Corona-Pandemie

So reagieren die Kommunalparlamente auf das Virus

Carl-Friedrich Höck18. März 2020
Münchener Rathaus: Die Coronapandemie schränkt auch die Stadtverordnetenversammlung ein. In Schieflage gerät die Demokratie deshalb aber noch lange nicht.
Wegen der Coronakrise sollen Versammlungen vermieden werden. Das betrifft auch die Stadt- und Gemeinderäte. Nun suchen die Kommunen nach Wegen, um dennoch wichtige Beschlüsse fassen zu können.

Kommunen gelten als Keimzelle der Demokratie. Doch demokratische Beschlüsse zu fassen, ist derzeit gar nicht so einfach. Wegen der Corona-Pandemie sind Versammlungen vielerorts untersagt. Kommunale Vertretungskörperschaften sind zwar, wie etwa in Brandenburg, von den Erlassen teilweise ausgenommen. Dennoch gilt auch hier das Prinzip: Menschenansammlungen sollen auf das Nötigste beschränkt werden. Wir reagieren die Stadträte und Kreistage darauf?

Frankfurt hält an Sitzungstermin fest

In Frankfurt am Main wurden die Sitzungen der Fachausschüsse und Ortsbeiräte abgesagt. Weiterhin tagen werden der Ältestenrat und der Haupt- und Finanzausschuss. Auch die Stadtverordnetenversammlung in der kommenden Woche soll stattfinden. Schließlich muss der Haushaltsplan beschlossen werden, der auch die Zuschüsse für diverse Träger regelt.

Als Reaktion auf das Coronavirus wurden einige Anpassungen vereinbart. Es sollen nur so viele Stadtverordnete an der Sitzung teilnehmen, wie nötig sind, um die Beschlussfähigkeit zu gewährleisten – das sind 47 von 93 Verordneten. Die Fraktionen wollen jeweils so viele Mitglieder entsenden, dass der Proporz gewahrt bleibt, heißt es aus dem Büro der Stadtverordnetenversammlung.

Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, wird die Dauer der Sitzung verkürzt. Die Tagesordnungspunkte werden nicht diskutiert, sondern nur abgestimmt. Die Fragestunde und die Aktuelle Stunde entfallen. Fragen an an die Dezernenten können aber schriftlich beantwortet werden.

In München übernimmt ein „Feriensenat“

Ein ähnlicher Modus wurde in München vereinbart. Die Vollversammlung am Mittwochmorgen fand in der Mindestbesetzung statt, die für die Beschlussfähigkeit nötig ist. Die Sitzung war zwar öffentlich, allerdings appellierte die Stadt an Interessierte, das Rathaus nicht zu besuchen und die Sitzung stattdessen im Livestream zu verfolgen. Der öffentliche Teil der Sitzung dauerte nur 20 Minuten. Hauptsächlich berichtete Oberbürgermeister Dieter Reiter in dieser Zeit, welche Sofortmaßnahmen die Stadt aufgrund der Corona-Pandemie trifft. Redaktionen waren aufgerufen, nur jeweils einen Vertreter oder eine Vertreterin ins Rathaus zu entsenden.

Die Ausschusssitzungen bis zur nächsten Vollversammlung am 29. April wurden in München abgesagt. Lediglich ein sogenannter „Feriensenat“ des Stadtrats soll in den Osterferien stattfinden. Was bedeutet: Der Verwaltungs- und Personalausschuss übernimmt die Aufgaben der Vollversammlung und der Senate (Ausschüsse).

Erfurt bereitet sich auf Schlimmeres vor

Dafür wurde die Geschäftsordnung in München geändert – wie auch einige Tage zuvor schon in Erfurt. In der thüringischen Landeshauptstadt sollen Stadtratssitzungen in Notsituationen nicht mehr monatlich, sondern nur noch einmal im Vierteljahr abgehalten werden. Diese Regelung ist aber noch nicht in Kraft, sondern wurde lediglich in der Geschäftsordnung verankert für den Fall, dass sich die Krise weiter verschärft. „Im Pandemiefall mit großem Ausfall von städtischem Personal sind Ämter wie die Feuerwehr, das Gesundheitsamt oder das Bürgeramt einfach wichtiger, als der Sitzungsdienst, der die Stadtratssitzungen vorbereitet“, wird der Finanzbeigeordnete Steffen Linnert auf der Website der Stadt zitiert.

Vorgeschlagen hat die Notfallregelung Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD). Die Geschäftsordnung sieht nun auch vor, dass in außerordentlichen Situationen statt des Stadtrats und anderer Ausschüsse ausschließlich der Hauptausschuss wichtige Beschlüsse fällt. Ausnahme sind Entscheidungen des Jugendhilfeausschusses. „Wir wollen mit dieser Entscheidung nicht die Demokratie aushebeln. In Krisensituationen müssen wir einfach handlungsfähig bleiben“, sagt Bausewein.

