Sport in den Kommunen

Die Schwimmbadnot im Blick

Karin Billanitsch15. Januar 2020
Über die Situation der Schwimmbäderinfrastruktur informierte sich der Deutsche Bundestag in einer aktuellen Anhörung.
In Deutschland gibt es immer weniger Schwimmbäder, auch die Zahl der sicheren Schwimmer*innen nimmt ab. Was sind die Gründe dafür, wie kann man entgegensteuern? Darum ging es am Mittwoch im Sportausschuss des Bundestages.

Die deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG schlägt Alarm: Immer mehr Menschen, insbesondere Jüngere, könnten nicht schwimmen. DLRG-Präsident Achim Haag warnte davor, dass Deutschland zu einem „Land der Nichtschwimmer“ werden könne: Seit der Jahrtausendwende ist der Bäderbestand in Deutschland um geschätzt 1.400 Bäder – von rund 7.800 im Jahr 2000 auf 6.400 in 2018 – geschrumpft. Diese Zahlen hat der DLRG am Mittwoch den Mitgliedern des Sportausschusses des Deutschen Bundestages in einer aktuellen Anhörung vorgelegt.

Immer mehr Kinder seien nach der Grundschule keine sicheren Schwimmer*innen, sagte Haag. „Wer schwimmen kann, ist gebildet – das ist seit den alten Griechen so – und hat den großen Vorteil, sich selbst retten zu können.“ Genauso wichtig sei die Rettung anderer. Der DLRG-Präsident forderte – wie schon in einer Petition im vergangenen Jahr an den Bundestag – einen „Masterplan“ für Schwimmbäder. Haag plädierte auch für mehr interkommunale Zusammenarbeit sowie eine „interaktive“ Zusammenarbeit von Kommunen, Ländern und Bund.

Neuer „goldener Plan“?

Die Schwimmbadkapazität, beziehungsweise deren Mangel, ist ein wichtiger Punkt während der Anhörung im Bundestag. Zwar ist der Unterhalt von Schwimmbädern Teil der kommunalen Daseinsvorsorge – aber es wurde deutlich, welche Bedeutung der Bund dem Thema beimisst. Der Sportausschuss unter dem Vorsitz von Dagmar Freitag (SPD) denkt über ein neues Förderprogramm nach. Gegenüber dem rbb-Inforadio bestätigte Freitag Gespräche mit dem Innenministerium über dieses Thema.

Hintergrund: Zuletzt hatte Bundesinnen- und Sportminister Horst Seehofer bei der Mitgliederversammlung des DOSB im Dezember ein Modernisierungsprogramm für Schwimmbäder, Sporthallen und Sportplätze in Aussicht gestellt und von einem „neuen Goldenen Plan“ gesprochen. Für den „Goldenen Plan“ von 1960 bis 1992 brachten Bund, Länder und Gemeinden zusammen laut faz.net knapp 40 Milliarden Mark auf. Heute sind mittlerweile viele der in den 60iger, 70iger- und 80iger Jahre gebauten Schwimmbäder in die Jahre gekommen.

Deutscher Schwimm-Verband: „Ortsnähe geht verloren“

Wolfgang Hein vom Deutschen Schwimmverband (DSV) vermisst die Ortsnähe, mit der seine Generation aufgewachsen ist: „Früher konnte man zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu einem Schwimmbad kommen.“ Gerade Freibäder seien am meisten in den vergangenen Jahren geschlossen worden. Ähnlich verhalte es sich mit den Bezirksschwimmbädern mit klassischen 25-Meter-Bahnen, die für den Schul- bzw. Vereinssport wichtig sind. Sie gingen nach und nach verloren, bedauerte Hein. „Es werden zwei oder drei der kleinen Bäder geschlossen, damit ein neues Spaß- oder Erlebnisbad entsteht.“ Dort habe der Schwimmsport „nur ein Randdasein“.

Schwimmen muss gelernt sein. Aus Heins Sicht wäre es sinnvoll, die klassischen Lehrschwimmbecken wieder aufleben zu lassen. Die Unterhaltungskosten, 20.000 - 50.000 Euro pro Jahr, „sollten uns die Schwimmfähigkeit unserer Kinder wert sein". Notwendig seien mehr Trainingsmöglichkeiten für Schüler „nicht erst nach 20 Uhr“.

