Schutz vor Gewalt

Mehr Geld für Frauenhäuser: Worum es bei der Demo zum Frauentag geht

Vera Rosigkeit 07. März 2023
Protesttransparent für mehr Frauenhausplätze
In Deutschland gibt es noch zahlreiche Lücken, wenn es darum geht, Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen. Die Autonomen Frauenhäuser machen zum Internationalen Frauentag mit einem bundesweiten Streik darauf aufmerksam.

Für mehr Frauenhausplätze und eine bessere Finanzierung sind am Dienstag Mitarbeiter*innen der Autonomen Frauenhäuser auf die Straße gegangen. Mit einem bundesweiten Streik wollen sie so die Verantwortlichen in Gesellschaft, Politik & Verwaltung daran erinnern, die Vorgaben der Istanbul-Konvention endlich umzusetzen, sagt Britta Schlichting für die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF).

Frauen brauchen Sicherheit

Rund 300 Menschen protestierten am Mittwoch vor dem Brandenburger Tor. Foto: ZIF - Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser

Neben einer besseren Finanzierung und Ausstattung der Frauenhäuser, geht es auch um einen niedrigschwelligen und unbürokratischen Zugang zum Schutz für von Gewalt betroffene Frauen und ihren Kindern. „Frauen, die den mutigen Schritt raus aus der Gewaltbeziehung gehen, müssen Strukturen vorfinden, die ihnen ein gewaltfreies Leben ermöglichen“, betont Sylvia Haller, Sozialpädagogin vom Frauenhaus Heidelberg.

„Wir bieten den Frauen und ihren Kindern einen sicheren Ort, in der Regel an einem anonymen Standort, Begleitung und Beratung”, sagt sie am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Die Aufenthaltsdauer der Frauen habe sich durch den angespannten Wohnungsmarkt verlängert und könne von wenigen Monaten bis zu zweieinhalb Jahren dauern, erklärt sie. Laut Istanbul-Konvention liege die Verantwortung für die Finanzierung beim Staat, Dieses sei in einigen Bundesländern auch der Fall, in anderen allerdings würden die betroffenen Frauen an den Kosten beteiligt. Das sei mit ein Grund für den Streik, denn es „kann nicht sein, dass eine von Gewalt betroffene Frau auch noch finanziell für ihren Schutz aufkommen muss“.

Deutschland mit zahlreichen Lücken

Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion Leni Breymaier unterstützt die Forderung. Denn seit dem 1. Februar dieses Jahres sei die Istanbul-Konvention, die die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, aktiv gegen Gewalt an Frauen vorzugehen, auch in Deutschland vollumfänglich in Kraft. Jetzt gehe es ihrer Meinung nach darum, den Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für jede Frau praktisch umzusetzen.

Tatsächlich kam eine Expert*innengruppe des Europarats im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass es bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland noch zahlreiche Lücken gibt, um Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen. So kritisiert der sogenannte Grevio-Bericht u.a., dass in Deutschland eine langfristige, umfassende Strategie gegen Gewalt an Frauen ebenso fehle wie eine nationale Koordinierungsstelle für entsprechende Maßnahmen. Zudem fehlten zahlreiche Schutzplätze in Frauenhäusern. Besonders mangele es in Deutschland an Schutz für geflüchtete Frauen.

Regelfinanzierung der Frauenhäuser muss kommen

„Dass der Bund hier bereit ist, in die Regelfinanzierung der Frauenhäuser einzusteigen, um die Vorgaben der Istanbul-Konvention umzusetzen, ist so neu wie wichtig“, betont Breymaier. Doch solch ein „gewaltiges Vorhaben, wie eine Vervierfachung der Frauenhausplätze“ koste viel Geld. „Mit riesigen Verteidigungsausgaben, Einhaltung der Schuldenbremse und gleichzeitigem Verzicht auf jede Art von Steuererhöhung bei den Superreichen, ist das, vorsichtig ausgedrückt, ambitioniert“, erklärt sie. „Darum empfinde ich die Demonstration der autonomen Frauenhäuser am 7. März in Berlin als unterstützende Bekräftigung unserer Ziele.“

Auch Haller ist zuversichtlich. „Wir haben den ersten Koalitionsvertrag, in dem die Frauenhausfinanzierung mit drin steht. Man sei im Gespräch mit der Bundesregierung, aber nun müsse auch die Umsetzung folgen, fordert sie. Dieser Appell richtet sich nicht nur an die Bundesregierung, Haller richtet ihn gezielt auch an die Landesregierung und an die „kommunalen Vertreter*innen, endlich Geld in die Hand zu nehmen und mehr barrierearme Plätz zu schaffen“.

Autonome Frauenhäuser

Von den rund 350 Frauenhäusern in Deutschland bezeichnen sich circa 130 als Autonome Frauenhäuser. Entstanden aus der Frauenbewegung in den 70er Jahren, kommen sie nicht aus der wohlfahrtsstaatlichen und karikativen Idee, erklärt Haller. Laut Angaben des ZIF sehen sie ihre Aufgabe darin, Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Jungen öffentlich zu machen und dadurch zu enttabuisieren und zu bekämpfen. Solidarität und Parteilichkeit treten an die Stelle von Sozialfürsorge. Die meisten Autonomen Frauenhäuser arbeiten in Selbstverwaltung mit basisdemokratischen Elementen. Dazu gehört auch das Mitspracherecht der Bewohner*innen in den Frauenhäusern. Unterstützt werden die von Gewalt betroffenen Frauen, Mädchen und Jungen durch das Angebot von Schutz, Unterkunft und Beratung.

 

Dieser Artikel ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.