Nachhaltige Mobilität

Radverkehr: Ein Schlüssel zur Mobilitätswende

Karin Billanitsch12. März 2021
Mit dem Fahhrad unterwegs: Dass mehr Menschen auf den Drahtesel umsteigen, ist ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Verkehrswende.
Für eine nachhaltige Verkehrswende und ein modernes und klimafreundliches Mobilitätssystem spielt das Fahrrad eine wichtige Rolle. Die Corona-Krise hat hier einen Schub gebracht. Nun sind Kommunen gefragt, den Trend zu verstetigen und die Infrastruktur auszubauen.

Die Corona-Krise hat der Fahrradbranche einen großen Boom beschert, denn immer mehr Menschen steigen auf das Fahrrad um, mit oder ohne elektronischen Antrieb. Die Zahlen, die der Zweirad-Industrieverband kürzlich vorgelegt hat, belegen das: Der Absatz an Fahrrädern und E-Bikes lag im Jahr 2020 mit rund fünf Millionen Exemplaren um knapp 17 Prozent über dem von 2019. Außerdem seien 2020 rund 40 Prozent mehr E-Bikes verkauft als im Vorjahr.

Ungleiche Flächenverteilung

Mehr Radverkehr ist in den Augen vieler Experten ein wichtiger Schlüssel für eine nachhaltige Verkehrswende und eine Dekarbonisierung des Verkehrs. Nicht erst seit Corona werden mehr Wege mit dem Rad zurückgelegt und die Wege werden immer weiter – aber die Krise hat dem Radfahren einen zusätzlichen Schub verliehen. Aber eine Entwarnung gibt es nicht. Wie Anne Klein-Hitpaß von der Agora Verkehrswende kürzlich auf einer Fachkonferenz in Berlin mit Blick auf die Verkehrsentwicklung betonte: Wir lassen auch jedes Jahr mehr Autos zu, die weitere Wege zurücklegen, Fahrgemeinschaften gehen aber zurück. „Der Mensch im Auto ist quasi der Chef der Strasse.“

Aufgrund der Corona-Krise nutzen weniger Menschen den ÖPNV, aber es gibt mehr Auto- und Radverkehr. Anne Klein-Hitpaß macht deutlich, dass dabei die Flächenverteilung die umweltfreundlichen Verkehrsmittel benachteiligt: Sie teilten sich nur Randflächen. Das sei eine Einladung an die Autofahrer. „Wenn wir ernsthaft eine Mobilitätswende wollen, müssen wir an dieser Flächenverteilung etwas ändern und die Menschen zum Umstieg motivieren. Wir müssen auch Einladungen an die anderen Verkehrsteilnehmenden aussprechen, im Sinne von: Das ist euer Platz, eure Radwege, auf denen seid ihr sicher.“

Krefeld baut Radwege aus

Dafür brauche es eine gute Infrastruktur, damit der Radverkehr seine wichtige Schlüsselfunktion einnehmen könne, so Hitpaß. Sie wandelte die griffige Formel „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“ vom damaligen Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel um: „Wer Radwege sät, wird Radverkehr ernten.“ Sie sieht viel Potenzial für das Umsteigen, denn laut Agora Verkehrswende sind 50 Prozent aller Verkehrswege kürzer als fünf Kilometer, 25 Prozent sogar kürzer als zwei Kilometer.

Es gibt mittlerweile viele kommunale Beispiele, die zeigen, dass das gelingt. Frank Meyer (SPD) setzt sich intensiv damit aus, wie der Ausbau des Radverkehrs gelingen kann, sowohl als Oberbürgermeister der Stadt Krefeld, und auch als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte (AGFS) in Nordrhein-Westfalen. „Wir koordinieren und sind Ideengeberin für den Aktionsplan Nahmobilität des Landes, wir fördern Nahmobilität, vernetzen die Kommunen untereinander und führen Imagekampagnen durch“, erläutert Meyer.

