Interview

Nachrücker Mende: kommunale Kompetenz für den Bundestag

Carl-Friedrich Höck24. Januar 2023
Der Bundestag gewinnt mit Dirk-Ulrich Mende einen erfahrenen Kommunalpolitiker hinzu.
Der ehemalige Celler Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende rückt als SPD-Abgeordneter in den Bundestag nach. Den Kommunen möchte er dort noch mehr Gehör verschaffen. Die DEMO hat mit ihm gesprochen.

DEMO: Bei der Bundestagswahl 2021 sind Sie im Wahlkreis Celle-Uelzen nur 0,6 Prozent hinter dem Wahlkreisgewinner Henning Otte (CDU) gelandet. Jetzt rücken Sie über die Niedersächsische Landesliste in den Bundestag nach. Wie haben Sie davon erfahren?

Dirk-Ulrich Mende

Dirk-Ulrich Mende: Ich habe morgens auf mein Handy geguckt, das gleichzeitig auch mein Wecker ist. Da stand: Herzlichen Glückwunsch, Herr Abgeordneter! Die Nachricht hatte mein Unterbezirksvorsitzender geschickt. Der hatte in der Nacht schon aus der Presse erfahren, was Ministerpräsident Stephan Weil erst am nächsten Morgen 11 Uhr in der Pressekonferenz mitgeteilt hat. Ich habe dann trotzdem erst einmal abgewartet, was der Ministerpräsident sagt – auch gewöhnlich gut informierte Medien können sich ja mal irren.

Die Personalrochade war ziemlich ungewöhnlich. Ausgelöst wurde alles durch den Rücktritt von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht. Auf sie folgt Boris Pistorius, bisher Innenminister in Niedersachsen. Diesen Posten übernimmt Daniela Behrens, als deren Nachfolger wiederum der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Philippi ins niedersächsische Sozialministerium wechselt. Somit war plötzlich ein Sitz im Bundestag frei.

Ich wusste zwar, dass ich auf Platz 1 der Nachrückerliste stehe, aber so eine Reihenfolge kann man sich vorher gar nicht ausmalen. Da sind unvorhersehbare Zufälle im Spiel gewesen.

Sie sind durch und durch Kommunalpolitiker. Sie waren 2009 bis 2017 Oberbürgermeister von Celle, sind aktuell noch Geschäftsführer beim Niedersächsischen Städtetag und Mitglied im Vorstand der Bundes-SGK. Welche kommunalen Themen wollen Sie in den Bundestag einbringen?

Kommunale Themen sind immer dann tangiert, wenn der Bund Erweiterungen vornimmt, die nicht zu Ende durchfinanziert sind. Da sagen die Kommunen zu Recht: Ihr könnt nicht Themen setzen und meinen, das erledigt sich irgendwie. Ein Beispiel: Wenn man bei der Wohngeldreform dafür sorgt, dass deutlich mehr Menschen Wohngeld beziehen – was sozialpolitisch richtig und wünschenswert ist –, dann muss man die Kommunen auch in die Lage versetzen, diesen Wohngeldanspruch zeitnah zu erfüllen. Dafür brauchen sie einen bestimmten Vorlauf, sie brauchen Personal und letztlich auch das Geld, um das Personal zu bezahlen.

Manchmal habe ich den Eindruck – aus meiner heutigen kommunalen Perspektive heraus – dass die Lebenswirklichkeit in den Städten und Gemeinden ein Stück weit in den Hintergründ rückt, wenn Entscheidungen im Bundestag getroffen werden. Man muss Prozesse bis zum Ende denken, also bis zum letzten Glied in der staatlichen Verwaltung. Sonst gibt es Irritationen, und dann beschweren sich die Leute beim Bürgermeister oder der Stadtverwaltung, weil es dort zu langsam vorangehe. Das gilt auch für das Baurecht und viele andere Themen.

Wissen Sie schon, welchen Ausschüssen und fraktionsinternen Arbeitsgruppen Sie angehören werden? Oder haben Sie Wünsche?

