Abstimmung im Bundesrat

Reform der Kinder- und Jugendhilfe vor finaler Entscheidung

Carl-Friedrich Höck06. Mai 2021
Aufnahme aus der letzten Bundesratssitzung am 22. April 2021: Die Länderkammer entscheidet am Freitag über die Reform der Kinder- und Jugendhilfe
Am Freitag stimmt der Bundesrat über eines der wichtigsten Projekte von Familienministerin Giffey ab: Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz. Die Kommunen befürworten die Reform der Jugendhilfe, befürchten aber steigende Kosten.

Der Bundestag hat bereits zugestimmt, nun fehlt noch das Votum der Länder: Am Freitag befasst sich der Bundesrat mit der Reform der Kinder- und Jugendhilfe. Das Gesetz soll Minderjährige, die in Heimen oder Pflegefamilien leben, besser schützen. Zum Beispiel sollen die Anforderungen erhöht werden, die Kinderheime und andere Einrichtungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis erfüllen müssen. Die Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und anderen Akteur*innen im Kinderschutz soll ausgebaut und verbessert werden. Ziel ist es auch, die Teilhabe der jungen Menschen am gesellschaftlichen Leben zu verbessern.

Jugendliche können mehr Geld behalten

Junge Menschen mit eigenem Einkommen sollen davon künftig weniger an die Pflegefamilie oder Einrichtung abgeben müssen. Bisher gilt: Wer Geld mit einem Schülerjob, Praktikum oder einer Ausbildung verdient, muss 75 Prozent davon weitergeben. Künftig sollen nur noch 25 Prozent einbehalten werden. Ein Freibetrag von 150 Euro bleibt bestehen. Einnahmen aus Ferienjobs oder ehrenamtlicher Tätigkeit sind komplett freigestellt.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD): Die Reform der Kinder- und Jugendhilfe gehört zu ihren wichtigsten Projekten.

Kinder und Jugendliche, die Hilfe benötigen, sollen sie leichter finden. Deshalb werden in den Bundesländern unabhängige Ombudsstellen eingerichtet. Auch sollen Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien mehr Möglichkeiten erhalten, sich über Missstände zu beschweren.

In einem weiteren Schritt soll das Gesetz auch die Inklusion stärken. Staatliche Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen werden in der Kinder- und Jugendhilfe – also im Sozialgesetzbuch VIII – gebündelt. Dahinter steht der Gedanke, dass Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung grundsätzlich gemeinsam betreut werden. Ab 2024 sollen beim Jugendamt sogenannte Verfahrenslotsen etabliert werden, die als Ansprechpartner*innen für Eltern und andere Erziehungsberechtigte dienen.

Es geht noch ums Geld

Noch vor zwei Wochen hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey angedeutet, dass die Zustimmung der Länder keinesfalls sicher ist. „Wie immer geht es noch um die Geldfrage“, sagte sie bei einem Termin mit Vertreter*innen der Jugendämter. Zugleich betonte sie die Bedeutung der Reform: Es gehe um Hilfen für 1,1 Milliarden Kinder und Jugendliche. Dem Gesetzentwurf sei ein beispielloser Beteiligungsprozess vorausgegangen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) sieht die Geldfrage weiterhin als ungelöst an. Die Kommunen sind von dem Vorhaben unmittelbar betroffen – als Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sowie von Einrichtungen. Auf Nachfrage teilt der DStGB per E-Mail mit: Der Gesetzentwurf gehe davon aus, dass den Ländern und Kommunen für Personal, Sach- und Gemeinkosten ein Mehraufwand von 113,8 Millionen Euro jährlich entsteht. Tatsächlich würden aber auf die Kommunen mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr zukommen. „Dies ist lediglich eine sehr vorsichtige Schätzung, die zudem die 3. Stufe der Inklusiven Lösung noch nicht mitberücksichtigt“.

Länder müssen Aufgaben an Kommunen übertragen – und zahlen

Der Verband empfiehlt den betroffenen Kommunen, notfalls auf Landesebene gerichtlich durchzusetzen, dass das Konnexitätsprinzip eingehalten wird. Es besagt im Kern: Wenn die Bundesländer ihren Kommunen zusätzliche Aufgaben übertragen, müssen sie auch für die entstehenden Kosten aufkommen. Für die ersten Schritte der „Inklusiven Lösung“ wünschen sich die Städte und Gemeinden einen Fonds von Bund und Ländern. Dazu schreibt der Verband: „Neben der Ausgestaltung der räumlichen Angebote der Jugendhilfe im Regelbereich Kita, Jugendfreizeiteinrichtungen oder Beratungsstellen sind auch die stationären Einrichtungen wie die Inobhutnahme oder Pflegestellen umzubauen und multiprofessionell aufzustellen. Dies wird weitere Investitionskosten auf kommunaler Seite binden.“

Grundsätzlich begrüßen die Kommunen das Gesetz jedoch, weil auch sie Reformbedarf sehen. Als das Vorhaben im Bundestag debattiert wurde, schrieben die kommunalen Spitzenverbände in einer Stellungnahme: „Der Gesetzentwurf enthält eine ganze Reihe von guten Ideen für eine Modernisierung und Weiterentwicklung des Rechts der Kinder- und Jugendhilfe.“

 

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