Equal Pay

Schlechtere Besoldung: Bürgermeisterin wurde diskriminiert

Christian Rath28. März 2023
Lohnungerechtigkeit zwischen Frauen und Männern gibt es in vielen Branchen. Auch eine Bürgermeisterin kann davon betroffen sein. (Symbolfoto)
Astrid Siemes-Knoblich wurde in Müllheim schlechter besoldet als ihr Vorgänger und ihr Nachfolger, beide Männer. Jetzt bekommt sie die Differenz als Schadenersatz.

Auch in der Kommunalpolitik gibt es Verstöße gegen den Grundsatz von Equal Pay. Astrid Siemes-Knoblich, die Ex-Bürgermeisterin von Müllheim (Südbaden), bekommt 52.216 Euro Schadenersatz, weil sie als Frau bei der Bezahlung vermutlich diskriminiert worden war. Die Stadt Müllheim konnte jedenfalls nicht das Gegenteil beweisen. Zu einem entsprechenden Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg von Anfang März liegt seit diesem Dienstag die Begründung vor.

Niedrigere Besoldungsstufe als Vorgänger

Astrid Siemes-Knoblich war von 2012 bis 2020 Bürgermeisterin in der Kleinstadt Müllheim mit rund 19.000 Einwohnern. 2020 trat die parteilose Unternehmerin nicht erneut an. Heute arbeitet die 58-Jährige als Kommunikationsberaterin.

Siemes-Knoblich wurde vom Müllheimer Gemeinderat 2011 in die Besoldungsstufe B3 eingestuft. Dabei hatte ihr Vorgänger René Lohs zum Schluss seiner Amtszeit B4 erhalten. Als Siemes-Knoblich erfuhr, dass auch der Nachfolger Martin Löffler B4 erhielt, sah sie sich als Frau diskriminiert und verlangte die Differenzsumme als Schadenersatz.

Rechtswidrige Begründung der Stadt

Die Stadt bestritt eine geschlechtsbezogene Diskriminierung. Vielmehr habe der Gemeinderat Siemes-Knoblich niedriger eingestuft, weil man mit dem Vorgänger unzufrieden war und sich die neue Bürgermeisterin erst einmal bewähren sollte. Die Stadt räumte ein, dass diese Überlegungen rechtswidrig waren, denn die Einstufung bezieht sich auf die Bedeutung und Anforderungen des Amtes und nicht auf die Person und schon gar nicht auf Ärger über den Vorgänger. Allerdings hätten die rechtswidrigen Gründe nichts mit dem Geschlecht von Siemes-Knoblich zu tun, so die Stadt.

Vor dem Verwaltungsgericht erhielt Siemes-Knoblich nun dennoch Recht. Und das hat mit den Besonderheiten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu tun, auf das sie sich berief. Dabei hat der Beklagte die Beweislast, dass keine Diskriminierung vorliegt - allerdings nur, wenn die Klägerin zunächst Indizien präsentieren kann, die für eine Diskriminierung sprechen. Das AGG gilt im Zivilrecht und im Arbeitsrecht. Es verbietet unter anderem eine nicht gerechtfertigte Schlechterbehandlung wegen des Geschlechts.

Eindeutige Indizien

Im konkreten Fall sah das Verwaltungsgericht in der Besserbezahlung der männlichen Vorgänger und Nachfolger eindeutige Indizien für eine Diskriminierung. Eventuell hätte schon die Schlechterbehandlung gegenüber dem Vorgänger genügt.

Diese Vermutung habe die Stadt nicht widerlegen können, so das Verwaltungsgericht. Die Einstufung von Siemes-Knoblich in Besoldungsstufe B3 erfolgte 2011 ohne jede offizielle Begründung. Spätere Äußerungen einzelner Gemeinderäte und des Hauptamtleiters zum Ärger über den Vorgänger und die notwendige Bewährung der neuen Bürgermeister seien dem Gemeinderat als Gremium nicht zuzurechnen und daher kein ausreichender Gegenbeweis.

Die Stadt kann gegen das Urteil noch Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Mannheim einlegen.

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