Studie zu steigenden Schülerzahlen

Warum in Schulen investiert werden muss

Karin Billanitsch12. Juli 2017
Die Zeiten sinkender Schüler-Zahlen sind nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung vorbei.
Nach jahrelangem Rückgang kündigt sich eine Trendwende an: die Schülerzahlen werden nach einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung wohl stark ansteigen. Bundesländer und Schulträger müssen sich entsprechend vorbereiten, um Engpässe an Lehrern und Gebäuden zu verhindern.

Im März dieses Jahres verkündete das Statistische Bundesamt erstmals seit dem Jahr 2000 einen Anstieg der Schülerzahlen, immerhin ein Plus von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Das  ist der verhaltene Beginn eines Trends, der enorm an Fahrt gewinnen wird“, sagt dazu die Bertelsmann Stiftung in einer neuen Studie. 8,3 Millionen Schüler werden nach der neuen Prognose voraussichtlich im Jahr 2025 in Deutschland zur Schule gehen. Damit erweist sich insbesondere die offizielle Prognose als deutlich zu niedrig: Die Kultusministerkonferenz (KMK) geht bisher für 2025 nur von 7,2 Millionen Schülern aus. Die Bertelsmann-Stiftung malt in der Studie „Demografische Rendite adé“  auch die Folgen aus: „Es kommen erhebliche Investitionen auf die Bundesländer zu, weil zehntausende Lehrer und Klassenräume fehlen.“

Helmut Dedy: „Ein positives Signal für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy nennt mit Blick auf die Studie höhere Schülerzahlen „zuerst ein positives Signal für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“. Gleichwohl gebe es viel zu tun. „Viele Schulen müssen saniert und baulich für den Ganztag und die Inklusion hergerichtet und digital ausgestattet werden. Allein im Bereich Schulen ist laut KFW-Kommunalpanel ein Investitions- und Sanierungsrückstand von mindestens 34 Milliarden Euro bundesweit abzuarbeiten. Jetzt macht die Studie der Bertelsmann Stiftung deutlich, dass aufgrund von Geburtenanstieg, Flüchtlingszuzug und Zuwanderung noch zusätzliche Schulräume in beachtlicher Anzahl geschaffen werden müssen.“ Allerdings weist Helmut Dedy auch darauf hin, dass die Situation in den Städten ist hierbei durchaus unterschiedlich sei. Viele Städte lägen im Herzen beliebter Zuzugsregionen. Sie kümmerten sich aktiv darum, Schulplätze für alle Kinder anzubieten. Um möglichst kurzfristig und kostensparend neue Schulgebäude zu errichten, müssten Grundstücke gesucht, Baurecht geschaffen, Planungen eingeleitet und Aufträge vergeben werden, betonte der Hauptgeschäftsführer. „Dies geht nicht von heute auf morgen und erfordert eine gute Planung.“

Der Deutsche Städte und Gemeindebund hat auf die Veröffentlichung mit der Forderung nach einem „Bündnis für eine Bildungsoffensive“ reagiert. „Jahrelang hat man vorhergesagt, dass die Schülerzahlen deutlich zurückgehen werden. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Schülerzahlen steigen deutlich, nicht nur durch die Flüchtlinge, sondern auch durch Zuwanderung aus dem EU-Ausland. Auch die Geburtenrate in Deutschland steigt. Darauf müssen wir mit mehr Personal und besser aus gestatteten Schulen reagieren“, so Landsberg. In dem Bündnis für eine Bildungsoffensive sollte konkret geplant werden, wie man in den Regionen auch kurzfristig die Situation verbessern kann.  „Das wird nicht ohne zusätzliche Mittel gehen, denn auch in der Bildung gilt der Grundsatz: Ohne mehr Moos nichts los. Hier sind Bund und Länder gefordert. Die Finanzausstattung der Kommunen muss verbessert werden, damit sie ihre Funktion als Schulträger wirkungsvoller ausüben können.“ Im Deutschlandfunk machte Landberg auch auf die erforderliche Modernisierung unter dem Gesichtspunkt der digitalen Bildung aufmerksam. Er sagte weiter, er nehme diese Prognose „sehr ernst“. Eine ganze Million Schüler mehr in sieben Jahren, das sei ein Herkules-Programm.

„Enormer Handlungsdruck“

„Was wir brauchen, ist eine Bildungsoffensive wie in den 70er Jahren“, sagte Jan-Christopher Rämer auf vorwärts.de. Er ist Bildungsstadtrat in Berlin-Neukölln. Viel zu lange sei die Sanierung durch das Bundesland auf Verschleiß gefahren, kritisiert er. Die Autoren der Bertelsmann-Studie kalkulieren für das Jahr 2030 aufgrund des Schüler-Booms mit 4,7 Milliarden Euro höheren jährlichen Bildungsausgaben als heute. Sie appellieren, eine deutliche Trendwende einzuleiten. Steuern Länder und Schulträger nicht um, droht ein dramatischer Engpass an Lehrern und Gebäuden, heißt es. Im Jahr 2025 werden – bei gleichbleibender Schulgröße – fast 2400 Grundschulen mehr nötig sein als heute. Etwas später kommen auf die weiterführenden Schulen ähnliche bauliche Engpässe zu. „Mit diesem Schüler-Boom hat kaum jemand gerechnet. Jetzt besteht enormer Handlungsdruck. Viele Bundesländer müssen komplett umdenken“, warnt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Helmut Dedy fordert: „Es muss auf der Tagesordnung von Bund und Ländern bleiben, die Investitionskraft der Städte zu stärken."

Schulsanierungsprogramm

Auf Bundesebene ist indes auch schon viel passiert – 3,5 Milliarden Euro hat der Bund bereits auf Betreiben der SPD-Fraktion für 2017 bis 2020 zur Verfügung gestellt für die Sanierung und den Umbau von Schulgebäuden sowie ergänzende Infrastrukturmaßnahmen wie Digitalisierung. Dafür hat die SPD eine Lockerung des Kooperationsverbotes durchgesetzt mit dem neuen Bildungsartikel 104c GG.

 

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