Rettungsdienste

Wie Rettungskräfte sich behaupten können

Uwe Roth18. Dezember 2018
Schutzhaltung gegen einen Aggressor einnehmen – Übungen für den Ernstfall.
In speziellen Kursen lernen Rettungskräfte oder Mitarbeiter öffentlicher Verwaltungen Selbstbehauptungs- und Deeskalationsstrategien.

Selbstbehauptung geht vor Selbstverteidigung. So beschreibt Marc Louia den Aufbau seiner Kurse, die er im schwäbischen Pfullingen (Landkreis Reutlingen) unter anderem Rettungskräften und Mitarbeitern öffentlicher Verwaltungen anbietet. Der 51-Jährige ist Mitglied im Verein „Selbstbewusst & Stark“ des Bundesverbands Gewaltprävention. Seit sich Meldungen häufen, dass Rettungskräfte während ihrer Einsätze körperlich bedroht werden, wächst auch in seiner Schule die Zahl der Anmeldungen aus Rettungsorganisationen.

Gewalt nicht mit Gewalt begegnen

Louia macht deutlich, dass die Lösung nicht darin bestehen könne, in erster Linie die Selbstverteidigungskräfte zu trainieren, also Gewalt mit Gewalt zu begegnen. „Bei uns geht es vor allem um die Selbstbehauptung und Deeskalation, also um alles was passiert, bevor es im schlimmsten Fall zu einem Übergriff kommt“, sagt Louia.

Prävention beginnt bei ihm im Kopf: Wie bereite ich mich auf der Anfahrt vor? Wie trete ich am Einsatzort auf? Wie erkenne ich Gefahren im Vorfeld? Wie gehe ich mit Störern um? Wie sichern wir uns gegenseitig ab? „Uns kommt es vor allem darauf an, dass die Teilnehmer lernen, dass man durch bestimmte Verhaltensweisen gefährliche Situationen oft bereits im Ansatz verhindern kann.“ Grundsatz stimme, betont er nachdrücklich: Eine gute Selbstbehauptung erspart in den meisten Fällen die Selbstverteidigung.

Wichtige Übung: selbstbewusstes Auftreten

Eine wichtige Übung in seinem Kurs ist, ein selbstbewusstes Auftreten am Einsatzort zu trainieren. Er demonstriert, wie man blitzartig in eine Schutzhaltung in Bedrohungslagen kommt. Im Einsatz konzentriert zu arbeiten und gleichzeitig den Eigenschutz nicht zu vernachlässigen, sei ebenso eine Sache des Trainings. Zum Beispiel werde gezeigt, wie man eine Person bestmöglich zum Rettungsfahrzeug bringt oder wie Sanitäter auf bedrohliche Situationen im Fahrzeug während des Transportes reagieren können.

Von Selbstverteidigung spricht der Lehrer, wenn es darauf ankomme, eine gute Schutzhaltung bei Bedrohung einzunehmen und aus dieser sinnvoll zu handeln. Doch auch dabei sei Selbstbehauptung wichtig, weil es immer einen Plan im Kopf geben müsse. „In Konfliktsituationen entscheidet nämlich zu 80 Prozent der Kopf, wer als Sieger oder Verlierer vom Platz geht. Eine gute Technik macht lediglich 20 Prozent aus“, ist seine Erfahrung. Wer sich wirklich verteidigen wolle, der müsse in der Lage sein, seinem Gegenüber klar zu machen, dass er nicht das Opfer sei, für das ihn der Angreifer halte. „Körperliche Fitness ist immer ein Pluspunkt, aber in unserem Konzept nicht entscheidend.“

Mentale Vorbereitung

Eine mentale Vorbereitung, die hilft, Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen, in Kombination mit einem selbstbewussten Auftreten, sei für die Prävention von großer Wichtigkeit. Körperhaltung, Blick, Stimme, Gestik oder Mimik verrieten dabei viel über die Absichten des Gegenübers. Das körpereigene Gefahrenradar, wie er es nennt, könne geschult werden. Es erfasse, wer sich im eigenen Umfeld bewege und drohende Gefahren. Wichtig sei eine angemessene Kommunikation – beispielsweise mit einem Gegenüber, der offensichtlich unter Einfluss von Rauschmitteln steht. Erst ganz zum Schluss stehe „eine verhältnismäßige Selbstverteidigung“.