Verkehr

Mehr Unfälle mit E-Scootern: TÜV fordert bessere Infrastruktur

Carl-Friedrich Höck05. April 2023
Die Zahl der Unfälle, die E-Scooter-Fahrende verursachen, steigt deutlich.
Die Zahl der verunglückten Fahrrad- und E-Scooter-Fahrenden ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Der TÜV-Verband fordert deshalb mehr Platz für Zweiräder. Ein Fußgänger*innen-Verband will dagegen den Verleih von E-Scootern einschränken.

Die Unfallzahlen, die das Statistische Bundesamt (Destatis) vor einigen Tagen veröffentlicht hat, sind beunruhigend. 97.042 Fahrradfahrende sind im vergangenen Jahr verunglückt – das sind 16 Prozent mehr als im Vorjahr. 470 Radfahrende sind ums Leben gekommen, das ist der höchste Wert seit 2006.

Zugenommen haben auch Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen, sogenannten E-Scootern. 8.260 Unfälle mit Personenschaden hat das Statistische Bundesamt erfasst, zehn Getötete gab es. Das erscheint zwar zunächst wenig, wenn man bedenkt, dass es verkehrsmittelübergreifend 287.752 Unfälle mit Personenschaden gab. Allerdings ist die Zahl der E-Scooter-Unfälle gegenüber dem Vorjahr um fast 50 Prozent gestiegen. Im Straßenverkehr sind E-Scooter in Deutschland seit Sommer 2019 zugelassen.

TÜV will mehr Fläche für Zweiräder

Als Reaktion auf die Zahlen fordert der TÜV-Verband, die Radverkehrsinfrastruktur auszubauen, um Zweiradfahrende besser zu schützen. Dafür müsse das Straßenverkehrsrecht – wie von der Ampel-Koalition angekündigt – reformiert werden. „Die Kommunen brauchen mehr eigene Zuständigkeiten und Kompetenzen, um den Straßenverkehr zu entflechten, bei Bedarf zu verlangsamen und ein flüssiges und sicheres Nebeneinander verschiedener Fortbewegungsformen zu ermöglichen“, meint Marc-Philipp Waschke, Experte für Verkehrssicherheit beim TÜV-Verband.

„Räder und E-Scooter brauchen für mehr Sicherheit mehr Straßenfläche“, ist Waschke überzeugt. Durchgängige Radverkehrsnetze in Ballungszentren und Radschnellwege im ländlichen Raum könnten mehr direkte Verbindungen schaffen und somit einen sicheren Radverkehr fördern. Es fehle zudem an sicheren Abstellanlagen. Diese würden letztlich auch dem Fußverkehr zugutekommen, argumentiert Waschke.

Laut Destatis haben E-Scooter-Fahrende rund 5.600 Unfälle mit Personenschaden verursacht. Auch das ist ein deutlicher Anstieg. Im Vorjahr hatte die Zahl bei knapp 3.900 gelegen.

Paris will E-Scooter-Verleih unterbinden

Waschke spricht sich gegen ein Verbot von E-Scootern aus. Das wäre die falsche Antwort auf die steigende Beliebtheit dieser Fahrzeuge, kommentiert der TÜV-Experte. „Bei der Mobilitätswende im urbanen Raum haben E-Scooter ihren festen Platz.“

Anders sehen das die Bewohner*innen von Paris. In der französischen Hauptstadt haben sich bei einer Volksabstimmung am vergangenen Sonntag fast 90 Prozent der teilnehmenden Pariser*innen dafür ausgesprochen, Leihroller zu verbieten. Obwohl sich weniger als acht Prozent der Stimmberechtigten an der Befragung beteiligten, will Bürgermeisterin Anne Hidalgo das Verbot umsetzen. Private E-Scooter sind davon nicht betroffen.

„Spaßfahrzeug für Touristen”

Der Fachverband Fußverkehr Deutschland (Fuss e.V.) betrachtet E-Scooter kritisch. Auf seiner Website verweist der Verband auf die Abstimmung in Paris: „Das zeigt erneut, dass sie keinen Beitrag zur Alltagsmobilität leisten, sondern vor allem Spaßfahrzeug für Touristen und sehr junge Leute sind.“ Auch in Deutschland müssten die Städte jetzt alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um das Verleihen von E-Scootern einzuschränken oder die Gehwege, Plätze und Parks ganz davon zu befreien.

Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten YouGov-Umfrage mieten nur vier Prozent der Deutschen hin und wieder einen E-Scooter. Weitere 23 Prozent können sich das grundsätzlich vorstellen, wenn ein entsprechendes Angebot verfügbar wäre. Knapp zwei Drittel lehnen es ab, E-Scooter zu mieten.

Köln erhebt hohe Gebühren

Die Stadt Köln hat im Mai 2022 hohe Gebührentarife für den E-Scooter-Verleih erlassen. Pro Fahrzeug können mit der neuen Sondernutzungssatzung Gebühren von 85 bis 130 Euro jährlich erhoben werden. Die Stadt begründete ihr Vorgehen unter anderem damit, dass die ordnungswidrig auf Fuß- und Radwegen abgestellten Fahrzeuge die Allgemeinheit erheblich beeinträchtigen würden. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte die Rechtmäßigkeit der Satzung.

Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages Verena Göppert fordert den Bund auf, „das so genannte Geofencing ausdrücklich zulassen, um die Geschwindigkeit der Roller in bestimmten Bereichen aus Gründen der Verkehrssicherheit automatisch zu drosseln – etwa in Parks oder Fußgängerzonen.“ Mit Geofencing könne zum Beispiel auch verhindert werden, dass E-Scooter-Nutzende eine Fahrt auf einem Platz beenden, auf dem das Abstellen verboten ist. Die Anbieter könnten sogar feststellen, ob ein Roller umgefallen ist und zur Stolperfalle wird. „Viele Anbieter schöpfen diese technische Möglichkeit schon heute so weit wie möglich aus. Für solche Fälle braucht es dennoch klare zeitliche Vorgaben an die Anbieter, bis wann sie diese Gefahr für Fußgänger und Radfahrer beseitigen müssen“, so Göppert.

weiterführender Artikel