Städtetag: Kritik am Begriff „Bädersterben“

Dass Sportstätten und Bäder unverzichtbarer Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge sind, betonte Klaus Hebborn vom Deutschen Städtetag. Er räumte ein, dass es in den Städten immer wieder Diskussionen über die Entwicklung, den Betrieb und auch die Schließung von Bädern gebe. Die angespannte Finanzlage in den Kommunen erschwere häufig den Betrieb und die nötigen Investitionen.

Die Datenlage zur Bäderentwicklung bezeichnete Hebborn als schlecht und „eindeutig uneindeutig“. „Wir wissen im Grunde gar nicht, wie viele Bäder wir in Deutschland haben“, so Hebborn. Die genauesten Zahlen liefere noch der Deutsche Bäderatlas, auf den sich auch der DLRG gestützt hatte. Dort werden 6.000 bis 6.500 verzeichnet – es sei aber zweifelhaft, ob das alle Bäder seien. Vergleiche mit früheren Erhebungen seien nicht möglich. „Die Datenbasis muss dringend verbessert werden“, forderte Hebborn.

Der Sport-Experte des Deutschen Städtetags kritisierte insbesondere den „skandalisierenden Begriff des Bädersterbens“. „Weniger Bäder bedeuten nicht unbedingt und notwendig weniger Wasserfläche“. Häufig hätten Kommunen zwei oder drei marode Bäder durch ein großes ersetzt. „Und das sind nicht immer Spaßbäder“ stellte Hebborn fest. Den Investitionsstau bei Bädern schätzt der Deutsche Städtetag auf rund fünf Milliarden Euro. Dass es Handlungsbedarf gibt, da stimmt der Städtetag aber mit den Schwimmverbänden überein: Hebborn forderte ebenfalls ein Infrastrukturprogramm. „Wenn ein 'Goldener Plan' kommt, begrüßen wir das.“

Marc Riemann vom der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS) gab zu bedenken, dass nicht die Zahl der Bäder, sondern die Wasserfläche entscheidend sei: „Manchmal ist es aus Kostensicht sinnvoll, aus drei kleinen Bädern eins zu machen“. Eckhard Drewicke, der Schulsportreferent im Bildungsministerium des Landes Brandenburg, sprach als Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK): „Schulschwimmen muss bei der Verteilung der Hallenkapazitäten prioritär berücksichtigt werden“, forderte Drewicke. Im Land Brandenburg ist das laut Drewicke offenbar gelungen. Arno Schiller, Geschäftsführer der Stuttgarter Schwimmschule 0711gGmbH, plädierte für eine bessere Vernetzung und Koordination der verschiedenen Bäderbetreiber in einer Stadt – nicht nur der städtischen – um „die Ressource Wasserfläche“ besser zu nutzen. Viele Flächen in Bädern seien ungenutzt.

SPD-Fraktion fordert Investitionsoffensive

Detlev Pilger, sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, und die zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion Cansel Kiziltepe haben nach der Anhörung dringend Investitionen angemahnt, um marode Schwimmhallen vor der Schließung zu bewahren. Die SPD-Bundestagsfraktion habe sich für die Programme zur energetischen Gebäude-Sanierung und zur Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur in Höhe von 750 Millionen Euro eingesetzt, deren Mittel unter anderem für die Instandhaltung von Sportstätten verwendet werden könnten. „Daher fordern wir eine umfangreiche Investitionsoffensive für die Sportstätteninfrastruktur in Deutschland, um den enormen Sanierungsbedarf von Sportanlagen und Schwimmhallen abbauen zu können“, so Pilger und Kiziltepe.

In diesem Zusammenhang brachten sie darüber hinaus eine Entschuldung der meist verschuldeten Kommunen ins Gespräch, um diese auch im Bereich der Sportstätten wieder handlungsfähig zu machen. Häufig sei für Kommunen nämlich nicht einmal mehr der Betrieb von Schwimmhallen wirtschaftlich möglich.

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