Rettungsschirm und Altschulden

So will Scholz den Kommunen helfen

Carl-Friedrich Höck18. Mai 2020
Bundesfinanzminister Olaf Scholz will Kommunen helfen, aus der Finanzmisere herauszukommen.
Wegen der Corona-Krise sind den Städten und Gemeinden die Einnahmen weggebrochen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz will sie mit einem milliardenschweren Rettungspaket vor dem Kollaps bewahren. Widerstand kommt unter anderem aus Bayern.

Finanziell gesehen stehen viele Kommunen mit dem Rücken zur Wand. Die Steuereinnahmen sind wegen der Corona-Krise eingebrochen. 15,6 Milliarden Euro fehlen voraussichtlich im laufenden Jahr, hat die jüngste Steuerschätzung ergeben. Jetzt stellt sich die Frage: Was tun? In den kommenden Wochen werden viele Kommunen ihre Haushaltspläne aufstellen.

Bund und Länder sollen Steuerausfälle ersetzen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will verhindern, dass die Städte, Gemeinden und Landkreise ihre Leistungen zusammenstreichen. Dies sei gesellschaftlich unerwünscht und ökonomisch kontraproduktiv, weil das die Konjunktur weiter abwürgen würde, heißt es in einem Papier des Bundesfinanzministeriums.

Deshalb will Scholz einen Schutzschirm für die Kommunen aufspannen. Grundzüge des Plans sind am Wochenende bekannt geworden. Demnach soll der Bund den Kommunen die Hälfte der pandemiebedingt weggefallenen Gewerbesteuer ersetzen. Die Bundesländer sollen die andere Hälfte übernehmen. Die Gewerbesteuer ist die wichtigste kommunale Steuer. Allein hier beträgt das Minus aufgrund der Corona-Krise 11,8 Milliarden Euro, ergab die Steuerschätzung.

Viele Kommunen stecken in der Schuldenfalle

Diesen Vorschlag verknüpft Scholz mit einem Plan für eine kommunale Altschuldenhilfe. Etwa 2.000 Städte und Gemeinden haben so hohe Kassenkredite, dass sie nur mit Mühe die Zinsen bedienen können. Die Folge: Verwaltungen werden kaputtgespart, für wichtige Investitionen ist kein Geld da. In diese Finanzmisere seien die Kommune oft unverschuldet geraten, meint Scholz. Vielfach seien strukturelle Ursachen der Grund.

Tatsächlich sind viele Städte in einen Teufelskreislauf geraten: Wo ein großer Wirtschaftszweig wegfällt und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit steigt, sinken auch die kommunalen Einnahmen und schießen die Sozialkosten in die Höhe. Ohne Geld können die Städte kaum Impulse setzen, um die örtliche Wirtschaft wieder zu beleben. Besonders viele überschuldete Kommunen gibt es in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, in Hessen und im Saarland.

Bund soll Hälfte der Altschulden übernehmen

Scholz will die betroffenen Kommunen mit einer Einmalzahlung entschulden. Auch hier setzt er auf das Prinzip: Eine Hälfte übernimmt der Bund, die andere das zuständige Bundesland. Insgesamt sollen die Kommunen um gut 45 Milliarden Euro entlastet werden – Bund und Länder würden jeweils Liquiditätskredite in Höhe von 22,6 Milliarden Euro übernehmen. Bundesländer, die bereits eigene Entschuldungsprogramme gestartet haben, sollen diese auf ihren Anteil anrechnen können. Die Hilfe gibt es für Kredite, die „nicht für Investitionen oder Kommunalvermögen aufgenommen worden sind, sondern für eigene Zwecke und einen Sockelbetrag von 100 Euro pro Einwohner überschreiten“, heißt es aus dem Finanzministerium.

In der Summe beläuft sich der geplante Schutzschild auf 57 Milliarden Euro, von denen der Bund die Hälfte übernehmen würde. Allerdings ist dafür eine Verfassungsänderung notwendig, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Die Zeit drängt: Bis zur Sommerpause soll es einen Kabinettsbeschluss geben, damit der Bundestag ab September über einen Gesetzentwurf beraten kann.

