Zukunftsweisendes Bauen

Neues Feuerwehrhaus aus recycelten Baustoffen

Harald Sawatzki09. Dezember 2020
Vision des fertiggestellten Feuerwehrhauses, gebaut mit Rohstoffe sparendem und wiederverwendbaren Material.
In Straubenhardt im Enzkreis wird nach dem Vorbild Venlo erstmals mit „kreislauffähigen Materialien“ gebaut.

Die Einwohnerinnen und Einwohner des Städtchens Straubenhardt dürfen wir uns bald als „glückliche Menschen“ vorstellen. Bald heißt in diesem Fall: Frühjahr 2021. Dann soll in der ­Gemeinde südwestlich von Pforzheim ein ­neues Feuerwehrhaus seiner Bestimmung übergeben werden. Nach jahrelanger akkurater Planung und einer rund zwei Jahre währenden Bauzeit werden sich die Tore eines Gebäudes öffenen, das im „Musterländle“ Baden-Württemberg noch seinesgleichen sucht: Erstmals wurde hier nach dem „Cradle-to-Cradle-Prinzip“ (C2C) gebaut.

„Von der Wiege bis zur Wiege“

Das Projekt – übersetzt: „Von der Wiege bis zur Wiege“ – lernte Straubenhardts Bürgermeister Helge Viehweg (SPD) bei einer Informationsveranstaltung der IHK Pforzheim kennen. Dort stellte ein Referent das Rathaus im niederländischen Venlo vor, das als C2C-Projekt mit Materialien gebaut wurde, die nach ihrer ursprünglichen Verwendung „problemlos getrennt und einem ­neuen Zweck zugeführt werden können“. So jedenfalls definieren die Initiatoren ihre C2C-Idee, die sie auf die knappe Formel bringen: Kreislaufwirtschaft ohne Abfall, das heißt „Müll vermeiden“. Und wo das gelingt, profitieren die Nutzer der Neubauten, werden die Arbeitsplätze in der Kommune gesünder und letztlich die Bürgerinnen und Bürger – siehe oben – „glücklich“.

Vor etwa drei Jahren berichtete Helge Viehweg dem Gemeinderat von dieser Art nachhaltigen Bauens. Er organisierte eine Exkursion mit Teilen des Rates in die Niederlande, ehe er danach mit den Spitzen der Fraktionen eine Informations­tour nach Berlin, antrat. Der ­zustimmende Beschluss des Gemeinderates fiel danach beinahe einstimmig aus.

Viehweg und seine Mitstreiter sehen ihr C2C-Gebäude als „Vorbild“ und sich als „Modellgemeinde für Baden-Württemberg“. Man wolle, betont Viehweg, „Zeichen nach außen“ setzen, neue „Beschaffungsrichtlinien erarbeiten“, das entstehende Gewerbegebiet ebenfalls mit C2C-Gebäuden bestücken und auch Privatleuten Anregungen geben, ressourcenschonend zu bauen. „Neu-
tralität gilt nicht. Wir wollen einen positiven einen Fußabdruck hinterlassen“, bekräftigt Viehweg. Er freut sich im ­Übrigen über positive Resonanz im Land: Andreas Stoch, Chef der Landes-SPD, habe sich bereits vor Ort über die C2C-Idee informiert. Und Ministerpräsident Winfried Kretschmann habe sein Kommen angekündigt. Das ermuntert Viehweg: „Wir werden Nachahmer ­finden“, ist er zuversichtlich.

Nach der europaweiten Ausschreibung setzte sich das Stuttgarter Büro wulf architekten in der Endausscheidung durch – und betrat mit C2C Neuland, wie Architekt Ingmar Menzer einräumt. Doch „nachhaltiges, Rohstoffe sparendes und wiederverwendbares Material beim Bauen“ kennen die Architekten aus mehreren bereits vollendeten Projekten. Für Menzer ist klar: So wie in der  Vergangenheit könne beim Bauen nicht weitergewirtschaftet werden.

Im Frühjahr 2019 folgte der erste Spatenstich. Johannes Kohle, Straubenhardts Fachbereichsleiter Bauen und Wohnen, beziffert die Gesamtkosten des Bauwerks auf „etwa elf Millionen Euro“. Die Hauptlast der Summe bleibe bei der Kommune hängen.

Idee des nachhaltigen Bauens

Die Idee des nachhaltigen Bauens hat auch Kohle überzeugt. Das neue Feuer­wehrhaus entstehe „ohne Giftstoffe“. Der Stahlbeton des Untergeschosses sei „unbehandelt“. Für Zwischen- und Obergeschoss werde Holz verwendet. Die jetzt eingesetzten Baustoffe blieben in gleicher Qualität erhalten und seien später wiederverwendbar.
Mit dem Feuerwehrhaus geht in Straubenhardt mit seinen knapp 11.000 Einwohnern ein Provisorium zu Ende: Während bisher alle sechs Orts­teile ihr je ­eigenes Feuerwehrhaus bewirtschafteten, werden jetzt alle Aktivitäten in diesem neuen Zentrum gebündelt.

Während ganz oben auf dem Dach eine begrünte Zukunft mit, so Kohle, „Bienen und vielleicht einer Schmetterlingszucht“ Wurzeln schlagen könnte, ist das Untergeschoss für den Fuhrpark und die Haustechnik reserviert. Im Zwischengeschoss entstehen weitere Parkplätze und Übungsräume, während darüber Platz für Veranstaltungen und Schulungen, unter anderem der 110 Mann starken Löschmannschaft entsteht.
Sie alle dürften sich, wenn der Bau erst mal fertig sein wird, ganz im Sinne Helge Viehwegs als Vorreiter der Nachhaltigkeit fühlen. Oder wie er es sagt: „Wir wollen Nützlinge sein.“