Junge Kommunalpolitik

Schulterschluss junger Bürgermeister

Karin Billanitsch27. März 2019
Plakate werden während einer „Fridays for the Future“-Demonstration in Berlin hochgehalten. Die Mehrzahl der Demonstranten sind Schüler und Schülerinnen.
Haben junge Chefs und Chefinnen von Rathäusern einen besonderen Blick auf die kommunale Politik? Hat man die Probleme junger Menschen stärker im Blick? Wie nimmt man als junger, frisch gewählter Bürgermeister die Rolle des Verwaltungsoberhauptes an? Darüber haben sich Bürgermeister unter 40 Jahren in Berlin ausgetauscht.

Michael Salomo war 25 Jahre alt, als er im Jahr 2014 zum Bürgermeister von Haßmersheim gewählt wurde, damals war er damit der jüngste Bürgermeister Deutschlands. Haßmersheim ist eine 5.000-Seelen-Gemeinde im ländlichen Neckar-Odenwald-Kreis in Baden-Württemberg. Seitdem hat der SPD-Politiker einiges bewegt: Er hat einen Gemeindeentwicklungsplan angestoßen, um mehr Wohnraum zu schaffen, die Einkaufssituation zu verbessern und eine Pflegeeinrichtung mit 50 Betten an den Ort zu bringen. Ein großes Neubaugebiet ist in Planung, die Gemeinde wächst.

Gemeinsam mit der Bürgerschaft

Die Bürgerschaft hat er bei der Zukunftsplanung mit ins Boot geholt – was eine große Neuerung war. Wie er sich überhaupt viel Zeit für die Bürger nimmt: Der inzwischen 30-Jährige, der sein Amt hauptamtlich ausübt, hat einmal seine Erfolgsmaxime verraten: „Man muss sich im richtigen Moment Zeit nehmen und zuhören.“

Im Interview mit der DEMO sagte er: „Ich glaube, es ist wichtig, die Probleme, die die heutige Jugend hat, anzugehen. Die „normalen“ Themen, was Infrastruktur angeht – egal ob Stromversorgung, E-Mobilität, Wasserversorgung zum Beispiel – sind sowieso gesetzt. Junge Menschen stellen noch einmal ein anderes Anforderungsprofil an Gemeinden oder Städte.“ Er gehört nun zu den Initiatoren, die ein Netzwerk junger Bürgermeister unter 40 Jahren ins Leben rufen wollen.

Besonderer Blick auf die Kommunalpolitik?

Haben junge Chefs und Chefinnen von Rathäusern einen besonderen Blick auf die kommunale Politik? Wie nimmt man als junger Mensch die Rolle des Verwaltungsoberhauptes an? Wird man in eine bestimmte Ecke gedrängt, aus der man schwer wieder herauskommt? Roland Schäfer (SPD), langjähriger Bürgermeister von Bergkamen und 1. Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), der die Interessen 11.000 kleiner und mittlerer Kommunen vertritt, sagt: „Mit der Aussage ‚ich bin jung‘, kann man die Wahl durchaus zum ersten Mal gewinnen, vor allen wenn man gegen Amtsinhaber antritt, die schon sehr lange da sind.“ So ein Schlagwort wie „Frischer Wind ins Rathaus“ mache sich ganz gut. Für die Wiederwahl reiche das aber sicherlich nicht mehr. „Da muss man ein bisschen mehr bringen“, sagte Schäfer – der selbst bei seiner ersten Wahl 39 Jahre alt war und mittlerweile zum vierten Mal wiedergewählt wurde – auf dem Treffen junger Bürgermeister in Berlin, das vom DStGB-Arbeitskreis „Innovators Club“ mit veranstaltet wurde.

Roland Schäfer (SPD): Kommunikation ist wichtig

Ratschläge will der erfahrene Genosse seinen jüngeren Kollegen nur wenige geben: Aber er hält – ähnlich wie Salomo – Kommunikation für ganz wesentlich. Mit der Bürgerschaft kommunizieren, natürlich nicht nur vor, sondern auch nach der Wahl, ist wichtig. Ebenso bedeutsam ist die Kommunikation mit dem Stadtrat, aber auch mit der Verwaltung. Gerade, wenn man neu komme, sei es wichtig, in der Verwaltung alle Beteiligten mitzunehmen und „Mitstreiter innerhalb der Verwaltung zu finden.“ Und – je nachdem, wie die Mehrheiten sich verteilen – ist das Regieren mit dem Stadtrat einfach oder auch schwieriger. Unabhängig vom Alter gelte: „Man lernt immer etwas Neues, egal wie erfahren und fit man sich fühlt“.

Junge Menschen, aber auch Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund sind nicht nur in den Reihen der Bürgermeister, sondern auch in den Kommunalparlamenten und auch in den Verwaltungen unterrepräsentiert, stellt Kirsten Witte fest. Sie ist Direktorin bei der Bertelsmann Stiftung und dort für das Programm „LebensWerte Kommune“ zuständig. Sie nennt das “ mehr als einen kleinen Schönheitsfehler in der Demokratie.“ Denn das heißt, das die Bürger dort nicht richtig repräsentiert werden, betont Witte. Die Wahlbeteiligung geht peu a peu zurück, was auch an allgemeinem politischen Desinteresse liegen mag. Aber ihrer Ansicht nach auch daran, dass die Bürger sich nicht immer richtig repräsentiert fühlen. Die Demonstrationen, die derzeit bundesweit stattfinden, zeigten, dass politisches Interesse bei jungen Leuten vorhanden sei.

Kirsten Witte: „Gläserne Decke für junge Kommunalpolitiker“

„In so einer Situation sei ein Zusammenschluss junger Bürgermeister eine große Chance, deutlich zu machen, dass es junge Bürgermeister und Bürgermeisterinnen gibt, die eine Vision haben“, meint Witte. Es sei zudem auch spannend zu sehen, wie man voneinander lernen könne, um nicht immer von den Älteren lernen zu müssen. Sie stellt aber auch die These auf, dass es jenseits formaler Qualifikationen „eine gläserne Decke“ gibt, an der nicht nur Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch junge Kommunalpolitiker nicht so leicht vorbeikommen.

Die Bertelsmann Stiftung hat eine Bürgerbefragung zu den anstehenden Kommunalwahlen am 26. Mai in Auftrag gegeben. Im Vorfeld der Wahlen soll mehr Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt werden, denn es droht „neben den Europawahlen unterzugehen“. Es wird dabei auch die Frage gestellt, was sich die Bürger thematisch und personell erhoffen. Die Endergebnisse werden Anfang Mai veröffentlicht, doch Kirsten Witte stellt vorab ein Zwischenergebnis vor: „Es zeigt, dass persönliche Charaktereigenschaften wie Glaubwürdigkeit und Authentizität sehr viel wichtiger sind als Geschlecht, Alter oder regionale Herkunft.“ Später werde auch noch ausgewertet, ob junge Menschen andere Themen setzen und Interessen als Ältere haben, was die Erwartungen an die Kommunalpolitik angeht, sagte Witte. Auch Bürgermeisterbefragungen führt die Bertelsmann-Stiftung im Rahmen des Monitors Nachhaltige Kommune durch – allerdings bislang, ohne die Alterskohorten getrennt auszuwerten. Wittes These ist, dass jüngere Bürgermeister, etwa bei Digitalisierung, Themen setzen, die die ältere Generation nicht setzt.

 

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