Moderne Verwaltung

Neubauer: Wir liegen bei der Modernisierung der Verwaltungsarbeit zehn Jahre zurück

Karin Billanitsch29. Juni 2020
Drei Fragen an Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg zur Modernisierung der Verwaltung in und nach der Corona-Krise.

Wird die Corona-Krise Ihrer Einschätzung nach die Formen der Arbeit in der Verwaltung künftig nachhaltig beeinflussen? Zum Beispiel konkret durch bessere Rahmenbedingungen für mehr Home-Office?

Dirk Neubauer: Hier fehlen den meisten, vor allem kleinen Kommunen Know How und technische Voraussetzungen. Dies waren oft so kurzfristig auch nicht zu schaffen. COVID 19 hat bewiesen, was wir schon lange sagen: Wir liegen bei der Modernisierung von Verwaltungsarbeit locker zehn Jahre zurück. Und dies wird sich nur ändern können, wenn Bund, Länder und Kommunen gemeinsam und ernstzunehmend an einer Lösung arbeiten. Standardisiert und einheitlich. Das alleinig den Kommunen zu überlassen und diese mit wesentlichen Punkten wie zum Beispiel der Finanzierung alleine zu lassen, ist ein schwerer Fehler. 

Wird es mehr mehr Videokonferenzen, Einrichtung und Anschaffung entsprechender Tools geben?

Neubauer: Wohl die einfachste aller Varianten, weil einfach zu bedienen und leicht zu finanzieren. Viele haben nun gelernt, dass dies auch dauerhaft praktisch sein kann. Wir haben dies bei uns jetzt fest eingetaktet und führen Abstimmungsprozesse auch innerhalb der Kommune, zwischen KITAs, Schule und anderen Akteuren durch. Spart Zeit, Kosten und ist effizient. Wir haben aber auch gelernt, dass wir viele Arbeitsplätze haben, die dies nicht abbilden kann, weil Kamera und Mikro fehlen. Hier war die „Krise“ ein wichtiger Treiber, die Angst vor solchen Tools nach hinten zu stellen.

Was denken Sie über beschleunigte digitale Prozesse insgesamt (Stichwort „Digitales Rathaus)?

Neubauer: Hier bin ich skeptisch. Viele kleine Kommunen haben auch in dieser Zeit diese Wege nicht genutzt. Das sollten wir bei aller Euphorie nicht ausser acht lassen. Denn Know How und auch das Wollen eines solchen Vorgehens sind nicht automatisch abrufbar, wenn man es dann überraschend braucht. Wir müssen deshalb diese Chance jetzt nutzen, breite Qualifizierung von Verwaltungen, breite Diskussionen zu den Möglichkeiten und eine Diskussion über ein systematisches gemeinsames Vorgehen bei der Erarbeitung von digitalen Wegen anzustoßen. Das passiert zumindest im Freistaat Sachsen nicht. Seit Jahren bemühen wir uns hier um ein gemeinsames Vorgehen. Das aber ist beinahe hoffnungslos und Lichtblicke sind zumeist Eigeninitiativen oder wenige Modellprojekte. Wir brauchen aber schon wegen der äußerst unterschiedlichen Ausgangsbasis zumindest ein Standardsetup, das man denen als Dienst zur Verfügung stellen kann, die selber nicht die Kraft haben, Digitalisierung selbst zu konzipieren. Die Schaffung von zentralen Verfahren für bestimmte Verwaltungsdienstleistungen, die zentral stattfindet macht nämlich nur dann Sinn, wenn die Kommunen selbst auch diese voll digital weiter bearbeiten können. Das wird so nicht erreichbar sein.