Woche der Abfallvermeidung

Noch immer zu viel Müll

Carl-Friedrich Höck23. November 2016
Plastikbecher in einem Mülleimer
Plastikbecker in einem Mülleimer: Die Menge der Abfälle steigt in Deutschland
Die Deutschen gelten als Recycling-Weltmeister – trotzdem verursachen sie mit ihrem Müll enorme Umweltprobleme. Denn hierzulande werden viel zu viele Abfälle produziert. Schuld daran ist nicht nur der Trend zum To-go-Becher.

„Kein Land in Europa produziert pro Einwohner und Jahr mehr Verpackungsabfälle als wir“, sagt Patrick Hasenkamp, Vizevorsitzender des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU). Deutschland müsse eine Kehrtwende schaffen. Und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat zwar eine gute Nachricht: „Die Abfallmenge wächst nicht mehr parallel zum Wirtschaftswachstum, wir werden effizienter“. Doch nach wie vor steige der Verbrauch von Verpackungen stetig.

Kampagne zur Abfallvermeidung

Anlass für die Äußerungen der beiden am Dienstagvormittag im Bundesumweltministerium ist die „Europäische Woche zur Abfallvermeidung“. Seit sechs Jahren beteiligt sich Deutschland an dem von der Europäischen Kommission initiierten Projekt. In diesem Jahr dauert sie vom 19. bis 27. November, koordiniert wird sie in Deutschland vom VKU.

Patrick Hasenkamp VKU
Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des VKU

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will aber nicht nur informieren und verweist auf erste politische Erfolge: So hätten sich schon 350 Unternehmen – darunter große Ketten – freiwillig verpflichtet, Plastiktüten nur noch gegen Geld an die Kunden abzugeben. In der Folge sei der Verbrauch dort um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Weitere Ziele seien, die Recyclingquote zu erhöhen, finanzielle Anreize für die Verwendung langlebiger Stoffe zu setzen und Verbraucher besser über die Wiederverwendbarkeit von Verpackungen zu informieren.

Single-Haushalte verursachen mehr Abfälle

„Pro Jahr entsorgen wir 17,8 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle, fast die Hälfte davon kommt aus den privaten Haushalten“, rechnet die Präsidentin des Bundesumweltamtes Maria Krautzberger vor. Eine Ursache: Es gibt immer mehr Single- und Zwei-Personen-Haushalte, die kleinere Verpackungen kaufen – und pro Kopf so mehr Müll produzieren. Eine weitere: Auch der Trend zu Fertiggerichten oder geliefertem Essen lässt die Müllmenge steigen. Und im Marketing hätten Verpackungen einen großen Stellenwert, merkt Krautzberger an. Deshalb seien sie oft unnötig groß.

Die Präsidentin des Bundesumweltamtes ist skeptisch, ob freiwillige Selbstverpflichtungen ausreichen, um zum Beispiel den Einzelhandel dazu zu bringen, mehr Mehrwegverpackungen zu verwenden. Insbesondere Discounter sperrten sich dagegen, beklagt sie. „Derzeit werden nur 26,9 Prozent der Erfrischungsgetränke und 40,6 Prozent des Wassers als Mehrweg angeboten.“

Politik will steuernd eingreifen

Das Bundesumweltamt sieht in den Lizenzentgelten für das Duale System einen möglichen Schlüssel, um steuernd einzugreifen. Denn hierüber lassen sich auch die Kosten für den Verpackungsmüll beeinflussen. „Wir brauchen eine gerechtere Lösung für die Umwelt“, fordert Maria Krautzberger.

Barbara Hendricks Interview
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks wirbt im Gespräch mit der Presse für einen sorgsamen Umgang mit Abfällen.

Große Hoffnungen waren mit dem geplanten Wertstoffgesetz verbunden, das Umweltministerin Barbara Hendricks im Sommer dieses Jahres nach langer Debatte aufgeben musste. Vorgesehen war, dass nicht nur Verpackungen, sondern auch andere Gegenstände aus dem gleichen Material in die Wertstofftonne entsorgt werden können. Nun ist nur noch ein abgeschwächtes Verpackungsgesetz geplant (Informationen des Umweltministeriums dazu hier). „Es geht um viel Geld“, sagt Hendricks dazu. Der Streit zwischen privaten und kommunalen Unternehmen sei nicht aufzulösen gewesen. Der neue Gesetzentwurf sei „weniger ehrgeizig“, gibt die Ministerin zu, aber immer noch besser als Stillstand.

Schädliche Modeerscheinung

Mehrweg-Kaffeebecher
Alternative zum täglichen Müll: Dieser biologisch abbaubare Mehrweg-Kaffeebecher wurde im Bundesumweltministerium präsentiert.

Aber auch jeder Einzelne kann etwas beitragen, ruft Patrick Hasenkamp vom VKU in Erinnerung. Ein Beispiel sei der tägliche Coffee to go: In Deutschland würden pro Jahr 2,8 Milliarden Einwegbecher verkauft. „Diese Modeerscheinung verschwendet Ressourcen“, schimpft Hasenkamp. Ein Zeichen gegen diesen Trend setzt Julia Post, eine Studentin aus München: Sie verteilt Sticker mit der Aufschrift „Coffee to go again“ an Cafés oder Bäckereien, die ihren Kunden anbieten, den Kaffee auch in mitgebrachte Becher zu füllen. „Das Ergebnis ist, dass die Menschen endlich anfangen, über das Thema zu reden“, sagt Hasenkamp.

Europäische Woche der Abfallvermeidung

Die Europäische Woche der Abfallvermeidung findet vom 19. bis 27. November 2016 statt. Laut den Initiatoren ist sie „Europas größte Kommunikationskampagne rund um Abfallvermeidung und Wiederverwendung“

Initiiert wurde das Projekt 2009 von der Europäischen Kommission. Seit 2010 findet die Kampagne auch in Deutschland statt, koordiniert vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Ergänzt wird die Kampagne seit 2014 durch Abfall-Sammelaktionen unter dem Slogan „Let´s Clean Up Europe“

Deutschlandweit widmen sich 500 Aktionen dem Thema Abfallvermeidung – organisiert von Behörden, Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen. Informationen dazu gibt es hier: www.wochederabfallvermeidung.de.

„Die kommunalen Unternehmen engagieren sich im dem Bereich, weil sie der Daseinsvorsorge verpflichtet sind“, sagt VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp. Öffentliche Unternehmen müssen dem Gemeinwohl dienen. Daraus ergibt sich laut VKU auch ein Auftrag zur Umwelterziehung, zur Abfallberatung und zum nachhaltigen Wirtschaften.

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