Regenwassermanagement

Wie die Schwammstadt die Extreme mildert

Uwe Roth09. Juli 2020
Die Kommunen müssen heute mit Phasen von Starkregen und langer Trockenheit umgehen.
Starkregen, Trockenheit, Rekordhitze – die Idee der „Sponge City“ für gutes kommunales Wassermanagement.

Es ist ein originelles Bild: Kommunen werden zu klimagerechten Schwammstädten. Den Ausdruck Sponge-City haben sich Stadt- und Landschaftsplaner ausgedacht, um die Herausforderungen in Zeiten extremer Wetterlagen auf den Punkt zu bringen. Immer öfter flutet Starkregen die Straßen, Keller und Kläranlagen. Dann folgt eine ungewöhnlich lange Trockenperiode mit Hitzerekorden. Grünanlagen vertrocknen, und die Bewohner leiden unter den Temperaturen.

Eine SchwammStadt mildert die Extreme, weil sie darauf ­vorbereitet ist, überschüssiges Wasser aufzusaugen und zu bunkern. Bleibt der Regen aus, gibt eine Schwammstadt das gespeicherte Wasser nach und nach frei. Grünflächen schaffen das zum Beispiel – nicht nur auf dem Boden, sondern auch auf Dächern und an Fassaden. Jeder bepflanzte Quadratmeter bringt Linderung.

Der neue Umgang mit Wasser

Das Prinzip leuchtet ein. Zumindest in der Theorie. Aber letztlich ist der neue Umgang mit Wasser für Kommunen ­eine große Herausforderung. Bislang muss Trinkwasser für alles herhalten. Der geringste Anteil landet im Menschen. Wasser in Lebensmittelqualität sollte in Zeiten des Klimawandels nicht mehr durchs Klo gespült werden. Mit Brauchwasser die Toilette zu reinigen, darauf ist die Kanalisation nicht vorbereitet.

Der Umbau ist zeitaufwendig und kostspielig. In Folge der Corona-Krise sind den Kommunen die Einnahmen weggebrochen. Sie legen Investitionen auf Eis. In manchen Neubaugebieten sind Investoren zum Einbau einer innovativen Wasserversorgung und Entsorgung oder zum Bau einer Zisterne aufgefordert. Ohne öffentliche Zuschüsse fehlt aber der Anreiz.

Idee der Schwammstadt

Professor Heiko Sieker hat die Idee der Schwammstadt früh aufgegriffen. Der Ingenieur hat sein Büro in Hoppegarten bei Berlin. Er nennt sich und sein Team  „die Regenwasserexperten“. Er sagt, lange hätten die Kommunen gezögert, sich dieses Themas anzunehmen. „Seit zwei bis drei Jahren hat sich das geändert. Wir haben sehr gut zu tun.“ Ein großer Kunde findet sich vor der Haustür: die Bundeshauptstadt. Eine Regenflut 2017 sei der Auslöser gewesen, um aus den Über­legungen heraus, auf „die ­operative Ebene zu kommen“, sagt Sieker. Berlin gründete 2018 als erste deutsche Kommune eine Regenwasseragentur.

Die Leiterin Darla Nickel erläutert die Aufgaben so: Die ­Regenwasseragentur bringt Akteure wie Bezirksverwaltungen, städtische Wohnungsbaugesellschaften, private Investoren und Grundstücks­eigentümer, Planungs- und Ingenieur­büros, Interessenvertreter und Forschung zusammen. Wissen und Erfahrungen werden gebündelt. ­Erprobte Lösungen weitergegeben. „Zudem sensibilisiert die Regenwasseragentur die Berliner für die Notwendigkeit und ­Vorteile einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung und regt durch gezielte Interaktion mit den Akteuren die Maßnahmenumsetzung an“, so Nickel.

Modellstadt Freiham-Nord

Ingenieur Sieker demonstriert am Beispiel einer weiteren SPD-geführten Großstadt, dass der Umbau zur Schwammstadt nicht von heute auf morgen geht. Im Münchner Bezirk Freiham-Nord entsteht eine Modellstadt für mehr als 25.000 Menschen. Er erstellte vor acht Jahren ein „Gutachten zur Versickerung, Verdunstung und Grundwasserneu­bildung“. Regenwasser soll auf dem 190 Hektar großen Gelände verbleiben, weil es nicht natürlich abfließen und zu einem Grundwasserproblem in der Umgebung werden kann. Über Grünflächen entsteht in den kommenden Jahren nach langer Planungszeit ein riesiger Wasserspeicher. Dieser löst nicht nur ein topografisches Problem, sondern ist zugleich eine Antwort auf den Klimawandel.

„In Grunde läuft es inzwischen in die Richtung“, beobachtet Sieker die Bereitschaft in den kommunalen Verwaltungen, den Umgang mit Wasser neu zu ordnen. Aber es brauche den politischen Willen, die Verwaltung voranzubringen. „Manchmal ist es typisches Verwaltungsgehabe, wenn man versucht, mit Verweis auf eine seit langem bestehende technische Regel Neues zu blockieren.“

Energieautarkes Klärwerk in Erlangen

Manchmal hilft politischer Mut. Das weiß Florian Janik, Oberbürgermeister von Erlangen. 2014 ist der SPD-Politiker ins Amt gewählt worden. Klimapolitisch hat er bereits einiges erreicht. Für Aufsehen sorgte der 40-Jährige, als er Steinwüsten als Vorgärten verbot. Entsiegelung ist ein großes Thema. „Nachhaltiges Wasser­management betreiben aber auch unsere Erlanger Stadtwerke“, sagt er. Zwei Drittel des Trinkwassers gewinnt Erlangen in eigenen Anlagen in drei Wasserwerken. „Wir pflegen ausgedehnte Wasserschutzgebiete im Osten und Westen der Stadt. Auch in unserem Klärwerk achten wir auf Nachhaltigkeit: In den zurückliegenden Jahren wurde es umfassend modernisiert und arbeitet mittlerweile als energie­autarkes Klärwerk.“