Fahrverbote sind möglich

Reaktionen auf das Diesel-Urteil

Carl-Friedrich HöckKarin Billanitsch28. Februar 2018
Verkehrsstau in Berlin
Verkehrsstau in Berlin: Wegen hoher Stickoxid-Werte dürften Kommunen Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhängen.
Städte dürfen Fahrverbote für Diesel-Autos verhängen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Die Kommunen aber wollen Verbote vermeiden, fordern stattdessen Gesamtkonzepte für saubere Luft und sehen die Autoindustrie in der Pflicht.

Der Deutsche Städtetag rechnet auch weiterhin nicht mit kurzfristigen Fahrverboten in den Städten. Das betonte Städtetags-Präsident Markus Lewe nach dem Gerichtsurteil vom Dienstag. Solche Verbote dürften ohnehin nur stufenweise eingeführt werden, würden aber auch nicht angestrebt. „Die Städte wollen keine Fahrverbote. Sie tun alles, um sie zu vermeiden“, sagte Lewe.

Städtetag fordert blaue Plakette

Der Städtetag sieht zum einen die Autohersteller in der Pflicht. Wenn die versprochenen Software-Updates nicht reichten, müsse die Autoindustrie zu Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselautos verpflichtet werden und diese auch bezahlen.

Aber auch die Länder seien „am Zug, ernsthaft zu prüfen, abzuwägen und die Luftreinhaltepläne anzupassen“, fügte Lewe hinzu. Und der Bund müsse nun kurzfristig die blaue Plakette einführen. Wenn die Städte zu Fahrverboten gezwungen würden, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, „müssen wir vorbereitet sein“. Der Städtetagspräsident wies darauf hin, dass die Städte vieles tun, um Emissionen zu senken. „Sie bauen beispielsweise den Nahverkehr mit Bussen und Bahnen weiter aus, fördern Radverkehr und Elektromobilität oder investieren in digitales Verkehrsmanagement.“

Landkreistag will Gesamtkonzept statt Fahrverbote

Der Deutsche Landkreistag argumentiert, Fahrverbote könnten zwar kurzfristig die Schadstoffbelastung an den Messstationen senken, notwendig sei aber ein nachhaltiges Gesamtkonzept. „Zu rechnen ist mit erheblichen Auswirkungen auf Pendler und Firmen, die vom innerstädtischen Verkehr teilweise vollkommen ausgeschlossen wären“, warnte Präsident Reinhard Sager.

Notwendig sei eine Strategie für die Mobilität der Zukunft. „Wir unterstützen daher die beabsichtigte Einrichtung einer Kommission zur Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität sowie die Schaffung eines Nationalen Kompetenznetzwerks für nachhaltige Mobilität“, so Sager. Dort müssten aber auch Themen wie die Digitalisierung oder autonomes Fahren diskutiert werden. „Wir sollten das Thema nicht auf Fahrverbote und Stickoxide reduzieren“, meint Sager.

DStGB: Diesel-Fahrverbote keine Lösung

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt nach dem Gerichtsurteil vor „dem Irrglauben“, man habe damit die Lösung gefunden. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte: „Die Kommunen sind zudem derzeit gar nicht in der Lage, die durch Fahrverbote entstehenden administrativen und bürokratischen Mammutaufgaben kurzfristig zu erfüllen. So wären beispielsweise allein in der Stadt München deutlich über 200.000 Fahrzeuge betroffen. Um die Anforderungen zu erfüllen müssten rund 130 000 neue Straßenschilder aufgestellt werden, mehr als 100 neue Mitarbeiter wären nötig, um allein die Ausnahmegenehmigungen zu bearbeiten. Dies alles geht nicht von heute auf morgen und wird viele Monate in Anspruch nehmen.“

Fahrverbote seien auch nur dann zulässig, „wenn dieser schwere Eingriff nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geeignet und erforderlich erscheint.“ Gerade das werde in vielen Fällen schwer zu begründen sein. Landsberg weiter: „Die Verhältnismäßigkeit ist vor allem deshalb fraglich, weil eine Vielzahl von Ausnahmen für Einsatzfahrzeuge, den ÖPNV, für Krankenwagen, für Anlieger und den Lieferverkehr ohnehin unverzichtbar wären und damit den Effekt in Frage stellen.“

SGK befürchtet massive Auswirkungen auf urbanes Leben

Statt über Verbote zu diskutieren, müssten nun die beim Dieselgipfel mit der Kanzlerin vereinbarten Maßnahmen beschleunigt und verstärkt werden, forderte Landsberg. Konkret nannte er „Stärkung des ÖPNV, Nachrüstung von Dieselbussen, digitale Verkehrsführung, Stärkung der Elektromobilität sowie beschleunigte Planung von Umgehungsstraßen“.

Frank Baranowski, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK), meint: „Mit dem Urteil strafen Richter nicht nur die unschuldigen Fahrer von Dieselfahrzeugen. Der Richterspruch trifft auch die Kommunen unmittelbar. Die nun zu errichtenden Dieselsperrzonen werden sich massiv auf das urbane Leben auswirken und belasten nicht nur Pendler, sondern auch Gewerbetreibende. Es darf nicht sein, dass die Kommunen und die Menschen vor Ort für die Fehler der Automobilindustrie zahlen müssen.”

Sozialdemokraten sehen Autoindustrie am Zug

Baranowski und viele andere SPD-Politiker forderten, die Autobauer stärker in die Pflicht zu nehmen, wie zum Beispiel der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Auch Barbara Hendricks, geschäftsführende Umweltministerin im Bund, bezeichnete die Autobauer als Verursacher. „Die dürfen wir nicht aus der Verantwortung entlassen“, so Hendricks in Berlin.

Bernhard Daldrup, der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte ein gemeinsames Handeln für eine Verkehrswende in den Kommunen. Er betonte auch, Fahrverbote könnten nur die Ultima Ratio sein. Die Reduzierung der Schadstoffbelastung müsse in erster Linie durch technische Umrüstung und einen sauberen Personennahverkehr erreicht werden. Daldrup forderte: „Die  Automobilindustrie hat die Situation verursacht muss sich ihrer Verantwortung an der Lösung des Problems stellen. Dies gilt ebenso für technische Nachrüstungen als auch für die notwendigen Software-Updates.“ Die neue Bundesregierung müsse sich unverzüglich mit den Ländern und Kommunen auf ein abgestimmtes Maßnahmenbündel verständigen.

Ebling verweist auf „großen Werkzeugkasten”

Michael Ebling, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen, reagierte mit einer Mitteilung zur Entscheidung: „Das Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass es bei dem klaren Auftrag, unsere Luft sauberer zu machen, keine Denkverbote geben darf. Für die Luftreinhaltepläne hat uns das Gericht einen großen Werkzeugkasten mitgegeben.” Fahrverbote seien nur ein Werkzeug unter vielen und für uns die Ultima Ratio, stellt Ebling klar. „Sie sind das Werkzeug, zu dem wir in der konkreten Umsetzung als Letztes greifen werden.“

In seiner Rolle als Mainzer Oberbürgermeister wollte Ebling gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aber nicht versprechen, Fahrverbote zu verhindern. „Ich kann keine Garantie abgeben, aber die Grenzwertüberschreitungen werden niedriger, und der Ausbau des elektrischen Straßenbahnnetzes greift.” Die Fahrzeugflotte im ÖPNV werde ertüchtigt. Er wisse, dass Mainz den Grenzwert in fünf Jahren einhalten können werde, so Ebling. „Ein Fahrverbot wäre unverhältnismäßig.”