In Krefeld wurde eine „Fahrradoffensive“ ausgerufen. Damit möchte die Stadt den Anteil des Radverkehrs auf 40 Prozent erhöhen. Quer durch die Stadt entlang der Bahntrasse entsteht eine Fuß- und Radpromenade. „Pläne, die es seit den 90igerJahren gegeben hat, wurden jetzt angepackt“,so Meyer. 16,5 Kilometer sollen realisiert werden, der Weg soll auch überregional angeschlossen werden, zum Beispiel im Westen bis zur Partnerstadt Venlo führen.

Frank Meyer (SPD): die Bürgerschaft mitnehmen

Viele Städte, umreißt Meyer das Problem, seien in der Regel in ihrer Verkehrsplanung durch die Autoeuphorie der 60iger, 70iger Jahre geprägt. Nimmt man das Ziel, 25 oder 30 Prozent Fahrradverkehr zu erreichen, als Ausgangspunkt, so bedeutet das viel Arbeit für die Kommunen vor Ort. Drei Aspekte sind dabei für Meyer besonders wichtig: Die politische Entscheidung, ein zuverlässiger finanzieller Rahmen und Fachleute, die Planungen umsetzen können. Die AGFS wirbt mit der Kampagne „Plane Deine Stadt“ um Absolventen, um in einer Kommune zu arbeiten.

Aber selbst bei so simplen Maßnahmen wie der Einführung von Fahrradstrassen erlebt Meyer Widerstand aus der Bürgerschaft. „Um die Akzeptanz der Bürger müssen wir kämpfen und Bürgerbeteiligung ernst nehmen.“

Für eine nachhaltige Verkehrswende gibt es neben dem Ausbau des Radverkehrs nach Ansicht der Agora Verkehrswende weitere wichtige Bausteine: Grundgerüst einer Verkehrswende sei der ÖPNV; dazu müssten E-Mobilität und  Ladeinfrastruktur ausgebaut, der öffentlichen Raum aufgewertet, neue Mobilitätsformen unterstützt und die Stadtlogistik neu  organisiert werden – das sind Beispiele, die Anne Klein-Hitpaß nennt. Es müsse auch mehr überregional gedacht werden und „interkommunale Konkurrenz“ beendet werden. „Wir brauchen eine mutige Kommunalpolitik, die ganze Maßnahmenbündel schnürt, die wir benötigen und gleichzeitig klimaschädigendes Verhalten verhindert.“ Kommunen können als Akteure viel bewirken: Aber sie schaffen es nicht alleine. Sie brauchen einen „verlässlichen bundespolitischen Rahmen, mit Änderungen, etwa der Straßenverkehrsordnung“, sagt Hitpaß.

SPD fördert Fahrradfreundlichkeit

Der Bund fördert die Kommunen, wie Timm Fuchs vom Deutschen Städte- und Gemeindebund erläutert: „Der Bund stellt viel Geld bereit, um die Städte fahrradfreundlicher zu machen, beispielsweise mehr als 660 Millionen Euro im Förderprogramm „Stadt und Land“, flankiert von Mitteln der Länder. Der „Fahrradabgeordnete“ der SPD-Bundestagsfraktion, Mathias Stein, wies auf 1,5 Milliarden für Fahhrad-Infrastruktur im Rahmen des Klimapakets hin, sowie auf Finanzhilfen für Radschnellwege und Zuschüsse für nicht-investive Maßnahmen. „Manchmal braucht es aber ein Jahr, bis die Bundesländer die jeweiligen Verwaltungsvereinbarungen beschlossen haben, um Geld abzuwickeln.“ Damüssen wir schneller werden.so der Abgeordnete.

Die SPD und Bundesfinanzminister und designierter Kanzlerkandidat Olaf Scholz wollen, so heißt es im neuen Wahlprogramm zur Bundestagswahl, mit Förderprogrammen die „Kommunen dabei unterstützen, in Städten mehr Fläche für öffentlichen Verkehr, Fußgänger und Radfahrer zu schaffen.“