Coronakrise

Rechtsextreme nutzen Nachbarschaftshilfe für Propaganda

Carl-Friedrich Höck07. Mai 2020
Vor einer Tür abgestellte Einkaufstüte: Viele Menschen engagieren sich während der Coronakrise in der Nachbarschaftshilfe. Rechtsextreme wollen auf den Zug aufspringen.
Solidarität ist in der Coronakrise besonders wichtig. Viele Menschen helfen ihren Nachbarn, kaufen für sie ein oder passen auf die Kinder auf. Rechtsextreme nutzen die Situation, um sich als Kümmerer zu inszenieren.

Auf der Internetseite der Amadeu-Antonio-Stiftung warnt ein Textbanner: „Rechtsextreme wollen spalten – Nachbarschaften halten zusammen!“ Hintergrund ist die Not vieler Menschen in der Coronakrise. Manche sind in Quarantäne oder können das Haus nicht verlassen, da sie zu einer Risikogruppe gehören. Andere benötigen eine Betreuung für ihr Kind, um trotz geschlossener Schulen und Kitas weiter ihrer Arbeit nachgehen zu können. Hilfe kommt oft von Nachbar*innen, die eine Betreuung anbieten oder den Einkauf übernehmen.

„Religion oder Herkunft der Nachbarn sollte egal sein”

Solche Nachbarschaftsinitiativen seien eine großartige Unterstützung, schreibt die Antonio-Stiftung. „Dabei sollte es egal sein, welcher Religion die Nachbarin angehört oder wo die Familie von gegenüber herkommt.“ Doch Rechtsextreme rund um die NPD, den dritten Weg und das 1%-Bündnis würden sich durch ihre vermeintliche „Corona-Hilfe für Deutsche“ als Kümmerer inszenieren und Nachbarschaften spalten.

Ähnliche Ansätze verfolgten die Nazis bereits in den 1990er und frühen 2000er Jahren. Mit Hausaufgabenhilfe, Jugendarbeit, Bürgerberatung oder Obdachlosenhilfe „nur für Deutsche“ versuchten sie, einen guten Draht zu den Bürger*innen außerhalb der eigenen Szene aufzubauen. Vor allem dort, wo die Zivilgesellschaft schwach ausgeprägt war, funktionierte das auch. Dort genießen rechte Gruppierungen und Parteien eine vergleichsweise hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.

Rechte Projekte in verschiedenen Bundesländern

Wie das Portal „Blick nach rechts“ bereits im März berichtete, praktiziert etwa die NPD-Nachwuchsorganisation „Junge Nationalisten“ Nachbarschaftshilfe in Berlin-Pankow. Die Idee dazu stammt von einem NPD-Politiker aus dem sächsischen Döbeln. Die Neonazi-Partei „Die Rechte“ bietet in Dortmund einen Einkaufs-Lieferdienst für Ältere an.

Auch im bayerischen Bamberg gibt es eine rechtsextreme „Nachbarschaftshilfe“. Davon berichtet der Journalist Sebastian Martin gegenüber den Medienportal „drehscheibe.org“. Ohnehin würden sich in Bamberg und Umgebung viele Menschen in Nachbarschaftshilfen organisieren. „Dann bekamen wir auf verschiedenen Kanälen mit, dass es auch Gruppierungen gibt, die diese Hilfswelle für ihre Zwecke missbrauchen wollten. In diesem Fall für rechtsextreme Propaganda des sogenannten Dritten Wegs.“ Die werbe auch auf ihrer Internetseite für das vermeintliche Hilfsangebot. Seinen Leser*innen rät Martin, auch in der Corona-Zeit ihnen unbekannte Angebote kritisch zu hinterfragen. Das betreffe nicht nur rechtsextreme Propagandaversuche, sondern auch andere mögliche Betrügereien. Also zum Beispiel Kriminelle, die mit dem „Enkel-Trick“ und ähnlichen Maschen versuchen, ältere Menschen um ihr Geld zu bringen.

Solidarität ohne Nazis

Die Amadeu-Antonio-Stiftung rät: „Übernehmt Verantwortung für Mitmenschen in eurer Umgebung und seid füreinander da. (…) Wenn in eurer Nachbarschaft Rechtsextreme unterwegs sind: Macht ihnen klar, dass sie bei euch nichts zu suchen haben.“ Außerdem verweist die Stiftung auf mehrere seriöse Links, unter denen Hilfsangebote koordiniert werden. Darunter die Website „Zusammen gegen Corona“ des Bundesgesundheitsministeriums oder das Nachbarschaftsportal „nebenan.de“.

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