Diesel-Einigung

So will die Bundesregierung Fahrverbote vermeiden

Carl-Friedrich Höck02. Oktober 2018
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD)
Hat sich bei Nachrüstungen durchgesetzt: Umweltministerin Svenja Schulze (SPD)
Hardware-Nachrüstungen für Nutzfahrzeuge, Wahlmöglichkeiten für Diesel-Fahrer: Das sind die Ergebnisse des Diesel-Treffens der Koalition. Eine blaue Plakette soll es nicht geben. Die Bundesregierung hat sich auf ein anderes Verfahren verständigt.

Sechs Stunden dauerte das Treffen der Koalitionsspitzen zur Dieselkrise in der Nacht zu Dienstag. Offenbar wurde hart verhandelt. Einige Stunden später sitzen Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einträchtig nebeneinander auf dem Podium der Bundespressekonferenz. Scheuer sagt, er freue sich über die vereinbarte „Flottenerneuerung“ und ergänzt: „Meine Kollegin würde jetzt sagen: Umrüstung.“ Schulze lacht und legt dem Verkehrsminister kurz die Hand auf die Schulter.

Ausweg aus der Diesel-Krise?

Nach den nächtlichen Konflikten ist die Stimmung gelöst. Beide betonen, dass sie Fahrverbote vermeiden wollen. Dort, wo sie nicht mehr zu verhindern sind, sollen die Autofahrer möglichst wenig darunter leiden. „Wir haben ein ganz breites Bündel beschlossen“, zeigt sich Schulze mit den vereinbarten Maßnahmen zufrieden. Sie spricht von einem Ausweg aus der Diesel-Krise, Scheuer von einem „Riesen-Schritt“.

65 Städte halten die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nicht ein. Sie sollen von weiteren Fördermaßnahmen profitieren – zusätzlich zu den bisher beschlossenen Programmen für saubere Luft. Die Bundesregierung will die Kommunen stärker dabei unterstützen, schwere Fahrzeuge wie Müllwagen oder Straßenreinigungsfahrzeuge mit einer Hardware-Nachrüstung auszustatten. Ab 2019 übernimmt der Bund 80 Prozent der Kosten hierfür, bisher waren es maximal 50 Prozent.

Ebenfalls 80 Prozent der Kosten will der Bund übernehmen, wenn in den betroffenen Städten Handwerker- und Lieferfahrzeuge ab einer Größe von 2,8 Tonnen nachgerüstet werden. Die verbleibenden 20 Prozent sollen die Automobilhersteller bezahlen – allerdings gibt es hierzu noch keine Einigung mit der Autoindustrie.

Fahrverbote wohl nicht überall abzuwenden

Mit diesen zusätzlichen Maßnahmen können die meisten Städte ihre Luftverschmutzung bereits so stark verringern, dass Fahrverbote abgewendet werden, glauben Scheuer und Schulze. 14 Städte hat die Regierung allerdings als besonders belastet eingestuft. Dort liegen die gemessenen Stickoxid-Werte bei mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Erlaubt sind 40 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Verkehrsminister Andreas Scheuer
Verkehrsminister Andreas Scheuer

Den Bewohnern dieser stark belasteten Städte sollen nun zwei Angebote gemacht werden. Zum einen sollen sie von einer Umtausch-Aktion profitieren können: Fahrer von Euro 4- oder Euro 5-Dieselfahrzeugen bekommen von den Autoherstellern Prämien oder Rabatte, wenn sie sich ein umweltfreundlicheres Fahrzeug zulegen. Und zwar auch dann, wenn sie sich für einen Gebrauchtwagen entscheiden. „Es ist wichtig, dass auch diejenigen, die nicht so viel Geld haben, eine Möglichkeit bekommen an saubere Fahrzeuge zu kommen“, erklärt Svenja Schulze.

Die zweite Option: Fahrer von Diesel 5-Pkw sollen eine Hardware-Nachrüstung in Anspruch nehmen können. Bedingung ist, dass der Stickoxid-Ausstoß damit auf einen Wert unterhalb von 270 Milligramm pro Kilometer reduziert werden kann. Der Bund will die Autohersteller dazu bringen, die Kosten zu übernehmen. Feste Zusagen gibt es offenbar noch nicht.

Einheitliche Regeln, aber keine blaue Plakette

Beide Angebote sollen auch Dieselfahrer aus Städten nutzen können, in denen Fahrverbote eingeführt werden, selbst wenn diese nicht zu den 14 am meisten belasteten Kommunen gehören. Für mögliche Verkehrsbeschränkungen will der Bund einheitliche Regeln schaffen. Diese werden im Bundes-Immissionsschutzgesetz verankert. Kern der Neuerung ist, dass Fahrbeschränkungen für Autos mit einem Stickoxid-Ausstoß von mehr als 270 Milligramm pro Kubikmeter verhängt werden können.

Eine Blaue Plakette für Diesel-Pkw, wie von den Städten gefordert, will der Bund nicht einführen. Wenn in einer Stadt Fahrverbote verhängt wurden, sollen Polizei und Ordnungsamt stattdessen auf die Daten des Zentralen Fahrzeugregisters zugreifen. So sollen sie von Fall zu Fall überprüfen können, ob das jeweilige Auto die Vorgaben zum Schadstoffausstoß einhält.

Städtetag befürchtet bürokratischen Aufwand

Der Deutsche Städtetag reagiert mit Skepsis. „Hier stellt sich zum Beispiel die Frage nach dem bürokratischen Aufwand“, meint Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Ein schlüssiges Gesamtkonzept hätte sich zudem nicht auf die Städte mit besonders brisanter Lage beschränken dürfen, kritisiert Dedy. Zu begrüßen sei, „dass sich die Koalition endlich zu Hardware-Nachrüstungen durchgerungen hat.“

Dies kann Umweltministerin Schulze als Erfolg verbuchen – Andreas Scheuer hatte sich lange gegen technische Nachrüstungen gewehrt. Die Sozialdemokratin hatte auch darauf gedrungen, dass die Industrie die Kosten trägt. „Wir wollen nicht, dass der Staat zuschießt oder die einzelnen Autofahrer zuschießen müssen“, betont Schulze am Dienstag noch einmal. Viele Details seien aber noch offen, merkt Andreas Scheuer an. „Bei der Hardware-Nachrüstung müssen wir noch Gespräche führen, auf der finanziellen wie auch der technischen Seite.“

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