Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Newsroom im Rathaus

Bernd Neuendorf26. August 2020
Nachdem der städtische Newsroom in Bochum 2018 etabliert wurde, gab es in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einen Kulturwandel.
Warum immer mehr Städte auf den zeitgemäßen Weg setzen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zentral zu koordinieren. Mit der Einrichtung eines Newsrooms 2018 hat Bochum Neuland betreten.

Sie gelten als verstaubt und kommen von Sprache und Layout mitunter trocken und langweilig daher. Kein Wunder also, dass Bürgerinnen und Bürger das „Amtsblatt“ vielerorts mit Nichtbeachtung und Gleichgültigkeit strafen. Immer mehr Städte und Gemeinden setzen daher auf eine zeitgemäße Form der Kommunikation. Sie wollen ihre Informationen auf unterschiedlichsten Kanälen rascher und vor allem zielgerichtet verbreiten. In sogenannten „Newsrooms“ wird die gesamte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der Bedienung der Social-Media-Kanäle koordiniert. Nicht immer zur Freude von Verlagen sowie Journalistinnen und Journalisten.

„Kurze Wege“

Im Rathaus der Stadt Bochum hat im Juni 2018 „ein neues Zeitalter“ begonnen, so Thomas Sprenger. Damals habe man mit der Einrichtung eines „Newsrooms“ in Sachen ­Kommunikation „absolutes Neuland“ betreten, sagt der Sprecher der Ruhrgebietsmetropole. Mit herkömmlichen Mitteln könne man die Bürgerinnen und Bürger heute nicht mehr erreichen. Wenn eine moderne Verwaltung ihrem Informationsauftrag gerecht werden wolle, müsse sie auf die gravierenden Veränderungen bei der Nutzung von Medien reagieren.

Sprenger ist begeistert von den „kurzen Wegen“, dem „raschen Austausch“ unter den Kollegen. Vier Pressesprecher und drei Social-Media-Redakteure sind mit der Aufbereitung und Verbreitung der städtischen Nachrichten beschäftigt. „Ein echter Kulturwandel“, erklärt der Pressesprecher. Dieser sei allerdings nur möglich, wenn die Stadtspitze mitziehe. – in Bochums Fall unterstützt Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) das Projekt.

Mehr Raumbedarf, mehr Personal

Denn die Einrichtung des „Newsrooms“ bedeutet in der Regel mehr Raumbedarf und Personal. „Das zusätzliche Geld ist aber gut angelegt“, sagt Sprenger. So habe sich der direkte Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern verbessert. Im „Newsroom“ würden rund 2.000 Presseerklärungen im Jahr erstellt und an die 200 Presse­konferenzen organisiert. Es werden ­Fotos geschossen und ­Videosequenzen gedreht und dann über die Social-­Media-Kanäle verbreitet. Die Organisation der Pressearbeit habe sich komplett verändert.

Dies alles, so Sprenger, geschehe auch deshalb, weil klassische Medien längst nicht mehr alle Haushalte erreichten. Die Auflagen vieler Tageszeitungen gingen stetig zurück. Die Stadt Bochum müsse daher eigenständig für die Verbreitung relevanter Infos sorgen. Genau hierin sieht Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), aber eine Gefahr. Grundsätzlich sei es zwar zu begrüßen, wenn Städte Informationen bündelten und sich Journalisten bei der Recherche nicht mehr durch zahllose Ämter telefonieren müssten. Die Versuchung sei aber groß, ein Amtsblatt oder den städtischen Online-Auftritt „aufzublasen“ und selbst zum Medienanbieter zu werden. Der „Newsroom“ dürfe nicht durch die Hintertür zur „Staatspresse“ mutieren, so Überall.

Themen mit originären Bezug zur Verwaltungstätigkeit

In der Tat ist es bereits zu juristischen Auseinandersetzungen gekommen, weil einzelne Städte nach Ansicht von Verlagen ihren Informationsauftrag ausweiten und wie klassische Redaktionen auftreten. Das Landgericht Dortmund hatte dem Verlag Lensing Wolff, Herausgeber der „Ruhr-Nachrichten“, recht gegeben, wonach die Stadt auf Ihrer Homepage über die zulässige Informationspflicht ­einer Kommune hinausgegangen sei und damit gegen das Verfassungsgebot der Staatsferne der Presse verstoßen habe. So hatte die Stadt Dortmund im Internet beispielsweise Beiträge über ­Borussia Dortmund, ein nicht-städtisches Hospiz und über die Deutsche Meisterschaft im Unterwasserrugby verbreitet. Die Stadt Dortmund hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Man wolle nun klären lassen, ob es bei der Presse­arbeit einer Stadt um „ein verstaubtes Bild obrigkeitsstaatlicher Behördentätigkeit aus Nachkriegszeiten“ oder um „ein zeitgemäßes Kommunikationsverständnis einer Verwaltung“ gehe, „deren Informationstätigkeit auch durch Kooperieren, Initiieren, Werben für den Standort, Vernetzen und Motivieren geprägt“ werde.

Für Bochum erwartet Stadtsprecher Thomas Sprenger derartige juristische Auseinandersetzungen nicht. Man wolle transparent arbeiten und berichte lediglich über Themen, die einen originären Bezug zur kommunalen Verwaltungs­tätigkeit aufwiesen. Die Sorge des DJV, es könne eine Art Zeitungsersatz geschaffen werden, sei deshalb mit Blick auf Bochum unbegründet.

Überall: „Medienkompetenz stärken“

Frank Überall hört solche Äußerungen sicher mit Genugtuung. Dennoch, so der DJV-Chef, müsse man wachsam bleiben. Die Medienarbeit einer Kommune sei eben kein Korrektiv oder gar Ersatz für die freie Presse. Die strikte Trennung liege im Interesse des gesamten Gemeinwesens, weshalb Überall sich ein breites Bündnis aus Unternehmen, Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen aber auch dem Städte- und Gemeindetag und anderen Verbänden wünscht. Dort müsse man sich Gedanken darüber machen, wie mediale Vielfalt in der Kommune erhalten oder etabliert werden könne. Und letztlich gehe es auch darum, die Medienkompetenz schon in unseren Schulen zu stärken: damit zwischen PR-Arbeit und Journalismus unterschieden werden könne.

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