Die Ausschussvergabe wird erst mit der Parlamentarischen Geschäftsführerin zu besprechen sein. In die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalos werde ich mich mit Sicherheit einbringen. Im Innenausschuss wäre ich gerne dabei. Mit meiner beruflichen Biografie bin ich aber breit aufgestellt. Ich war lange im niedersächsischen Sozialministerium tätig und habe zur Sozialpolitik weiterhin eine hohe Affinität. Vorstellen kann ich mir auch den Gesundheitsausschuss. Gesundheitspolitische Fragen haben mich in meiner beruflichen Tätigkeit stark geprägt, ich gehöre auch noch dem Verwaltungsrat einer gesetzlichen Krankenkasse an.

Aktuell sind Sie Kreistagsvorsitzender in Celle ...

Das ist eine Besonderheit, weil wir in Celle zum ersten Mal eine Mehrheit gegen die CDU organisieren konnten. Das ist eine bunte Truppe von ganz links bis zur FDP, mit der Wählergemeinschaft und als stärkstem Part die SPD. Geeint sind wir durch den Willen, die CDU-Dominanz nach 70 Jahren ein Stück weit zu brechen. Als Kreistagsvorsitzender ist es meine Aufgabe, Konflikte zu moderieren und runterzukochen. Dafür muss ich objektiv und fair gegenüber allen Parteien sein. Das Schöne ist, dass man so sukzessive viel stärker sachbezogene Politik für den Kreis machen kann und alte Grenzen immer wieder aufbricht. Ich erinnere mich gut, wie schwer es in meiner Zeit als Oberbürgermeister gewesen ist, den 20-jährigen Widerstand gegen eine Integrierte Gesamtschule (IGS) zu überwinden. Am Ende ist es gelungen. Dieses Jahr wird der erste Abiturjahrgang die IGS verlassen, darauf bin ich stolz.

Werden Sie ihre kommunalpolitischen Ämter und Mandate weiter ausüben oder ihre ganze Zeit und Kraft für den Bundestag benötigen?

Das kann ich heute noch nicht abschließend bewerten. Im Kreistag bin ich mit vollem Herzen dabei und habe auch den Eindruck, dass ich dort Gutes bewirke. Aber ich muss abwarten, ob sich das mit dem Mandat im Bundestag beißt. Mein Hauptaugenmerk muss und wird auf der Bundestagstätigkeit liegen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich aufgrund der zeitlichen Belastung nicht allen Aufgaben gerecht werden kann, müsste ich das kommunale Mandat am Ende des Tages tatsächlich aufgeben.

Haben Sie schon einen Plan für die ersten Schritte ins neue Amt?

Ich muss zwei Wahlkreisbüros in Celle und Uelzen besetzen. Und ich habe schon erste Telefonate geführt mit Menschen, die ich mir dafür vorstellen kann. In Berlin werde ich mich mit den Kolleginnen und Kollegen treffen, die bislang im Büro von Andreas Philippi gearbeitet haben, und schauen, ob ich sie übernehmen kann. Das sind erfahrene Leute, die das Geschäft im Bundestag kennen. Das wird mir als Neuling sicher helfen.

Die Wohnungssuche in der Hauptstadt soll nicht ganz einfach sein.

Das stimmt. Vielleicht kann ich die Wohnung von Andreas Philippi übernehmen. Wenn nicht, habe ich die Möglichkeit, bei meiner Tochter zu übernachten, die mit ihrem Mann in Berlin wohnt. Und ansonsten werde ich sicher auch mal die eine oder andere Nacht im Hotel verbringen.

Zur Person: Dirk-Ulrich Mende

Dirk-Ulrich Mende wurde 1957 in Münster geboren. Nach einem rechtswissenschaftlichen Studium arbeitete er unter anderem beim Regierungspräsidenten in Kassel, beim damaligen Bundesamt für die Anerkennung von Flüchtlingen, beim Landeswohlfahrtsverband Hessen und im Niedersächsischen Sozialministerium, später auch als Referatsleiter im Ministerium für Inneres, Sport und Integration.

1999 bis 2003 war Mende Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. 2009 bis 2017 amtierte er als Oberbürgermeister von Celle. Gegenwärtig gehört er dem Landesvorstand der SGK Niedersachsen und dem Vorstand der Bundes-SGK an und ist Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages.