Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit

Ostbeauftragte sorgt sich um Daseinsvorsorge in strukturschwachen Regionen

Carl-Friedrich Höck06. September 2017
Symbol der Deutschen Einheit: Das Brandenburger Tor in Berlin.
Die Ostbeauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke hat den neuen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit vorgestellt. Deutschland habe sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt, sagt sie. Sorgen machen ihr die Folgen des demografischen Wandels.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Regionen auf Dauer abgehängt werden“, warnt Iris Gleicke. Die Warnung überrascht zunächst, schließlich zeigt der Jahresbericht der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder: Auch ostdeutsche Regionen haben vom Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre profitiert. Die Arbeitslosenquote ist im Osten von 18,7 Prozent im Jahr 2005 auf 8,5 Prozent in 2016 gesunken. Die durchschnittlichen Einkommen sind gestiegen. Und bei der subjektiven Lebenszufriedenheit haben die Ostdeutschen zum höheren Westniveau weitgehend aufgeschlossen.

Gleickes Albtraum

Doch der Prozess des Zusammenwachsens von Ost und West sei auch 27 Jahre nach der Deutschen Einheit noch nicht abgeschlossen, sagt Gleicke. „Allen Erfolgen zum Trotz gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Der Westen hat knapp ein Drittel mehr Wirtschaftskraft pro Kopf als der Osten.“ Nach wie vor habe der Osten eine höhere Arbeitslosigkeit. Der Arbeitsmarkt sei zudem von geringeren Löhne, schwächerer Tarifbindung und einem größeren Niedriglohnsektor geprägt. Positiv habe sich der Mindestlohn ausgewirkt. Doch der sei „das Mindeste“ und markiere nicht „das Ende der ostdeutschen Fahnenstange“.

Sorgen bereitet der Ostbeauftragten der demografische Wandel. In vielen ländlich geprägten Regionen gehe die Bevölkerungszahl zurück und der Anteil der Älteren nehme zu. Diese Probleme gehen mancherorts noch mit einer schwachen Wirtschaftsstruktur und leeren Gemeindekassen einher. Das gefährde die wohnortnahen Angebote der Daseinsvorsorge. Die Vorstellung von „ganzen Regionen, in denen es weit und breit keinen Lebensmittelladen, keinen Kindergarten, keinen Arzt und keine jungen Leute mehr gibt“, sei ein Albtraum, so Gleicke.

Gleicke fordert gesamtdeutsches Fördersystem

Der Bericht wirft die Frage auf, wie in der Zeit nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II strukturschwache Regionen gefördert werden können. Auch aus EU-Fördertöpfen könnten die ostdeutschen Regionen künftig weniger erhalten. Der Austritt Großbritanniens wird die Zahlungsströme verändern. Die EU wird insgesamt ärmer – und Ostdeutschland in Relation zum EU-Durchschnitt wohlhabender, ohne dass sich das Leben der Menschen verbessert. Das seien kein rein ostdeutschen Probleme, auch wenn es hier besonders viele strukturschwache Gebiete gebe, unterstreicht Gleicke. „Die Frage nach dem weiteren Umgang mit strukturschwachen Regionen stellt sich für Deutschland als Ganzes.“

Die Bundesregierung habe bereits wichtige Weichen gestellt, heißt es im Bericht. Genannt werden etwa die Neuregelung des Finanzausgleichs ab 2020, die Anhebung der sogenannten Regionalisierungsmittel – mit ihnen soll der Erhalt des Öffentlichen Personennahverkehrs gesichert werden – und die Förderung des Breitbandausbaus.

 

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