E-Mobilität

Schub bei der Ladetechnik

Uwe Roth14. Oktober 2022
In einigen Wohngebieten können in Berlin seit dem Sommer E-Fahrzeuge an der Straßenlaterne aufgeladen werden.
Laternen als Stromquelle, deutlich kürzere Ladezeiten: Der Aufbau der Infrastruktur für E-Autos macht Fortschritte. Dennoch mahnt die Autoindustrie mehr Tempo an.

In Berlin haben 200 Straßenlaternen seit wenigen Wochen eine Steckdose. Darüber hängt ein graues Kästchen, das aus der Ferne an ein Vogelhäuschen erinnert. Autofahrer können dort ihre E-Fahrzeuge mit Ökostrom laden, verspricht das Unternehmen ­Ubitricity, eine 100-prozentige Shell-Tochter. ­Vorhandene Straßenlaternen zu einer E-Ladestation aufzurüsten, sei überall in Deutschland möglich, teilt die Pressestelle mit. Stadtbewohnerinnen und -bewohnern ­ohne privaten Stellplatz werde auf diese Weise ein „alltagstauglicher Zugang zur Elektro­mobilität am Wohnort“ geboten. Die ungewöhnliche Ladestation mit einer ­gewöhnlichen Typ-2-Steckverbindung hat eine Leistung von 3,7 Kilowatt.

Kommunen mit Stadtwerk sind im Vorteil

Ziel ist nach Mitteilung der Berliner Senatsverwaltung die Errichtung von bis zu 1.000 Laternenladepunkten in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf, Steglitz-Zehlendorf sowie in weiteren Bezirken. Dabei solle geprüft werden, „ob die Nutzung der vorhandenen Straßenlaternen-Infrastruktur, trotz vergleichsweise geringer Ladeleistung, zur flächendeckenden Versorgung mit Ladepunkten für Elektroautos im öffentlichen Raum, etwa zum Laden in Wohnortnähe, geeignet ist“. Die kommunale Stromnetz Berlin GmbH wird in der Versuchsphase besonders darauf achten, dass nicht ihr Netz zusammenbricht, wenn zu viele Fahrzeuge gleichzeitig an den Steckdosen der Straßenlaternen hängen.

Letztlich wären Straßenlaternen zum Aufbau eines dichten Ladenetzes speziell in Wohngebieten eine simple Lösung. Denn für einen üblichen, im Boden installierten Ladepunkt muss die Grundstückfrage geklärt werden. Und die Kosten sind entsprechend hoch. Kommunen mit einem Stadtwerk haben den Vorteil, dass dieses den öffentlichen und privaten Ausbau in die Hand nimmt. Die KfW ­wiederum fördert die Anschaffung von Ladepunkten vor kommunalen Gebäuden.

Viele Kommunen ohne Ladesäule

Der Verband der Deutschen Automobil­industrie (VDA) hat jüngst beklagt, dass jede zweite Kommune keine Ladesäule habe. „Die Lücke zwischen Ladeinfrastruktur und E-Auto-Bestand ist weiter gewachsen“, hat der Verband anhand von Daten der Bundesnetzagentur beobachtet. Die Energieversorger sehen die Schuld für den nach VDA-Sicht schleppenden Netzausbau keinesfalls bei sich. Sie betrachten sich untereinander im Wettbewerb, der funktioniere. „Alle ­Anbieter von Ladeinfra­struktur verfolgen ihre eigene Strategie beim Ausbau ihrer Lade­infrastruktur. So verdichtet sich das Angebot und erweitert die Auswahl für die Autofahrerinnen und -fahrer immer weiter“, teilt ein Sprecher der Energie Baden-Württemberg (EnBW) mit. „Wie kaum ein anderes Unternehmen investiert sie in den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur“, sagt der Sprecher. EnBW betreibt mit mehr als 700 Schnellladestandorten das nach seiner Aussage größte Schnellladenetz Deutschlands. Die Zielvorgabe: „Bis 2025 werden es 2.500 Standorte sein.“ Zum Vergleich: Das sind mehr Standorte, als die größten Mineralölkonzerne in Deutschland jeweils Tankstellen betreiben.

Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur sei das Schnellladen der Schlüssel, sagt der EnBW-Sprecher. Dabei sei der technische Fortschritt entscheidend. Früher galt als Faustregel, dass man für zehn Fahrzeuge einen öffentlichen Ladepunkt braucht. Heute gebe es sehr viel leistungs­fähigere Hochgeschwindigkeits-Ladesäulen mit Gleichstromtechnik.

Das Laden geht schneller als früher

Genauso hätten sich die Ladeleistungen der Fahrzeuge „deutlich verbessert“. So könne in fünf Minuten Strom für bis zu 100 Kilometer Fahrstrecke geladen werden. Durch diese technologische Weiterentwicklung liege die Zielgröße inzwischen bei einem Ladepunkt für 100 ­Autos, denn das Laden geht ungefähr zehnmal so schnell wie früher. In Deutschland kommen nach EnBW-Angaben auf einen öffentlichen Ladepunkt 85 E-Autos. „Das ist also in der richtigen Größenordnung.”

Dass der Ausbau „an mancher ­Stelle“ schneller gehen könnte, habe unterschiedliche Gründe. So sei der Materialengpass im Baugewerbe angekommen. Auch die Lieferzeiten der Baumaterialien für eine Ladesäule hätten sich erhöht. Der Energieversorger beklagt aber auch: „An einigen Standorten wäre eine Beschleunigung und Vereinfachung der Baugenehmigungsprozesse zu begrüßen.“

Um die E-Mobilität voranzubringen, fokussieren sich die Versorger auf den Ausbau der öffentlichen Schnelllade­infrastruktur – beim Handel, im urbanen Raum und entlang von Fernverbindungen. Die Ladesäulen sollen dort stehen, wo sich das Laden optimal in den Alltag der Autofahrenden einfügt. Das ist besonders auf Parkplätzen von Einkaufszentren oder großen Einzelhandelsgeschäften der Fall. So lohne sich auch eine Schnellladeinfrastruktur an zentralen Einkaufsorten im ländlichen Raum, heißt es von der EnBW.

Dieser Artikel stammt aus dem „vorwärts-kommunal”, den Extra-Seiten für sozialdemokratische Kommunalpolitik im vorwärts.

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