Auch Köln will Besetzung reduzieren

In Köln wurde über den genauen Krisenmodus offenbar noch nicht final entschieden. Die Pressestelle der Stadt teilt lediglich mit: „Um die Handlungsfähigkeit der Stadt zu gewährleisten, werden die Gremien in Abstimmung mit der Verwaltung sicherstellen, dass die notwendigen Entscheidungen trotzdem in rechtssicherer Form getroffen werden können. Dies wäre über Gremiensitzungen möglich, die zum Beispiel mit verkürzter Sitzungsauer und in reduzierter Besetzung in den Ratssaal verlegt werden, oder über Dringlichkeitsentscheidungen.“

Auch mehrere Kreistage habe ihre Sitzungen in den kommenden Wochen abgesagt. Beim Deutschen Landkreistag macht man sich um die Handlungsfähigkeit der demokratischen Institutionen aber noch keine großen Sorgen, wie Sprecher Markus Mempel erklärt. Er verweist darauf, dass die Sitzungen der Kreistage im Durchschnitt um die vier Mal im Jahr stattfinden. Und für Katastrophenfälle gebe es eingespielte Verfahren, bei denen die Landräte als Katastrophenmanager vor Ort agieren. Das habe sich in der Vergangenheit auch bewährt, beispielsweise bei Waldbränden.

 

Nachtrag

Nach der Veröffentlichung dieses Artikels haben uns weitere Rückmeldungen erreicht. Das Büro des Mannheimer Oberbürgermeisters Peter Kurz hat der DEMO mitgeteilt: „Die Sitzungen der beratenden Ausschüsse und der Bezirksbeiräte finden bis auf weiteres nicht statt, bereits eingeladene Sitzungen werden abgesagt. Die Sitzungen der beschließenden Ausschüsse und des Gemeinderates finden statt, allerdings werden Tagesordnungen auf die unbedingt notwendigen Beschlussfassungen reduziert.
Um die Gesamtdauer der Sitzungen zu begrenzen, sollten darüber hinaus, wo möglich, die Dauer der Sachvorträge und Wortbeiträge zeitlich reduziert werden. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um einen ersten Schritt. Es können weitere Maßnahmen auch mit Blick auf Entscheidungen auf Landesebene folgen.“

Der Bürgermeister der Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte schreibt auf Twitter:

Die Pressestelle der Stadt Hannover meldet auf Nachfrage: „Im Prinzip finden in Hannover bis auf weiteres keine öffentlichen Sitzungen der Ratsgremien statt; der Verwaltungsausschuss tagt weiter wöchentlich, wie üblich vertraulich. Im Notfall können Eilentscheidungen des Oberbürgermeisters gefällt werden (§ 89 NKomVG).“

In der kommenden Woche finde jedoch eine Ratssitzung statt. Auf der Tagesordnung stünden Dringliche Drucksachen und nicht verschiebbare Entscheidungen der letzten, abgesagten Ratssitzung. Der Rat tage an einem Ort, der auf Grund der Größe der Räumlichkeiten den notwendigen Sicherheitsabstand zwischen den Mitgliedern gewährleiste. Eine verkleinerte Ratsversammlung sei nach der Niedersächsischen Kommunalverfassung nicht zulässig. „Ein Umlaufverfahren würde unzulässig die Öffentlichkeit ausschließen. Wegen der Coronakrise ist eine Änderung der Wertgrenzen laut Hauptsatzung notwendig. Diese muss mit absoluter Mehrheit aller Ratsmitglieder (nicht nur der anwesenden) beschlossen werden. Über die Dringlichkeit weiterer Ratssitzungen wird nach Bedarf entschieden; die nächste turnusmäßige Sitzung wäre Ende April.“

Das Land Schleswig-Holstein hat bereits am Montag einen Erlass zum kommunalen Sitzungsdienst veröffentlicht. Darin heißt es ausdrücklich: Sitzungen kommunaler Gremien seien von den Allgemeinverfügungen zum Verbot öffentlicher Veranstaltungen nicht betroffen. Dennoch wird die Empfehlung ausgesprochen, Sitzungen nur dann durchzuführen, wenn dies zwingend notwendig ist. Der Erlass stellt auch klar: Es sei rechtlich unbedenklich, wenn die Vierteljahresfrist für Sitzungen von Kreis- oder Gemeinderäten überschritten wird.

Der Erlass stellt ebenfalls klar: Wenn für eine Sitzung ein zwingender Anlass besteht, so ist diese grundsätzlich öffentlich durchzuführen. Videoübertragungen könnten die Öffentlichkeit nicht ersetzen. Abweichend von den normalen Kapazitäten des Sitzungsraumes könne aber der Zugang zahlenmäßig beschränkt werden.

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