Smart Country Convention

So will Innenministerin Faeser die Verwaltung digitalisieren

Carl-Friedrich Höck19. Oktober 2022
Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf der Smart Country Convention
Eine neue Umfrage zeigt: Vielen Bürger*innen geht die Digitalisierung ihrer Städte und Gemeinden zu langsam voran. Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte auf der Smart Country Convention, wie sie gemeinsam mit den Kommunen für mehr Tempo sorgen will.

Wie tiefgreifend die Digitalisierung die Städte und Gemeinden verändert, kann man sich aktuell in Berlin ansehen. Auf der „Smart Country Convention“ präsentieren sich über 200 Aussteller – mehr als je zuvor. Sie zeigen auf, was alles schon möglich ist. Zum Beispiel Parksensoren, die sich am Straßenrand oder vor Einfahrten installieren lassen. Damit lässt sich nicht nur ein Parkleitsystem mit Echtzeit-Daten betreiben, auch Falschparker*innen können so schneller ausfindig gemacht werden. Ein anderer Stand bewirbt Chatbots, die von Verwaltungen eingesetzt werden, um über Messenger-Dienste mit ihren Bürger*innen zu kommunizieren. Es sind zwei Beispiele von vielen.

Die Erwartungen der Bürger*innen werden größer

Doch der Fortschritt ist noch längst nicht überall angekommen. Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom wünschen sich 88 Prozent der Deutschen, dass ihre Stadt oder Gemeindeverwaltung das Thema Digitalisierung mit mehr Nachdruck verfolgt. Vor zwei Jahren waren es noch 78 Prozent. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder erklärt das mit „unterschiedlichen Geschwindigkeiten“. Zwar gehe es in den Verwaltungen vorwärts, doch mit den gleichzeitig steigenden Erwartungen der Bürger*innen könnten sie nicht Schritt halten.

Die Umfrage macht auch unterschiedliche Prioritäten sichtbar. 89 Prozent der Deutschen würden gerne ihren Personalausweis-Antrag online erledigen, 69 Prozent wünschen sich das für Wohnsitzmeldung und 65 Prozent für Meldebestätigung und -registerauskunft. 56 Prozent wollen eine Geburtsurkunde online beantragen können. Und immerhin 37 Prozent wünschen sich, dass sie die Anerkennung von Berufsqualifikationen ohne Behördengang bekommen können.

Faeser erklärt ihre Digitalpolitik

Die Smart Country Convention soll Impulse für die Digitalisierung der Städte und Gemeinden setzen. Schirmherrin der Messe ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Bundesregierung sei mit dem Ziel angetreten, den Staat und die Verwaltung nachhaltig zu modernisieren, sagte sie bei der Eröffnung am Dienstag. Sie wolle unkomplizierte, schnelle und digitale Verwaltungen, die das Leben einfacher machen. Digitalisierung könne helfen, auf viele Herausforderungen besser zu reagieren: ob Pandemie, die Klimakrise oder demografischer Wandel. Um das zu erreichen, „braucht es politische Führung und ambitionierte Ziele.“

In ihrer Rede umriss die Innenministerin die Eckpunkte ihrer digitalpolitischen Agenda. Faeser verwies auf das Digitalprogramm, das sie im April vorgelegt hat. „Es definiert Kernvorhaben, die wir nun mit aller Kraft umsetzen“, erklärte sie. Ein wichtiges Ziel sei es, dass alle Verwaltungsdienstleistungen jederzeit und von jedem Ort aus digital genutzt werden können.

Sie arbeite zusammen mit österreichischen Kolleg*innen daran, Identitäten europaweit nutzbar zu machen. Damit eine Verwaltung individuelle Services anbieten kann, müsse die einzelne Person identifizierbar sein, und zwar möglichst digital. Künftig werde es in vielen Fällen ausreichen, wenn der Online-Ausweis im Smartphone gespeichert sei, meinte Faeser.

Plattform soll Ressourcen und Expertise bündeln

„Mir ist klar, dass wir ein massives Umdenken bei den Bürgerinnen und Bürgern einfordern“, sagte die Ministerin. Auch die Verwaltung selbst müsse umdenken. Im Koalitionsvertrag habe die Ampel sich dazu bekannt, dass die Verwaltung agiler, digitaler und interdisziplinärer werden müsse. Die Bundesregierung solle als gutes Beispiel vorangehen. Für eine bessere ressortübergreifende Zusammenarbeit habe man die Plattform govlab.de aufgesetzt. „Wir wollen das gemeinsam voranbringen: Die Ressourcen, Infrastrukturen, Methoden und Fachexpertisen dort zu bündeln, auch mit der Wirtschaft“, so Faeser.

Faeser erwähnte auch den Digital-Check, den die Regierung auf den Weg gebracht habe. Dieser soll alle neuen Gesetze der Bundesregierung darauf prüfen, ob sie das Leben einfacher und digitaler machen – zum Beispiel sollen Schriftformerfordernisse abgebaut werden.

