US-Truppenabzug

Wie Rheinland-Pfalz Konversion zur Chefsache macht

Karin Billanitsch24. August 2020
Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, sagt die Unterstützung des Landes im Fall eines Truppenabzugs zu.
Pläne der US-Regierung zum Abzug von US-Truppen aus Deutschland betreffen möglicherweise Sprangdahlem in Rheinland-Pfalz. Ministerpräsidentin Dreyer sicherte unmittelbar Unterstützung zu. Das Land hat lange Erfahrung mit erfolgreicher Konversion.

Die Nachricht aus den USA erhitzte vor wenigen Wochen die Gemüter im politischen Berlin: Fast 12.000 amerikanische Soldaten sollen Deutschland verlassen. Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump rief viel Kritik hervor: Fünf von sechs Fraktionen im Bundestag sind nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitus YouGov dagegen, lediglich die Linke spricht sich dafür aus, dass alle US-Truppen das Land verlassen sollen. SPD-Anhänger befürworteten demnach einen Abzug mit 42 zu 40 Prozent. 47 Prozent Bevölkerung ist dafür, dass die Truppenstärke von derzeit 36.000 Soldaten verringert wird.

Noch ist sind diese Pläne der US-Regierung nicht beschlossen, eine Entscheidung des Kongresses steht noch aus. Doch in den möglicherweise betroffenen Kommunen – zumeist strukturschwache Regionen – sorgt man sich um die Zukunft. Betroffen sind Rheinland-Pfalz, aber auch Baden-Württemberg. In Rheinland-Pfalz geht es um den Stützpunkt in Spangdahlem, von dort soll ein Geschwader von Kampfjets samt Besatzung, Mechanikern und Unterstützungskräften nach Italien verlegt werden.

In Sprangdahlem arbeiten rund 4000 Militärs, die mit ihren Familien dort leben. Wie viele genau bei dem Teilabzug nach Italien gehen werden, ist nicht bekannt. Manfred Rodens, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Speicher – zu der Sprangdahlem gehört – spricht gegenüber tagesschau.de von mindestens 2400 Soldatinnen und Soldaten, die – samt ihren Angehörigen – gehen würden. Das ist ein großer Teil der Gemeinschaft – und nicht zuletzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer weiß um die Sorgen vor Ort

Als Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) von den Plänen der US-Regierung hört, versucht sie unmittelbar zu beruhigen und hat den Kommunen und Gemeinden um die US-Air-Base in Sprangdahlem die Unterstützung des Landes zugesagt. Nach einem Treffen mit Kommunalpolitikern aus der Eifelregion in Trier sagte sie im SWR: „Was immer in Sprangdahlem am Ende dann auch passiert – und wir hoffen, es ist reichlich wenig – dass das Land natürlich die Kommunen und Gemeinden entsprechend unterstützen wird mit Maßnahmen, die dann erforderlich sind.“

Keine Panik schüren, das ist das Credo: „Das sind alles Spekulationen“, sagte Gregor Eibes, der Landrat von Bernkastel Wittlich, „wie viele Militärangehörige dann nach Italien abgezogen werden“. Dreyer machte auch deutlich, dass die Landesregierung um den Standort kämpfe. „Wir wissen, dass sehr viele stark abhängig sind von den Beauftragungen der Amerikaner. Es sei im Moment ein gutes Signal, dass keiner der Aufträge, die auch abgewickelt werden durch deutsche Unternehmen, gestoppt sind, sondern dass sie weiter laufen.“

Jahrzehntelange Erfahrung

Das Land Rheinland-Pfalz hat seit Jahrzehnten Erfahrung mit den Folgen von Truppenabzügen. Es begann nach der Wende, als die massive Truppenpräsenz aus Zeiten des Kalten Krieges schlagartig nicht mehr notwendig war. Die Folgen waren zunächst dramatisch und führten regional zu Arbeitslosenquoten bis zu 20 Prozent, heiß es im Konversionsbericht der Landesregierung 25 Jahre nach der Wende. Rund zehn Prozent der Wertschöpfung resultierten noch Anfang der 1990er Jahre in vielen kreisfreien Städten und Landkreisen aus militärischen Ausgaben.

Das Land unterstützte die Kommunen bei den wirtschaftlichen und strukturpolitischen Strukturwandel – mit öffentlichen Fördergeldern aus dem Landeskonversitionsprogramm sowie einem unterstützenden Projektmanagement. Frührere militärische Siedlungen wurden zu familienfreundlichen Wohnungen umgewandelt, auf ehemaligen Militärflächen wurden Hochschulen und Universitäten gebaut. Rheinland-Pfalz war laut dem Konversitionsbericht 2015 im Jahr 1992 das erste Bundesland, welches parallel zur Einführung des Landeskonversionsprogramms ein über enge Ressortgrenzen hinaus reichendes „Management zur Konversionsbewältigung installiert und das sog. Konversionskabinett eingerichtet“ hat. Konversion wurde damit zur Chefsache erklärt. Der Strukturwandel wurde auch gezielt arbeitsmarktpolitisch begleitet: „Die Wiedereingliederung von fast 34.000 Zivilbeschäftigten war ein der größten arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der vergangenen 25 Jahre“ wird Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler zitiert.

Gelungenes Konversitions-Beispiel Bitburg

Ein gelungenes Beispiel für eine Umnutzung ist zum Beispiel das nur eine 20-minütige Autofahrt von Sprangdahlem entfernte amerikanische Militärgelände in Bitburg, Mittelpunkt des Eifelkreises Bitburg-Prüm. Wo früher der Flugplatz war, wurde das Gelände zu einem Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitzentrum entwickelt. Auf dem Gebiet „Alte Kaserne“ befindet sich Behördenstandort der Kreisverwaltung und der Bundesagentur für Arbeit sowie das Jobcenter. Auch verschiedene Firmen mit ihren Büros und Hallen haben sich angesiedelt, es gibt eine Kita, Bildungsinstitutionen und Wohnungen wurden gebaut. Alles unter der Regie eines Zweckverbandes, in dem neben der Stadt Bitburg die Verbandsgemeinde Bitburger Land, die Ortsgemeinden Röhl und Scharfbillig sowie der Eifelkreis Bitburg-Prüm sind.

Die Landesregierung hofft gleichwohl, dass der Standort Sprangdahlem erhalten bleibt. Einer kompletten Schließung würde entgegenstehen, dass die amerikanische Regierung in den vergangenen 15 Jahren nach Angaben der rheinland-pfälzischen Landesregierung 400 Millionen Dollar in die Luftwaffenbasis investiert habe, zuletzt 87 Millionen Dollar. Was in Sprangdahlem passieren wird, wenn schlechte Nachrichten aus den USA kommen, das weiß man derzeit nicht. Ortsbürgermeister Alois Gerten hofft jedenfalls, wie regionale Medien berichten, dass der Standort auch nach einem Teilabzug nicht aufgegeben wird.