DEMO-Kommunalkongress 2016

Pronold: „Die Wohnungsnot birgt Sprengstoff“

Carl-Friedrich Höck03. November 2016
Florian Pronold
Florian Pronold auf dem DEMO-Kommunalkongress
Über die Zukunft der Kommunen sprach Florian Pronold, Staatssekretär im Bundesbauministerium, auf dem DEMO-Kommunalkongress. In seinem Vortrag rief er dazu auf, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup warb für einen vorsorgenden Sozialstaat. [Akualisiert]

„Wir haben als Sozialdemokraten auf kaum einem Feld soviel bewegt wie beim Wohnungsbau, Städtebau und allem, was damit zusammenhängt“, sagt Florian Pronold. Tatsächlich hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) unter Führung von Barbara Hendricks viel erreicht: Die Bundesregierung hat das Förderprogramm Soziale Stadt wieder aufgewertet, Auflagen für Neubauten entschärft und den sozialen Wohnungsbau wieder in den Fokus gerückt.

Irrtümer der Vergangenheit

Damit hat die Regierung auch Entscheidungen aus der Vergangenheit korrigiert, die auf falschen Prognosen basierten. „Vor 27, 28 Jahren war die gängige These: Die Städte bluten aus und die Menschen ziehen aufs Land“, rief Pronold in Erinnerung. Damals hätten die Experten befürchtet, dass die Städte veröden. Und vor 15 Jahren habe es noch geheißen, Deutschland werde nie wieder ein Wohnungsproblem haben, weil die Bevölkerung schrumpfe. Nun aber sei bezahlbares Wohnen eines der wichtigsten politischen Themen, unterstrich Pronold. „Viele Menschen haben die Sorge, dass sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Und immer mehr von dem sauer verdienten Geld geht fürs Wohnen drauf, bei unteren Einkommen oft schon über 40 Prozent.“ Das sei eine Entwicklung, die Sprengstoff beinhalte.

Eine Ursache sieht Pronold in dem Abbau von Sozialwohnungen. Deutschland habe in den vergangenen Jahren die Hälfte der Sozialwohnungen eingebüßt. „Viele denken, sozialer Wohnungsbau ist Sozialhilfe-Wohnungsbau. Das ist Quatsch“, sagte Pronold. Sozialer Wohnungsbau ziele auf die Mitte der Gesellschaft.

"Menschen nicht gegeneinander ausspielen"

Zur schon vorhandenen Wohnungsnot komme nun noch die Zuwanderung, so Pronold weiter. Das verschärfe die Entwicklung, weil die Menschen, wenn ihre Asylverfahren abgeschlossen sind, ebenfalls auf den Wohnungsmarkt kommen. Eines dürfe nun nicht passieren: Dass die syrische Familie ausgespielt wird gegen die alleinerziehende Mutter! „Wir sorgen dafür, dass die Gesellschaft auch hier zusammenhält“, versprach der Staatssekretär.

Der SPD-Politiker warnte davor, Fehler aus den 1990er Jahren zu wiederholen. Damals kamen zahlreiche Spätaussiedler nach Deutschland. „Insgesamt haben wir es ganz gut hingekriegt, aber ich kann einige Städte nennen, wo wir nachher das Programm Soziale Stadt gebraucht haben, weil sich reine Russenviertel gebildet hatten“.

Maßnahmen des Bundes

In der Tat hat das Bundesbauministerium in dieser Wahlperiode einiges auf den Weg gebracht. Die Mittel für das Programm Soziale Stadt und den sozialen Wohnungsbau wurden massiv aufgestockt. Sanierungsprogramme für die kommunale Infrastruktur wurden aufgesetzt – und extrem stark nachgefragt. Und das Baugesetzbuch wurde "in Rekordzeit" geändert, um die Unterbringung von Flüchtlingen zu erleichtern und mehr Neubau zu ermöglichen.

Doch damit nicht genug: Florian Pronold schloss auch nicht aus, Lärmschutzregeln zu lockern, um mehr lebendige Innenstädte zu ermöglichen statt reiner Gewerbe- oder Wohngebiete.

Daldrup für "vorsorgenden Sozialstaat"

Bernhard Daldrup
Bernhard Daldrup

Nach Florian Pronold trat Bernhard Daldrup ans Rednerpult, der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Auch er betonte: „Es ist Aufgabe der Kommunalpolitik, die Gesellschaft zusammenzuhalten.“ Daldrup plädierte dafür, in einen vorsorgenden Sozialstaat zu investieren, denn die Herkunft dürfe nicht über die Zukunft entscheiden. Den geplanten Verteilungsschlüssel für die Entlastung der Kommunen um fünf Milliarden Euro kritisierte Daldrup. Eine Milliarde hiervon soll nach bisherigem Stand über den Umsatzsteueranteil der Länder verteilt werden, weitere knapp zweieinhalb Milliarden über den Umsatzsteueranteil der Gemeinden. „Das ist nicht zielgerichtet; damit wird die Schere zwischen Arm und Reich nicht zusammengebracht, sie wird eher auseinandergehen“, befürchtet Daldrup.

Kommunale Selbstverwaltung brauche eine finanzielle Basis, mahnte der Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen an. Freiheit, die nur daraus bestehe Kürzungsrunden zu machen, sei keine kommunale Selbstverwaltung.

Das Land und die Kommunen würden sich durch Entwicklungen wie die Digitalisierung, ökologische Fragen oder Migration fundamental verändern, prophezeite Daldrup. Wichtig sei ihm, eines deutlich zu machen: „Es gibt Optionen, wir können es so oder so machen.“

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