Bcsd-Umfrage unter Deutschlands Kommunen

Wie Marketing die Stadtentwicklung beeinflusst

Uwe Roth23. November 2022
Stadtmarketing bedeutet längst mehr, als nur Prospekte und Anzeigen zu erstellen. Die Marketing-Expert*innen helfen beim Aufbau von Impfzentren und begleiten die Verkehrswende. Eine aktuelle Umfrage zeigt, wie sich ihre Rolle gewandelt hat.

Die erste der fünf Thesen lautet, die die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing aus der jüngsten Umfrage abgeleitet hat: Stadtmarketing ist die „schnelle Eingreiftruppe“, wenn es in der Kommune irgendwo klemmt. Voraussetzung ist, dass das Budget stimmt.

Mehr als 300 Kommunen gaben Auskunft

Es sei die bislang größte Umfrage unter Kommunen zur Bedeutung des Stadtmarketings gewesen, versicherte Jürgen Block bei der Vorstellung der Ergebnisse am Mittwoch in einer Online-Pressekonferenz. Block ist Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (Bcsd), die 540 Mitglieder repräsentiert. Peter Markert von der Imakomm Akademie in Aalen (Ostalbkreis) leitete die Untersuchung und bestätigte, dass die Ergebnisse aus seiner Sicht belastbar und die fünf von ihm formulierten Kernthesen dementsprechend aussagekräftig sind.

Die Umfrage im Frühjahr dieses Jahres bestand aus zwei Blöcken: An dem einen zum Ist-Zustand des Marketings nahmen 343 Kommunen teil, an dem anderen zu den Zukunftsfragen 273 Kommunen. 70 Fragen mit vielen Antwort-Möglichkeiten hätten ein umfangreiches Datenmaterial ergeben, so Markert. Im Ergebnis bestätigt dessen Auswertung den Wandel, den das Stadtmarketing in den vergangenen 40 Jahren vollzogen hat: Früher kümmerten sich wenige Werbeleute um Anzeigen und die Herstellung von Prospekten.

Kümmerer in allen städtischen Belangen

Heute sei das Stadtmarketing Kümmerer in sämtlichen Belangen, die eine Stadt am Laufen halte, beschrieb Markert die gewachsene Bedeutung. Einige Stichworte dafür sind: Nachhaltigkeit, Transformation, Integration, Bürgerdialog oder auch Open Data. „Stadtmarketing kümmert sich um die urbane Lebensqualität“, lautet eine der Schlussfolgerungen aus der Studie.

Spätestens seit der Corona-Pandemie sei offensichtlich geworden, dass das Marketing die Bezeichnung „schnelle Eingreiftruppe“ zu Recht trage. In vielen Städten habe das Stadtmarketing den Aufbau von Test- und Impfzentren organisiert. Die Aufgabe sei ihr übertragen worden, weil es mit den Akteuren einer Stadt bestens vernetzt sei – besser als jeder andere städtische Fachbereich. Tauchen in der Stadt Probleme auf, reicht Pressearbeit meistens nicht mehr aus, um die Position der Verwaltung in die Öffentlichkeit zu tragen. Inzwischen werden die Expert*innen des Marketings zu Rate gezogen. „Sie haben eine Dolmetscher- und Brückenfunktion.“

„Wir machen die Stadtentwicklung“

Weil Stadtmarketing in so vielen Bereichen mitwirke, habe es Einfluss auf die Stadtentwicklung. Oder, wie Markert die zweite These formulierte: „Wir machen die Stadtentwicklung.“ Seine Begründung der These lautete: Die Absicht der Verwaltung, die Innenstadt vom Verkehr zu befreien, ein hoch emotionales Thema, sei ohne das Stadtmarketing nicht durchsetzbar. Es organisiere den Bürgerdialog. Die Aufenthaltsqualität in der Stadt zu verbessern, bedeute in Zeiten des Klimawandels beispielsweise, sich wie das Umweltamt für mehr Hitzeschutz einzusetzen, damit im Sommer weiterhin Menschen zum Einkaufen in die Stadt kommen.

Dazu passt Markerts These drei: „Stadtmarketing fördert den Transformationsprozess“. Es habe eine strategische und koordinierende Rolle. Doch nicht in jedem Rathaus werde diese Expertise in Anspruch genommen. Das führt zur These vier: „Stadtmarketing benötigt höhere Ressourcen.“ Oftmals fehle es an Budget und Personal, um noch mehr in Bewegung setzen zu können. Wichtigster Verbündeter oder Verbündete des Marketings sei der Rathauschef oder -chefin. Mit Rückendeckung von oben seien die Marketing-Ziele am besten zu erreichen.

Neues Miteinander als Erfolgsfaktor

Die fünfte These greift die Funktion des Marketings als Netzwerker auf: „Ein neues Miteinander wird zum Erfolgsfaktor.“ Das soll heißen, um den Wandel der Stadt hinzubekommen, müssen alle Akteure zur Verantwortung gezogen werden. Neue Mitstreiter müssen gesucht werden. Beispiel: Wenn das Stadtmarketing einen Eventsonntag organisiere, dürfe die Gastronomie nicht geschlossen bleiben. Kreativität und Fantasie seien gefragt. „Das haben wir immer so gemacht, war schon immer eine schlechte Einstellung. Nun ist sie endgültig tot“, stellte Markert fest.

Das Stadtmarketing ist oftmals ausgelagert als eigenständige GmbH oder ein Verein. Weil es aber zu einem Multiplayer geworden ist, holen immer mehr Städte das Stadtmarketing ins Rathaus zurück. Man könne von einer Rekommunalisierung sprechen. Letztlich sei die Organisationsform aber egal, findet Markert. Hauptsache sei, die Zusammenarbeit aller Beteiligten funktioniere.

Zur Auswertung der Umfrage

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