Porträt

OB Claus Kaminsky: starke Schulter für Hanau

Jonas Jordan27. Mai 2022
Er punktet mit Authentizität: Claus Kaminsky
Seit fast 19 Jahren ist Claus Kaminsky als Oberbürgermeister von Hanau im Amt. Der Anschlag vom 19. Februar 2020 hat seine Heimatstadt deutlich verändert.

Eigentlich wollte Claus Kaminsky schon aufhören. Im vergangenen Jahr sollte nach 18 Jahren als Oberbürgermeister von Hanau Schluss sein. Doch dann kam der rechtsterroristische Anschlag vom 19. Februar 2020, bei dem neun Menschen mit ausländischen Wurzeln ermordet wurden. Kurz darauf folgte die Corona-Pandemie. „In stürmischer See geht der Kapitän nicht von Bord“, sagt Kaminsky im Gespräch. Er habe das Gefühl gehabt, den ­Hanauerinnen und Hanauern zumindest ein Angebot machen zu müssen. Das Angebot, ihn sechs weitere Jahre an der Verwaltungsspitze der Brüder-Grimm-Geburtsstadt zu behalten.

19 Jahre als Oberbürgermeister, so lange am Stück wie niemand zuvor in der Geschichte der Stadt, zudem ­viermal im ersten Anlauf gewählt: Wie hat er das geschafft? „Das A und O ist, dass man authentisch ist und die ­Bürgerinnen und Bürger das ehrliche Bemühen spüren, dass die Stadt am ­Ende der Wahlperiode besser dasteht als vorher.“

„Der schrecklichste Tag für Hanau“

In den ersten 17 Jahren im Amt hat ­Kaminsky viel erreicht in und für Hanau, nachdem die Stadt zuvor ein bisschen im Dornröschenschlaf vor den Toren Frankfurts lag und in diverse Skandale verstrickt war. Der Sozialdemokrat hat Hanau finanziell konsolidiert und gleichzeitig den Wohlstand vergrößert. Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, dazu der erfolgreiche Umbau der Innenstadt zu einem attraktiven Einkaufszentrum. „Das sind Dinge, auf die ich durchaus mit Stolz zurückblicke“, sagt der Oberbürgermeister. Hanau steht an der Schwelle zur 100.000-Einwohner-Marke und will in den nächsten Jahren kreisfreie Stadt werden.

Und dann kam der 19. Februar 2020. Ein Tag, der vieles veränderte, Gewissheiten kippte und den Kaminsky als „schrecklichsten Tag in Friedenszeiten für meine Heimatstadt Hanau“ bezeichnet. Die Tage nach dem Anschlag seien die schlimmsten seines Berufslebens gewesen, sagt Kaminsky. Zugleich zeigte die Hanauer Zivilgesellschaft in diesen Tagen eine enorme Solidarität. „Die Opfer waren Hanauer“ und „Hanau steht zusammen“ waren zwei Leitsätze, die damals geprägt wurden und bis heute Gültigkeit besitzen. Kaminsky ging als Oberbürgermeister voran. Er besuchte die Familien aller Opfer, versuchte Trost zu spenden. „Da hat mir als dreifacher Familienvater sicherlich die Vorstellung geholfen, wie es sein muss, wenn eines deiner Kinder auf so schreckliche Weise ermordet wird.“

Dieses Engagement wirkte authentisch. So sagte beispielsweise Ajla Kurtović, deren Bruder Hamza beim Anschlag starb: „Mit Oberbürgermeister Claus Kaminsky haben wir eine starke Schulter in der SPD.“ Ende März wurde Kaminsky auch mit dem Hamza-Kurtović-Preis ausgezeichnet. „Auf diesen Preis bin ich wirklich stolz. Ich habe ihn auch in dem Geiste angenommen, dass er für die vielen steht, die sich in Hanau engagiert haben“, sagt er.

Krisengeübt und hilfsbereit

Der Anschlag vom 19. Februar, die ­Corona-Pandemie, jetzt der Krieg in der Ukraine. „Wir sind mittlerweile ein Stück krisengeübt und können auf Strukturen zurückgreifen, die uns jetzt helfen“, sagt Kaminsky mit Blick auf mehr als 1.000 Geflüchtete aus der Ukraine, die bislang in Hanau angekommen sind. Es gebe eine ganz, ganz große Hilfsbereitschaft in der Stadt. „Ich habe das Motto ausgegeben: Wir helfen unbürokratisch, aber strukturiert“, sagt Kaminsky und verweist auf die lange Hanauer Integrationsgeschichte seit der Ankunft wallonisch-niederländischer Flüchtlinge im 16. Jahrhundert. „Das Zusammenleben von Menschen aus 140 Nationen in ­Hanau geschieht in großem Respekt ­voreinander und miteinander.“

Entsprechend glaubt Kaminsky, dass auch in den verbleibenden fünf ­Jahren seiner Amtszeit der Fokus auf der Bewältigung der Folgen des 19. Februar, von Corona und dem Krieg in der ­Ukraine liegen werde. „Das übergeordnete Ziel ist weiterhin, meinen Beitrag zu leisten, damit diese Stadtgesellschaft beiein­ander bleibt. Das braucht immer eine besondere Anstrengung“, sagt der SPD-Oberbürgermeister. Zudem solle von Hanau in den kommenden Jahren ein starkes Signal im Kampf gegen den ­Klimawandel ausgehen, beispielsweise im Bereich Mobilität.
Doch nach so vielen Jahren an der Verwaltungsspitze ist für Kaminsky auch der Ausgleich wichtig. „Es geht nur so, indem man sich kleinere Auszeiten organisiert. Sonst ist das weder physisch noch psychisch über einen so langen Zeitraum zu schaffen“, sagt er. Er findet ihn, wenn er mit dem Hund spazieren geht, Zeit mit seinen beiden Enkelkindern verbringt oder im Stadion bei der Frankfurter Eintracht ist.

Zur Person

Claus Kaminsky wurde am 7. November 1959 in Hanau ­geboren. In seiner Heimatstadt ist er seit 1995 hauptamtlich politisch tätig, ­zunächst als Bürgermeister, seit September 2003 als Oberbürgermeister. Inzwischen befindet sich der Sozial­demokrat in seiner vierten Amtszeit. Jedes Mal wurde er im ersten Wahlgang gekürt. Kaminsky ist mit 19 Jahren Amtszeit der Oberbürgermeister mit der längsten ununterbrochenen Amtsdauer in der ­Geschichte Hanaus. Für sein ­Engagement bei der Aufarbeitung des rechtsextremistischen Terroranschlags vom 19. Februar 2020 wurde er Ende März mit dem ­Hamza-Kurtović-Preis ausgezeichnet, benannt nach einem der neun Mordopfer mit ausländischen Wurzeln. Kaminsky hat drei Kinder und zwei Enkelkinder.