„Keine Randnotiz”

Wie rechte Gewalt in Bremen dokumentiert wird

30. August 2019
Springerstiefel mögen in der rechtsradikalen Szene seltener geworden sein. Auf rechte Gewalt trifft das leider nicht zu.
Mit dem Projekt „Keine Randnotiz“ möchten die Initiatoren der Bremer Beratungsstelle „Soliport“ Übergriffe aus dem Dunkelfeld herausholen.

Aufgehängte Banner mit der Aufschrift „Nazi Kiez“ in Bremerhaven, ein mit rechten Parolen beschmiertes Kunstprojekt im niedersächsischen Lemwerder, ein homophober Angriff in einem Club – diese und zahlreiche andere rechte Umtriebe sind dokumentiert. Daneben: eine interaktive Karte. Auf ihr ist sogleich zu sehen, wo der Übergriff passiert ist.

Rechte Gewalt wird sichtbar

Diese in Deutschland wohl einmalige interaktive Dokumentation gibt es auf der Webseite www.keine-randnotiz.de. Ins Leben gerufen hat das Projekt Soliport aus Bremen. Es ist eine Beratungsstelle für „Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“, so der Untertitel.

Die Meldung von Übergriffen auf „keine Randnotiz“ geschieht nach Auskunft von Berater und Bildungsreferent Josef Borchardt auf zwei Wegen: Zum einen weisen er und seine Kollegen in der Beratung auf die Möglichkeit hin, das eigene Erleben auf der Plattform zu dokumentieren. Zum anderen können Nutzer ihre Erlebnisse selbst melden. In diesem Fall gilt, so Borchardt, das Ereignis müsse nachprüfbar sein.

Faktencheck wichtig für Glaubwürdigkeit

„Deshalb ist die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme wichtig“, sagt er. Sollte der Faktencheck nicht klappen, wird die Meldung als sogenannter Verdachtsfall zurückgestellt. „Man muss genau arbeiten“, betont Borchardt. Der Grund: Die Glaubwürdigkeit der Beratungsstellen gegen Rechts werde immer wieder infrage gestellt – nicht nur in Bremen, sondern bundesweit. Diese Erfahrungen machten die Soliport-Mitarbeiter immer wieder selbst, erklärt Berater Borchardt.

Die zweite Möglichkeit zur Dokumentation von Übergriffen gibt aus der Beratung der Fachleute heraus. Das funktioniert so: Betroffene treffen sich mit den Soliport-Mitarbeitern und erzählen ihre Geschichte. Anschließend überlegen Betroffener und Berater, die weiteren Schritte. Erstatten die oder der Betroffene Anzeige? Oder wird der Fall zu den Soliport-Fallakten genommen? Die Veröffentlichung dessen auf „keine Randnotiz“ sei optional, erklärt Borchardt.

Licht ins Dunkel bringen

Als viel wichtiger sehen er und seine Kollegen an, dass die Menschen, die von rechten Übergriffen betroffen sind, stabilisiert werden. „Derartige Bedrohungen haben große Auswirkungen auf den Alltag“, sagt Borchardt. Und es gibt seiner Erfahrung nach eine hohe Dunkelziffer, die beispielsweise die Statistiken der Polizei gar nicht abbilden. Die Dunkelziffer zu erhellen ist denn auch eines der erklärten Ziel von „keine Randnotiz“.

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