Mobilität und Verkehr

Mehr Fußverkehr als Chance für lebenswerte Städte

Karin Billanitsch16. Oktober 2018
In Bewegung bleiben: Städte, die den Fußverkehr fördern, können ihre Attraktivität stärken.
Das Deutsche Institut für Urbanistik hat im Auftrag des Umweltbundesamts Grundzüge einer neuen bundesweiten Fußverkehrsstrategie vorgelegt. „Geht doch“ heißt die Studie, die dafür plädiert, den zu Fuß gehenden Menschen mehr Raum zu geben.

Die Bedeutung des Fußverkehrs in einer Stadt wird in Deutschland systematisch unterschätzt: „Während der Radverkehr mittlerweile im Fokus der Bundespolitik angekommen ist, fristet jedoch der Fußverkehr in Deutschland noch immer ein Nischendasein“, heißt es in einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik. Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, dem Auftraggeber der Studie, sagte anlässlich der Vorstellung: „Fußgängerinnen und Fußgänger sind die blinden Flecken der Verkehrspolitik. Dabei ist Gehen die natürlichste und grundlegendste Form der Mobilität.“

Aktive Mobilität hat viele Vorteile

Das Umweltbundesamt will mit der Studie eine Diskussion anstoßen und stellt die Vorteile heraus: „Aktive Mobilität wie Zufußgehen und Radfahren ist gesund, gut für die Umwelt und ein wichtiger Baustein in der Mobilitätswende. Der Fußverkehr kann zur Lösung zahlreicher Probleme und zum Erreichen umwelt- und verkehrspolitischer Ziele beitragen: beispielsweise als wichtiger Bestandteil nachhaltiger Mobilität, zur Verwirklichung der „Stadt der kurzen Wege“, als Beitrag zu einem geringeren Ressourcen- bzw. Flächenverbrauch oder als Grundvoraussetzung, um einer alternden Gesellschaft Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Das Konzept, das kürzlich auch auf dem 2. Fußverkehrskongress in Berlin vorgestellt wurde, soll zeigen, wie Kommunen den Fußverkehr stärken können. Das UBA fordert auch eine „bundesweite Strategie zum Fußverkehr“. Länder wie Österreich, Schottland, Wales sowie Finnland und Norwegen hätten nationale Fußverkehrsstrategien, betont das UBA. Die Grundzüge dafür hat das Difu jetzt in der Studie erarbeitet. Denn immerhin wird in deutschen Städten im Durchschnitt jeder dritte Weg ausschließlich zu Fuß zurückgelegt, je nach Stadt kann dieser Anteil laut zwischen 25 und 45 Prozent schwanken.

Mehr Fußverkehr: Probleme und Lösungsvorschläge

Die Difu-Studie sieht die Potenziale damit noch lange nicht ausgeschöpft: Viele Fahrten mit dem Pkw ließen sich durch Wege zu Fuß oder mit dem Rad ersetzen. Denn fast die Hälfte aller mit dem Auto zurückgelegten Fahrten seien unter fünf Kilometer lang; jede zehnte Pkw-Fahrt sei sogar kürzer als ein Kilometer, heißt es. Alle Verkehrswege, ob zum Parkplatz oder zur Bushaltestelle, beginnen oder enden zu Fuß. Um das zu ändern müsste das zu Fuß gehen aber viel attraktiver werden, sind die Autoren überzeugt.

Es gibt indes viele Probleme: Wer läuft, ist oft Lärm und Abgasen ausgesetzt, leidet unter zu engen Wegen. Schilder und Hinweise sind oft ungenügend, die Gehsteige zu schmal und nicht barrierefrei. Es wurden verschiedene Vorschläge vorgelegt, die dazu beitragen würden, die aktive Mobilität zu fördern: beispielsweise die Einführung der Regelgeschwindigkeit Tempo 30 innerorts, Festlegung baulicher Mindeststandards für Fußwege, oder Ampelschaltungen, „bei denen die Zu-Fuß-Gehenden nicht das Nachsehen haben“. Das UBA hält auch die Verankerung der fußläufigen Erreichbarkeit in das Planungsrecht für sinnvoll, ebenso wie höhere Bußgelder für ein gefährdendes Verhalten. Außerdem werden mehr Forschungsprogramme der einschlägigen Bundesministerien gefordert, um den Fußverkehr auszubauen und zu fördern.

Beispiel Aachen: Zehn Wege ins Grün

Die Kommunen können selbst viel tun im Rahmen der Stadtentwicklung: Ein Beispiel ist die Stadt Aachen und ihr Konzept: „Zehn Wege ins Aachener Grün“. In Aachen baut die Innenstadtentwicklung nach eigenen Angaben „seit vielen Jahren auf dem Prinzip der kurzen Wege auf“. Weil die Bewohner der Stadt die stadtnahen Parks und Plätze ohne Aufwand und Anreise nutzen wollen, werden sie immer beliebter. Doch, heißt es auf der Internetseite der Stadt, sind oder waren die Wege dorthin nicht breit genug oder zugeparkt, nicht überall gibt es sichere Querungen. Deshalb haben die Aachener „Premiumwege“ ausgemacht, die entlang der historischen Innenstadt sternförmig nach außen führen und „bereits heute kleine Quartierplätze und grüne Oasen“ verknüpfen. Im Jahr 2014 wurde mit der Umsetzung begonnen. Auch der Tourismus kann von der neuen Wegweisung profitieren, so die Hoffnung, weil die neuen Wege an die bestehende Wanderwegweisung angeknüpft werden.

Damit mehr geht als jetzt, schlägt das Uba ein konkretes Ziel vor: Bis 2030 sollte der Fußverkehrsanteil an den Wegen der Deutschen um die Hälfte gesteigert werden: Von derzeit durchschnittlich 27 Prozent auf 41 Prozent in Kernstädten und von durchschnittlich 23 Prozent in ländlichen Kreisen auf 35 Prozent.