kommend in Mannheim. Eine gemeinsame Erfahrung eint sie nun offenbar, wie Talat Kamran mehrfach ganz ernsthaft betont: „Die Mehrzahl der Mannheimer sind gute, Fremden gegenüber aufgeschlossene Menschen.“