Entscheidung im Bundesrat

Neue Verordnung soll autonomes Fahren regeln

Carl-Friedrich Höck25. Mai 2022
In Hamburg ist bereits der autonom fahrende Kleinbus HEAT unterwegs.
Autos ohne fahrende Person könnten den Alltag revolutionieren und gelten als große Chance für den Öffentlichen Nahverkehr. Eine Verordnung soll regeln, wie die Fahrzeuge zugelassen werden. Der Bundesrat hat ihr zugestimmt – sofern der Bund einige Änderungen übernimmt.

Sich selbst steuernde Autos sind längst keine Zukunftsvision mehr. In Bad Birnbach wird bereits ein autonomer Kleinbus eingesetzt. Auch in der Hamburger Hafencity wurde im Jahr 2020 ein Testlauf mit autonomen Shuttlebus gestartet. Vor wenigen Tagen hat Mercedes-Benz als erster Autohersteller die Zulassung für ein „Level-3-Fahrzeug“ im regulären Straßenverkehr erhalten. Es fährt, lenkt und bremst wie von Zauberhand. Der Fahrer darf sich sogar vom Verkehr abwenden – muss sich aber bereithalten, um das Steuer notfalls wieder zu übernehmen. In Zukunft soll auch das nicht mehr nötig sein, wenn Fahrzeuge mit Level-Stufe 4 oder 5 auf den Markt kommen.

Bundesrat befasst sich mit selbstfahrenden Fahrzeugen

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (B90/Grüne) nennt die Entwicklungen einen „Quantensprung in eine neue Zeit“. Autonomes Fahren könne die Verkehrssicherheit erhöhen, dem Rasen ein Ende bereiten und das Klima schützen. Großes Potenzial sieht er auch für den Lieferverkehr, die City-Logistik oder den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) im ländlichen Raum. Das sagte Hermann am vergangenen Freitag im Bundesrat.

Die Länderkammer befasste sich mit einer Verordnung, die ein 2021 beschlossenes Gesetz zum autonomen Fahren konkretisieren und wichtige Details regeln soll. Mit dem Gesetz hat der Bund es grundsätzlich ermöglicht, dass autonom fahrende Kraftfahrzeuge am Regelbetrieb im öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können – zumindest in festgelegten Betriebsbereichen. Damit das Gesetz in der Praxis angewendet werden kann, müssen aber noch Verfahrensvorschriften und technische Anforderungen geregelt werden. Dazu dient die Regierungsverordnung. Der Bundesrat hat ihr zugestimmt, sofern der Bund eine Reihe von Änderungswünschen übernimmt.

Kommunen überfordert?

Die Verordnung enthält beispielsweise Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis für autonomes Fahrzeuge. Sie stelle hohe Anforderungen an die Fahrzeuge, wie Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) betont:. „Sie müssen Begrenzungen, Straßenschilder, Ampeln und Zebrastreifen erkennen und Verkehrsregeln nach der STVO sicher beherrschen.“

Auch die Festlegung von Betriebsbereichen ist Gegenstand der Verordnung. Der Betriebsbereich wird vom Fahrzeughalter festgelegt und muss von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Das kann die Autobahn-GmbH des Bundes, das Land oder auch die Straßenverkehrsbehörde einer Gemeinde sein. Genau hier sehen die Länder ein Problem: Die für die Genehmigung zuständigen kommunalen Behörden verfügten in der Regel nicht über den Sachverstand, um beurteilen zu können, ob sich ein Betriebsbereich für ein spezielles autonom fahrendes Fahrzeug überhaupt eignet. Gleiches gelte für den Nachweis der erforderlichen Funk-Netzabdeckung im Betriebsbereich, wie der Bundesrat auf seiner Website informiert. Zudem sei es diesen Behörden nicht zumutbar, bereits genehmigte Betriebsbereiche permanent zu überwachen und Änderungen der Infrastruktur oder der Beschilderung stets mit der Genehmigung abzugleichen und beim Betrieb des Fahrzeugs permanent berücksichtigen zu müssen. Daher wünschen sich die Länder eine Konkretisierung und wollen doppelte Zuständigkeiten beseitigen.

Hohe Genehmigungskosten für ÖPNV

Bedenken hat der Bundesrat auch wegen der hohen Kosten, die den ÖPNV-Unternehmen entstehen können, wenn sie für autonom fahrende Busse eine Genehmigung erhalten wollen. Diese lägen im Millionenbereich. Das konterkariert die Hoffnungen, mit selbstfahrenden Shuttles gerade dort Angebote schaffen zu können, wo sich der Einsatz herkömmlicher Fahrzeuge mit Fahrer wirtschaftlich nicht rechnet. Deshalb appellieren die Länder an den Bund, insbesondere kleine und mittelständische Verkehrsbetriebe finanziell zu unterstützen.

Dazu kommen weitere Änderungswünsche der Länderkammer. Sie beziehen sich zum Beispiel auf die Frage, wer bei einem Unfall die Unfallstelle absichert – die Straßenverkehrsordnung sieht hier den Fahrer oder die Fahrerin in der Pflicht. Ein Bordcomputer kann diese Aufgabe nicht wahrnehmen. Es gibt also weiterhin Regelungslücken, die beseitigt werden müssen.

Ob und wann die Bundesregierung sich mit den Änderungsvorschlägen der Länder befasst, ist noch offen. Eine Frist hierfür gibt es nicht. Klar ist aber, dass autonomes Fahren parteiübergreifend unterstützt wird. „Es begeistert“, meint Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin im FDP-geführten Bundesverkehrsministerium. Denn es biete neue Möglichkeiten für Ältere oder Menschen mit Behinderung und könne den ÖPNV nach vorne bringen. „Wir sind mit dieser Verordnung – die den Schluss unter die Gesetzgebung zieht – weltweit die ersten, die Level-4-Fahren im Autonomen Fahren ermöglichen“, sagte Kluckert im Bundesrat. Ähnliche Töne sind aus der SPD zu hören. Als das Gesetz zum autonomen Fahren im Mai 2021 beschlossen wurde, kommentierten die damals zuständigen SPD-Bundestagsabgeordneten Kirsten Lühmann und Arno Klare: „Autonome Fahrzeuge sind so programmiert, dass sie nie zu schnell unterwegs sind, alle Verkehrszeichen beachten und nie eine rote Ampel überfahren. So kommen wir Schritt für Schritt der Vision Zero, dem Ziel Null Verkehrstote, näher.“

 

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