Rechtsextremismus

Mitte-Studie: Ja zur Demokratie, Nein zu Asylsuchenden

26. April 2019
86 Prozent der Deutschen halten es laut der Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung für unerlässlich, dass Deutschland demokratisch regiert wird.
Mehr als jeder zweite Deutsche hat eine negative Haltung gegenüber Asylsuchenden. Zu diesem Ergebnis kommt die am Donnerstag vorgestellte Mitte-Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Doch es gibt auch positive Entwicklungen: Eine große Mehrheit der Befragten tritt für die Demokratie ein.

Fast 2.000 Deutsche zwischen 18 und 97 Jahren sind für die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung befragt worden. Sie liefert letztlich in Teilen widersprüchliche Erkenntnisse. Rund 86 Prozent der Befragten halten es für unerlässlich, dass Deutschland demokratisch regiert wird und sogar 93 Prozent meinen, dass die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen sollten. „Wenn der Großteil der Befragten die Demokratie und ihre Werte befürwortet, ist das ein gutes Zeichen“, erläutert Wilhelm Berghan von der Universität Bielefeld, einer der Autoren der Studie.

Ablehnung gegen Asylsuchende steigt 

Auch der Paritätische Gesamtverband reagiert positiv. Wenige Wochen vor den anstehenden Europawahlen seien die Ergebnisse ein starkes Signal, das hoffnungsfroh stimme. „Die Studie zeigt, dass Solidarität und Vielfalt keineswegs Auslaufmodelle sind“, so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Positiv hebt er hervor, dass mehr als 80 Prozent der Befragten Hetze gegen Minderheiten ablehnen und sich für eine vielfältige Gesellschaft einsetzen.

Umso widersprüchlicher wirkt in diesem Zusammenhang eine weitere Zahl, die am Erscheinungstag von vielen Medien hervorgehoben wird. Demnach haben 54 Prozent der Deutschen eine negative Haltung gegenüber Asylsuchenden. Trotz sinkender Zahlen von Asylsuchenden ist dieser Wert seit der vorherigen Erhebung der Mitte-Studie vor zwei Jahren um mehr als fünf Prozent gestiegen. 35 Prozent der Befragten stimmten darüber hinaus der Aussage zu „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland“.

55 Prozent sehen Meinungsdiktat

Verbreitet sind zudem neurechte Einstellungen, die zunehmend in Wahrnehmungen und Meinungen der Mitte eindringen. Empirisch seien rechtsextreme, neurechte und rechtspopulistische Einstellungen kaum noch zu trennen. Gut ein Drittel der Deutschen ist der Meinung, die Regierung verschweige der Bevölkerung die Wahrheit. 55 Prozent vertreten die Ansicht, es gäbe ein Meinungsdiktat in Deutschland. Andreas Zick, Direktor des Insititus für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld (IKG), das die Studie durchgeführt hat, erläutert: „Wenn menschenfeindliche Vorurteile, rechtspopulistische wie rechtsextreme oder neurechte Einstellungen, Misstrauen und illiberale Demokratieeinstellungen verbreitet sind, erleidet die Mitte der Gesellschaft Verlust und die Demokratie wird instabil.“

Familienministerin Franziska Giffey nennt die Ergebnisse der Mitte-Studie beunruhigend. „Die Förderung einer lebendigen Zivilgesellschaft, die sich für unsere Demokratie, für Menschenrechte und gegen Vorurteile einsetzt, ist eine Daueraufgabe“, sagt Giffey. Die SPD-Ministerin fordert daher ein Demokratiefördergesetz, um diejenigen zu stärken, „die jeden Tag aufs Neue konkret vor Ort gegen Hass und Hetze vorgehen und aktiv unsere Demokratie verteidigen“. Ähnlich äußert sich die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl. Sie fordert, rechtspopulistischen Einstellungen mit einer klaren Haltung für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zu begegnen. 

Viele glaube an geheime Mächte

Neu erfasst hat die Studie die Zustimmung oder Ablehnung von Verschwörungsmentalitäten. Teilweise finden Verschwörungstheorien hohen Zuspruch. So glauben 46 Prozent der Befragten, es gäbe geheime Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Laut Wilhelm Berghan sind entsprechende Tendenzen bei Männern stärker ausgeprägt. Zudem seien sie abhängig vom Bildungsgrad und der wirtschaftlichen Situation. Menschen, die solchen Verschwörungsmythen Glauben schenken, sind laut der Studie zugleich misstrauischer gegenüber dem politischen System und zeigen eine höhere Gewaltbereitschaft gegen andere.

Die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt Irena Rudolph-Kokot kommentiert die Ergebnisse zu Verschwörungstheorien: „Hier wird nicht nur offenbar, was generell mangelnde Bildung bewirkt. Defizite speziell bei der Demokratiebildung werden sichtbar. Es wird endlich Zeit, dass demokratische Bildung gesetzlich fest in allen Bildungsbereichen verankert wird.“ Das deckt sich auch mit den Empfehlungen der Bielefelder Forscher. Sie fordern eine nationale Strategie der Demokratiestärkung und frühen Extremismusprävention. Zudem sollten Gruppen, Institutionen und Kommunen gestärkt werden, die beispielsweise im Hinblick auf die Unterbringung von Geflüchteten Verantwortung übernehmen wollen.

Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung des Berliner Vorwärts Verlags und ist zuerst auf vorwärts.de erschienen.