ÖPNV-Modellstädte

Reutlingen: Kommunalen Nahverkehr sinnvoll ausbauen

Julian Krischan17. September 2019
„Ich bin der Neue im Viertel“: Mit circa 100 neuen Haltestellen bringen Kleinbusse auf Quartiersbuslinien den ÖPNV in Wohngebiete und Hanglagen.
In Reutlingen wird der öffentliche Nahverkehr ausgebaut. Ein 365-Euro-Jahresticket ist dabei nur eine Maßnahme unter anderen: Seit dem 9. September freuen sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt über ein neues, deutlich erweitertes Stadtbusnetz.

Der 9. September war in Reutlingen ein großer Tag. Pünktlich zu Beginn des neuen Schuljahrs wurde ein neues Stadtbusnetz aus der Taufe gehoben. Die Bürgerinnen und Bürger freuen sich seitdem über sechs statt vier Millionen Fahrplankilometer, 100 neue Haltestellen im gesamten Stadtgebiet und direkte Verbindungen ohne Umsteigen. Kleinbusse erschließen Wohngebiete in Hanglagen, eine neue zentrale ÖPNV-Trasse erschließt die Innenstadt besser. Ebenso informiert eine neue Mobilitätszentrale über die Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs.

Die Initialzündung für dieses Angebot geht auf den Bund zurück. Neben vier anderen Städten ist Reutlingen eine ÖPNV-Modellstadt und wird aktuell im Rahmen des Sofortprogramms für Saubere Luft mit rund 14,5 Millionen Euro unterstützt.

Allen Grund zu feiern: Oberbürgermeister Thomas Keck und Steffen Bilger MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, bei der Eröffnung des neuen Reutlinger Stadtbusnetzes. Foto: Krischan

365-Euro-Jahresticket erzielt große Wirkung

„Es war ein wahrer Kraftakt, um alles bis heute so hinzubekommen. Allein der Umbau der Gartenstraße zum Herzstück des Reutlinger ÖPNV in nur sechs Monaten war eine gewaltige Leistung“, berichtet Thomas Keck (SPD), Oberbürgermeister von Reutlingen. Um diese Herausforderung zu meistern, musste dezernats- und ämterübergreifend, wie auch interkommunal zusammengearbeitet werden – einige Linien des Reutlinger Stadtverkehrs (RSV) führen in benachbarte Kommunen.

„Ohne eine gehörige Portion Weitblick und Mut wäre es sicherlich schwierig gewesen, diese weitreichenden Beschlüsse zu fassen“, so Keck weiter. Für Aufmerksamkeit sorgt ein 365-Euro-Jahresticket, das seit Beginn dieses Jahres in der Tarifzone Reutlingen angeboten wird.

Große Nachfrage nach 365-Euro-Ticket

Wie aktuelle Zahlen des Verkehrsverbunds Neckar-Alb-Donau (naldo) zeigen, erzielt dieses 365-Euro-Jahresticket eine große Wirkung: Seit Jahresanfang ist die Abonnentenzahl für das Reutlinger Tarifgebiet von ca. 1.000 auf ca. 3.000 angestiegen – das entspricht einer Steigerung um ca. 200 Prozent. Zu berücksichtigen ist, dass im Rahmen dieser Steigerung Wechsler vom übertragbaren, teureren Abo zu Buche schlagen. „An die 1.000 der neuen Abonnenten sind aber Neukunden, die bislang keine Jahreskarte für den ÖPNV hatten“, bilanziert Dieter Pfeffer, Geschäftsführer von naldo.

Die Fahrgastzuwächse durch das neue 365-Euro-Jahresticket werden sicherlich anhalten, zumal der städtische ÖPNV in Reutlingen durch das neue Stadtbusnetz einen deutlichen Schub bekommt. Die Ausweitung des Angebots und der Kapazitäten ist notwendig, um die Fahrgastzuwächse bewältigen zu können.

Keck: „Ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen“

Gerade dieser Umstand wird zu berücksichtigen sein, wenn im „Klimakabinett“ der Bundesminister über Maßnahmen zum Erreichen von Klimaschutzzielen und zur Vorbereitung eines Klimaschutzgesetzes gesprochen wird. Der aus Reihen der SPD-Bundestagesfraktion vor allem durch Sören Bartol vorangetriebene Vorschlag, Kommunen bei der Einführung von 365-Euro-Jahrestickets zu unterstützen, dürfte daher im Kontext weiterer Maßnahmen im Rahmen eines 30-seitigen Strategiepapiers zu diskutieren sein. In vielen Ballungszentren sind Verkehrsmittel jetzt schon überlastet, sodass kaum neue Fahrgäste dazustoßen können. Hier wird zunächst die Infrastruktur auszubauen sein – meist vor der Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets.

Das sieht auch der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck so: „Preiswerte Tickets wie das 365-Euro-Ticket sind ein wichtiges schlagkräftiges Argument für den öffentlichen Nahverkehr und deswegen in jedem Fall richtig. Ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen!“ In Reutlingen war die wachsende Stadt und Wirtschaftszentrum am Rand der Schwäbischen Alb ihrem bisherigen Stadtbusnetz „entwachsen“. Nun freuen sich viele Fahrgäste über das neue Angebot.