Öffentlicher Nahverkehr

Rechnungshof fordert Reform der ÖPNV-Finanzierung

Carl-Friedrich Höck09. Februar 2022
S-Bahn in Berlin: In den öffentlichen Nahverkehr fließt viel Geld vom Bund. Der Rechnungshof bemängelt eine fehlende Koordination der Maßnahmen.
Eigentlich sollen die Länder den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) finanzieren. Doch tatsächlich komme das meiste Geld vom Bund. Das sagt der Bundesrechnungshof und drängt die Politik, den „Förderdschungel“ zu beenden.

Der Bundesrechnungshof fordert den Bund auf, seine Rolle bei der Finanzierung des ÖPNV zu überdenken. Rechnungshof-Präsident Kay Scheller kritisiert, der Bund verstricke sich in einem Förderdschungel, ihm fehle ein vollständiger Überblick. „Daher muss der Bund seine Finanzierungsinstrumente bereinigen“, meint Scheller. „Neben dem Abbau von Mischfinanzierungen würde ein einheitliches ÖPNV-Gesetz helfen“. Anlass war die Veröffentlichung eines Sonderberichts über den Einsatz von Bundesmitteln für den ÖPNV.

Geld bleibt bei den Ländern liegen

Obwohl der ÖPNV in der Verantwortung der Länder liege, finanziere der Bund ihn jährlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag, rechnet Scheller vor. Die Länder würden das Geld aber vielfach nicht sofort für den Nahverkehr verwenden, sondern es zunächst ungenutzt liegenlassen. Insgesamt trügen sie deutlich weniger zur Finanzierung bei als der Bund. Das solle dieser nicht hinnehmen, so Scheller.

Ein Beispiel: In den Jahren 2016 und 2017 hat der Bund allein über die Regionalisierungsmittel jeweils acht Milliarden Euro in den ÖPNV gesteckt. Die Länder setzten im gleichen Zeitraum nur jährlich 2,7 Milliarden Euro an eigenen Mitteln ein. Ein weiteres Problem laut Rechnungshof: Der Bund zahlt das Geld unabhängig davon aus, ob die Länder es wirklich gerade benötigen. Ende 2017 seien die nicht verausgabten Regionalisierungsmittel bei den Ländern auf vier Milliarden Euro angewachsen, teilt der Rechnungshof mit. Auch beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) stocke der Mittelabfluss: Im Jahr 2020 seien nur die Hälfte der 665 Millionen Euro, die der Bund eingeplant hat, auch in Anspruch genommen worden.

Gesamtüberblick über ÖPNV-Maßnahmen fehlt

Trotzdem gibt der Bund immer weiter Geld und erhöht sogar die Summen. Im Jahr 2021 hat er sich allein durch gesetzliche Zuweisungen wie den Regionalisierungsmitteln oder dem GVFG mit 11,6 Milliarden Euro am ÖPNV beteiligt, hält der Rechnungshof fest. Dazu kämen weitere Finanzierungsinstrumente, etwa Steuervergünstigungen, Corona-Sonderzahlungen und zahlreiche Förderprogramme und Modellvorhaben. Es gebe jedoch keine Stelle, die den Gesamtüberblick über die eingesetzten Milliarden behält. Deshalb könne der Bund die Wirkung seiner Maßnahmen weder koordinieren noch anpassen, bemängelt der Rechnungshof.

Die Finanzkontrolleur*innen kritisieren nicht den hohen Mitteleinsatz für den ÖPNV an sich. Seine zunehmende Bedeutung für den Klimaschutz oder die Anbindung ländlicher Gebiete wird nicht in Frage gestellt. Der Rechnungshof argumentiert jedoch, der Bund müsse vom bloßen Geldgeber zum Impulsgeber werden. Deshalb solle eine zentrale Stelle im Bundesverkehrsministerium eingerichtet werden, die den Mitteleinsatz steuert.

Das vom Rechnungshof vorgeschlagene ÖPNV-Gesetz soll unter anderem eine angemessene Grundfinanzierung der Länder sicherstellen. Soweit der Bund finanziert, müssten gesonderte Förderinstrumente für investive und konsumptive Maßnahmen vorgesehen werden. Bundesmittel sollen nur bedarfsgerecht ausgezahlt werden. Die Bundesverwaltung soll zudem „angemessene Informationsrechte“ erhalten.

 

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bundesrechnungshof.de

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