Sommerreise des SPD-Politikers

Schäfer-Gümbel: „Der ländliche Raum ist vernachlässigt worden“

Fabian Schweyher06. August 2018
Susanne Schaab und Thorsten Schäfer-Gümbel
Bürgermeisterin Susanne Schaab führt Thorsten Schäfer-Gümbel durch die Altstadt von Schotten.
Bei seiner Sommerreise besucht der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel die Kleinstadt Schotten. Auch auf dem Land ist fehlender Wohnraum ein großes Thema. Schäfer-Gümbel möchte den ländlichen Raum stärken.

Der Anblick des „Alten Posthofs“ hebt sich ab – gegen die Fachwerkhäuser, die die hessische Kleinstadt Schotten zieren. Das Gebäude hat seine besten Tage hinter sich. Seit 40 Jahren steht es leer. Gestrüpp und Grünzeug ziehen sich an Außenwänden hoch. Die Fenster sind zerschlagen oder mit Holzplatten notdürftig abgedeckt.

Hindernis Denkmalschutz

Für Bürgermeisterin Susanne Schaab ist die Ruine Teil eines Problems, das viele hessische Gemeinden haben. Deswegen hat sie den SPD-Landeschef und Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel dorthin geführt. Das Haus könne weder abgerissen noch barrierefrei saniert werden, der Denkmalschutz verhindere dies. Gleichzeitig ließen sich die erhöhten Kosten einer Sanierung mit der niedrigen Miete nicht gegenfinanzieren. „Der Leerstand wird zementiert“, sagt Schaab. Wenige Schritte entfernt kommt eine weitere Ruine zum Vorschein. „Das ist nicht mehr nachvollziehbar“, sagt Schäfer-Gümbel. „Wir brauchen eine Neuausrichtung des Denkmalschutzes.“

Dass sich der 48-jährige SPD-Spitzenkandidat verfallene Häuser ansieht, ist kein Zufall. Die hessische SPD setzt bei dem Wahlkampf für die Landtagswahl am 28. Oktober 2018 auf die Themen Wohnen, Mobilität und Bildung. „Die soziale Frage des nächsten Jahrzehnts ist bezahlbares Wohnen“, sagt Schäfer-Gümbel. Steigende Mietpreise seien nicht nur in Großstädten ein „riesiges Thema“, sondern auch auf dem Land. „Bezahlbaren Wohnraum zu finden, spielt gerade für ältere Menschen eine Rolle.“ Deswegen macht Schäfer-Gümbel auf seiner Sommerreise zum Thema Wohnen Station in der 10.700-Einwohner-Stadt Schotten, rund eine Stunde mit dem Auto von Frankfurt entfernt.

Zuschüsse gefordert

„Das größte Problem ist der Mangel an familiengerechten und barrierefreien Wohnungen“, sagt Bürgermeisterin Schaab. Die Stadt sei in ihrer Entwicklung beschränkt. „Wir leiden unter den Denkmalschutzvorgaben“, so die SPD-Politikerin. Gleichzeitig erschwere der Regionalplan, dass an anderer Stelle gebaut werden dürfe. „Wir müssen belegen, dass wir Bedarf an Entwicklung haben.“ Die Folge: Wer in der Altstadt keine Wohnung finde, ziehe weg. Darunter seien häufig Pendler, die 40 Prozent der Stadtbewohner ausmachen.

„Ich will nicht, dass der Stadtkern leer steht und außerhalb boomen die Neubaugebiete.“ Deswegen fordert die Bürgermeisterin staatliche Zuschüsse. Mit ihnen sollen die zusätzlichen Kosten ausgeglichen werden, die bislang die Sanierung eines denkmalgeschützten Hauses verhindern. Ebenso wünscht sie sich finanzielle Unterstützung bei der Infrastruktur – von der Erneuerung von Dorfgemeinschaftshäusern bis zum Bau von Fußballplätzen. Schließlich litten Dörfer mit einem aktiven Vereinsleben weniger unter Wegzug, so Schaab. In den vergangenen 20 Jahren habe Schotten zehn Prozent seiner Bevölkerung verloren.

Gleiche Lebensverhältnisse

Wenn die SPD die Wahl gewinnt, will Thorsten Schäfer-Gümbel als Ministerpräsident den ländlichen Raum finanziell besser ausstatten. „Wir brauchen einen kommunalen Finanzausgleich, in dem ein Flächenansatz integriert werden muss.“ Um vergleichbare Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sichern, sei Mehraufwand nötig. Außerdem müssten die „Instrumente der Dorfentwicklung und der Städtebauförderung“ kontinuierlicher werden.

„Der ländliche Raum ist vernachlässigt worden“, stellt er fest. Dazu habe die Zentralisierungspolitik der Behörden beigetragen, die sich mit ihren Einrichtungen aus der Fläche zurückgezogen hätten, weswegen „der ländliche Raum geschwächt und weniger attraktiv wurde“. Als Ministerpräsident will Schäfer-Gümbel hier ansetzen: „Unser Ziel ist es, öffentliche Arbeitsplätze zurückzubringen und den ländlichen Raum zu stärken.“

Auch deswegen kritisiert der SPD-Spitzenkandidat die aktuelle Landesregierung. Schwarz-grün habe „sich am Anfang dieser Legislaturperiode darauf verständigt, in den schwierigen Infrastrukturfragen Wohnen, Mobilität und Bildung nichts zu ändern“. Torsten Schäfer-Gümbel gibt sich kämpferisch: „Für mich ist entscheidend, dass sich etwas verändert.“

 

Der Artikel ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

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