„Zugang zu Daten ist eine Machtfrage”

Ein weiterer wichtiger Bereich ihrer Digitalpolitik sei der Zugang zu Daten. „Wer Zugang zu Daten hat und sie nutzen darf, ist eine Machtfrage, eine Frage der Gerechtigkeit und auch eine Frage der Teilhabe.“ Sie wolle die Wertschöpfung durch die Nutzung der Daten erhöhen und die große Datenmacht einiger weniger Unternehmen in die Schranken weisen. Sie wolle Grundrechte schützen und das Gemeinwohl fördern, indem Daten zugunsten der Allgemeinheit eingesetzt werden. Der Koalitionsvertrag enthalte zahlreiche datenbezogene Gesetzesvorhaben: Zum Beispiel ein Datengesetz, ein Transparenzgesetz und weitere Maßnahmen wie die Gründung eines Dateninstitutes.

Faeser will die digitale Souveränität Deutschlands stärken. „Wir werden die Abhängigkeiten von großen Monopolanbietern reduzieren, indem wir verstärkt auf Open-Source-Lösungen, offene Schnittstellen und gemeinsame Standards setzen.“ Gemeinsam mit den Ländern und Kommunen habe sie dazu eine Strategie beschossen. Ein zentrales Element sei der Aufbau eines Zentrums für digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung. Es soll sicherstellen, dass moderne und leistungsstarke Softwarelösungen auf allen Ebenen verfügbar sind. Die Konzeption sei abgeschlossen, „wir starten jetzt mit der Umsetzung.“

Putins Angriff auf die Ukraine habe gezeigt, wie wichtig eine stabile Cybersicherheitsstruktur sei. „Wir haben alle Schutzmaßnahmen seit Kriegsbeginn deutlich nach oben gefahren“, berichtete die Innenministerin. Der Bund werde einen „Chief Information Security Officer“ benennen und baue ein „Kompetenzzentrum operative Sicherheitsberatung des Bundes“ auf. Leider stoße der Bund bei der Zusammenarbeit mit Ländern verfassungsrechtlich oft an Grenzen. „Deshalb wollen wir das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zur Zentralstelle im Bereich Cyber- und Informationssicherheit ausbauen.“ Damit könne man eine institutionalisierte Zusammenarbeit von Bund und Ländern ermöglichen. Darüber hinaus brauche der Bund gefahrenabwehrende Befugnisse, um Cyberangriffe verhindern oder abschwächen zu können. Diese Rolle wolle man im Grundgesetz verankern.

Digitalisierung als nie endender Prozess

„Digitalisierung ist Prozess, der nie abgeschlossen sein wird“, meint Faeser. „Es wird sicher etwas dauern, bis wir da ankommen, wo wir hinwollen.“ Aber man habe eine ehrgeizige Agenda und man werde bald Erfolge sehen.

Letztlich geht es um einen Kulturwandel, bis hinunter auf die kommunale Ebene. Das machte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder bei einem Pressegespräch deutlich. Bisher würden Verwaltungen als Datensilos gedacht, die nach außen abgegrenzt seien. Das sei datenschutzrechtlich auch so gewollt. „Unsere Verwaltungen können und dürfen Daten nicht einfach an die Nachbarverwaltung weitergeben.“ Selbst in einer kleinen Gemeinde mit 20 Mitarbeiter*innen könne man nicht einfach ins Nachbarbüro gehen.

Deshalb gebe es auch die Probleme bei den Grundsteuererklärungen, glaubt Rohleder. „Wir als Private tragen Daten zusammen, die wir von den verschiedenen Ämtern bekommen, wir bündeln sie und schicken sie dann ans Finanzamt.“ Das sei ein völlig überflüssiger Prozess, bei dem der Staat sich seiner Bürger*innen bediene, um eigentlich eine Verwaltungsleistung zu erbringen. Man müsse überlegen, wie man eine bessere Balance hinbekomme, um Datenaustausch in und zwischen den Verwaltungen zu ermöglichen, forderte der Bitkom-Hauptgeschäftsführer.

Das Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities”

Mit dem Bundesförderprogramm „Modellprojekte Smart Cities“ unterstützt die Bundesregierung seit dem Jahr 2019 Modellprojekte in Kommunen zum Ausbau der Digitalisierung. 820 Millionen Euro fließen an 73 Städte, Kreise und Gemeinden.

Auf der Smart Country Convention sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD): „Viele Kommunen machen sich auf den Weg, die digitalen Angebote zu nutzen, um ihre Verwaltung bürgernah zu machen, den ÖPNV auszubauen oder die regionale Wirtschaft zu stärken. Die vielen Modellprojekte sind eine große Hilfe. Sie haben in den vergangenen Jahren viele gute Ideen entwickelt, um die Städte, Kreise und Gemeinden bei der Digitalisierung zu unterstützen. Wichtig ist jetzt, dass die guten Ideen, die sich in der Praxis bewährt haben, auch von anderen Kommunen genutzt werden.“

Die im Rahmen des Modellprojektes geförderten Kommunen müssen Projekte aus der Stadtentwicklung mit der Digitalisierung verknüpfen. Damit auch andere Kommunen von den Erfahrungen und Ergebnissen profitieren können, sollen diese frühzeitig geteilt werden. Die geförderte Software wird als Open Source zur Verfügung gestellt.

Mehr Informationen: smart-city-dialog.de/modellprojekte

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