Mehrere Länder kritisieren Altschuldenhilfe

Schon jetzt formiert sich Widerstand – insbesondere aus der Union und aus den Bundesländern, die von der Altschuldenhilfe am wenigsten profitieren würden. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) forderte ein Corona-Hilfspaket „ohne Koppelung an Altschuldentilgung“. Er kritisierte auch, dass die Länder die Hälfte der Rettungskosten übernehmen sollen. Eine „Zwangsverpflichtung der Länder nach den Regeln des Bundes“ sei „eine Unverschämtheit“. Dabei müssten die Länder die Steuerausfälle ohne den Scholz-Plan sogar alleine auffangen, denn sie sind für eine angemessene Finanzausstattung ihrer Kommunen zuständig.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl lehnen den Scholz-Vorstoß ebenfalls ab. „Scholz greift in die Mottenkiste“, kritisiert Strobl. Das Problem: Die Altschuldenhilfe war schon vor der Corona-Krise ein heißes Eisen. Viele Landesregierungen sehen nicht ein, warum sie einem Hilfspaket des Bundes zustimmen sollen, bei dem für sie selbst nichts oder nur wenig abfällt. Mit dem nun vorgeschlagenen Gesamtpaket kommt Scholz diesen Ländern entgegen, indem er anbietet, freiwillig die Hälfte der ausgefallenen Gewerbesteuer zu übernehmen.

SPD-Fraktionsvize beklagt mangelnde Solidarität

Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag Achim Post hat für den Widerstand gegen die Altschuldenhilfe kein Verständnis. Dem bayerischen Finanzminister wirft er eine „Null-Solidarität-Politik” vor. Zumal es gar nicht darum gehe, dass Bayern etwas für ein anderes Bundesland zahlen solle. „Bayern müsste nur akzeptieren, dass der Bund Kommunen in anderen Ländern als in Bayern hilft, die ohne eine Schuldenübernahme durch den Bund und das jeweilige Bundesland finanziell nicht mehr auf die Beine kommen.”

Der Deutsche Städtetag lobt den Scholz-Plan ausdrücklich. „Das kann zu einem großen Wurf werden“, sagt Präsident Burkhard Jung. „Der Vorschlag kommt zur rechten Zeit, bevor die Unsicherheit wächst und bevor die Kommunen ihre Haushaltsplanung für das nächste Jahr anpacken müssen.“ Es sei ein kluges Konzept, Hilfen in der Corona-Krise mit der Lösung des Altschuldenproblems zu verbinden. „Auch die verschuldeten Städte wollen ihren Bürgerinnen und Bürgern gute Kinderbetreuung, Bildungsangebote und eine verlässliche Infrastruktur bieten.“

Positiv bewertet auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Initiative des Bundesfinanzministers. „Gerade weil die Exporte Deutschlands weiterhin zurückgehen werden, muss die Binnennachfrage gestärkt werden”, betont Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. „Da wir bereits vor der Krise einen Investitionsrückstand in den Kommunen von rund 140 Milliarden Euro hatten, kommt es darauf an, gerade hier einen wichtigen Impuls zu setzen. Es geht vorrangig um Investitionen in die Infrastruktur (Straßen, Wege, Kindergarten, Schulen), Klimaschutzmaßnahmen und die Beschleunigung der Digitalisierung.”

(Artikel aktualisiert am 19. Mai 2020)

Die Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer ist die wichtigste originäre Steuerquelle der Städte und Gemeinden. Im Jahr 2018 flossen in den Flächenländern 42,2 Milliarden Euro aus der Gewerbesteuer in die kommunalen Kassen. Zum Vergleich: Das gesamte Steueraufkommen der Kommunen betrug im gleichen Jahr 101,2 Milliarden Euro. (Hinzu kamen noch Einnahmen aus Zuweisungen von Bund und Land, aus Gebühren und weiteren Geldquellen, sodass den Kommunen im Jahr 2018 insgesamt 254 Milliarden Euro zur Verfügung standen. Quelle: Stadtfinanzen 2019)

Expert*innen rechnen damit, dass aufgrund der Covid-19-Pandemie die Einkünfte aus sämtlichen Steuern sinken. Die Steuerschätzung vom Mai 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass den Kommunen insgesamt Einnahmen in Höhe von 15,6 Milliarden Euro entgehen. Die Gewerbesteuer ist besonders betroffen. Hier liegt das Minus im laufenden Jahr laut Steuerschätzung bei 11,8 Milliarden Euro.