Riemser Erklärung

Wie Ostdeutschland zum Vorreiter bei der Klimawende werden soll

Jonas Jordan15. Juni 2022
Manuela Schwesig und Olaf Scholz (Archivbild)
Weg von russischem Gas und Öl, Ausbau der erneuerbaren Energien und eine gemeinsame Wasserstoffstrategie – so soll Ostdeutschland zum Vorreiter bei der Energiewende werden. Zumindest, wenn es nach den sechs Regierungschef*innen geht.

Zwischen dem Festland von Mecklenburg-Vorpommern und Rügen liegt die Insel Riems. Große Teile davon sind Sperrgebiet, weil sich darauf seit mehr als 100 Jahren eine virologische Forschungsstätte befindet. Einem erlesenen Kreis von Personen ist es Anfang der Woche jedoch erlaubt, das Eiland zu betreten, nämlich Vertreter*innen der Bundesregierung sowie der Länderregierungen von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Gemeinsam verabschieden sie die „Riemser Erklärung“. Darin heißt es: „Ostdeutschland hat das Potential, zum deutschen Vorreiter bei zukunftsträchtigen Innovationen in Schlüsseltechnologien zu werden.“

Gastgeberin Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, weist darauf hin, dass die ostdeutschen Bundesländer bereits jetzt Vorreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energien seien. Diese Position wollen die sechs Bundesländer ausbauen und sich mit Unterstützung des Bundes künftig besser vernetzen, auch um im innerdeutschen Wettstreit mit Schwergewichten wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern mithalten zu können.

Gemeinsam für mehr Wasserstoff

Im Zentrum dieses Vorhabens steht eine gemeinschaftliche Wasserstoffstrategie. So soll es eine gemeinsame Interessenvertretung – eine Art Koordinierungsstelle – der ostdeutschen Länder zur Wasserstoffforschung in Berlin geben. Der Bund leistet dazu eine Anschubfinanzierung. „Wir können in Ostdeutschland viel Windkraft bieten, aber wir brauchen auch genügend Speicherkapazitäten. Deswegen ist Wasserstoff ein großes Thema. Die Interessenvertretung soll die Interessen der ostdeutschen Länder zum Thema Wasserstoff bündeln“, erläutert Schwesig.

Teil der Riemser Erklärung ist jedoch auch der gemeinschaftliche Entschluss der sechs Länder, unabhängiger von fossilen Energielieferungen aus Russland werden zu wollen. „Wir unterstützen den Kurs der Bundesregierung, unabhängiger von russischem Gas und Öl zu werden“, betont Schwesig. Dennoch gehe es darum, in einer Übergangsphase hin zu einer vollständig klimaneutralen Wirtschaft über den Seehafen in Rostock anderes Öl in die Raffinerie nach Schwedt zu transportieren sowie das „große Verteilnetz aus Ludmin auch für LNG-Gas zu nutzen“. In der Erklärung heißt es dazu: „Zur Versorgung mit Erdöl und Erdgas Ostdeutschlands kommt den Standorten Rostock und Lubmin eine Schlüsselrolle zu. Beide haben einen direkten Einfluss auf die Einspeise- und Versorgungssituation für das gesamte ostdeutsche Gasnetz.“

Scholz: Ostdeutsche sind Fachleute für Transformation

Notwendig für diese Position der wirtschaftlichen Stärke Ostdeutschlands sind jedoch auch Fachkräfte in ausreichender Zahl. Daher planen die sechs Länder im Herbst eine gemeinsame Konferenz „Fachkräfteoffensive Ostdeutschland“. Bundeskanzler Scholz lobt die Vorhaben: „Unser Land befindet sich mitten in einer ganz großen Transformation. Die Bürgerinnen und Bürger in Ostdeutschland sind Fachleute in Sachen Transformation.“ Von ihren Erfahrungen während der Umbruchphase in den 90er-Jahren und ihrer Einstellung könnten alle profitieren, sagt der Kanzler nach dem Treffen der Ost-Regierungschef*innen. Ostdeutschland sei eine der attraktivsten Wirtschaftsregionen in ganz Europa.

Auch Carsten Schneider, Staatsminister für Ostdeutschland im Kanzleramt und Thüringer SPD-Bundestagsabgeordneter, lobt die Gesprächsatmosphäre auf der Insel Riems: „Hier geht ein Geist über die Parteigrenzen hinweg. Das Ostdeutschland gibt es gar nicht, aber es gibt Gemeinsamkeiten und gemeinsame Interessen.“

 

Mehr Informationen
Die Riemser Erklärung ist auf bundesregierung.de veröffentlicht.

Dieser Artikel ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

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