Corona-Pandemie

Wie Solingen umfangreich auf Mutationen prüft

Karin Billanitsch02. Februar 2021
In Deutschland bauen Labore Kapazitäten aus, für die Diagnostik Infizierter und das Erkennen von Varianten des Corona-Virus.
Die Stadt Solingen testet als Vorreiter seit Jahresbeginn umfangreich auf Corona-Mutationen. Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) begründet den Solinger Weg mit zu langen Prozessen auf verschiedenen Ebenen und ermutigt Kommunen, selbst das Heft in die Hand zu nehmen.

Nachdem zu Jahresbeginn drei Fälle mit Mutation in Solingen aufgetreten sind, hat Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) schnell entschieden, alle Tests mit positivem PCR-Testergebnis in Solingen zur weiteren Untersuchung ­­auf Mutationen an die Uni Köln zu schicken. „Wir haben uns hierzu auch mit der Charité in Berlin abgestimmt“, so ein Pressesprecher.

Landesweiter Vorreiter bei Tests auf Mutationen

Als Solingen damit nach Neujahr begonnen hat, war die Stadt landesweit Vorreiter. Mittlerweile folgen andere Kommunen dem Beispiel, etwa Köln. Auch das Landm Baden-Württemberg verfährt jetzt auf diese Weise. Tim Kurzbach betont: „Wir haben nicht gewartet, sondern gehandelt, weil es die Lage dringend erfordert hat.“

Zusätzliches Personal war allerdings dafür nicht notwendig. Nach Auskunft der Stadt läuft das über das Gesundheitsamt, das natürlich pandemiebedingt dauerhaft verstärkt arbeitet. „Die zusätzlichen Kosten dafür tragen wir selbst“, stellt Kurzbach klar.

Tim Kurzbach (SPD): „Wartet nicht. Werdet selbst tätig“

Aber das dürfe nicht so bleiben, stellt Kurzbach klar. „Im Sinne einer konsequenten und schnellen Bekämpfung der durch die Virus-Mutationen veränderten pandemischen Lage fordern wir daher Land und Bund auf, hier schnell Regelungen zu überlegen, wie die Kommunen finanziell unterstützt werden können.“

Er fügt hinzu: „Diese Untersuchungen sollten ganz schnell flächendeckend erfolgen, damit wir ein möglichst präzises Bild über die Viruslage erhalten. Es ist keine Zeit zu verlieren. Wir brauchen deutlich mehr Tempo. Ich kann nur alle Kommunen dazu ermutigen, nicht zu warten, sondern selbst tätig zu werden.”

Neue Verordnung: Suche nach Corona-Mutationen läuft langsam an

Die Sequenzierung positiver Corona-Proben läuft in Deutschland langsam an. Eine neue Verordnung aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Coronavirus-Surveillanceverordnung Cov SurV, zielt darauf ab, einen besseren Überblick über die kursierenden Corona-Varianten in Deutschland zu bekommen. Deshalb sollen in Deutschland bis zu fünf Prozent der positiv getesteten Proben sequenziert werden. Bei weniger als 70.000 Neuinfektionen je Woche erhöht sich der Anteil auf zehn Prozent.

Die Verordnung ist bereits am 19. Januar in Kraft getreten. Um die fünf Prozent zu erreichen, mussten aber Kapazitäten aufgebaut werden. Die Bundesregierung fördert die Analyse finanziell, laut Ärztezeitung mit 200 Euro pro Testung, aber nur von maximal zehn Prozent der Proben. Wer mehr testen will, muss in die eigene Tasche greifen, Beispiel Solingen. Zumindest so lange es keine anderen Regeln im jeweiligen Bundesland gibt.

 RKI richtet Sequenzdaten-Plattorm ein

Die Labore sollen die Daten an das Robert-Koch-Institut übermitteln. Alle Daten werden vom RKI zusammengefasst und ausgewertet. Noch gibt es aber keine aussagekräftigen Zahlen, wie viel sequenziert wird. Auf die Anfrage der DEMO am 1. Februar, ob Sequenzierungen aktuell in Deutschland schon veröffentlicht werden, antwortete das RKI, es gebe „noch keine regelmäßige Veröffentlichung zur Zahl der Sequenzierungen bzw. den Ergebnissen“.

„Das ist im Aufbau. Die technische Grundlage für die Übermittlung der Sequenz-Daten, die DESH-Plattform – das Akronym steht für Deutscher Elektronischer Sequenzdaten-Hub – steht“, hieß es weiter. Bis zum 28. Januar haben sich bei der RKI-Plattform mehr als 50 Laboratorien bei DESH registriert.

„Labore haben genügend Kapazitäten“

Dass die Labore aber mittlerweile genügend Kapazitäten für die Diagnostik der Infizierten und für das Erkennen von Varianten haben, um der Verordnung nachzukommen, bestätigte der Verein der akkreditierten Labore in der Medizin. Mit dem raschen Aufbau der dafür notwendigen diagnostischen Kapazitäten trügen die Labore ihren Teil dazu bei, die Pandemie besser einschätzen und eindämmen zu können, so der 1. Vorsitzende Dr. Michael Müller. „Sowohl die breite, möglichst flächendecke Surveillance der Mutationen im Rahmen der PCR-Nachtestung als auch die Fortführung der SARS-CoV-2-Diagnostik zur Aufdeckung von Infektionen laufen auf Hochtouren.“

Allerdings konnte der Verein keine Angaben darüber machen, wie viel aktuell bundesweit bereits sequenziert wird. „Zahlen können wir nicht nennen, da unsere Zahlen nicht repräsentativ sind.“ Diese würden mit anderen Daten beim RKI zusammengefasst und dort ausgewertet.“

Kurzbach sieht das Land NRW in der Verantwortung

In Solingen sind bis gestern 123 positive Testergebnisse eingeschickt worden, von denen 103 ausgewertet sind. Bei 15 Proben sind die Mutationen ermittelt worden. 88 Befunde waren negativ, das heißt ohne Mutation, gibt die Stadt auf Anfrage der DEMO Auskunft. Zusammen mit den drei Fällen, die als erste um die Jahreswende festgestellt worden sind, sind in Solingen bisher 18 Mutationsfälle bekannt. Bei allen handele es sich um den britischen Typ, hieß es.

Warum die Stadt in eigener­­ Initiative testet, verdeutlicht der OB eindringlich: „Die Sache darf uns einfach nicht entgleiten. Wir auf der kommunalen Ebene tragen für die Menschen unserer Städte Verantwortung, und die Prozesse auf den verschiedenen Ebenen dauern immer noch oft zu lange.“

Er sieht das Land in der Verantwortung, Rahmenbedingungen zu schaffen. „Wir kämpfen hier mit aller Kraft gegen dieses Virus, um die Menschen unserer Stadt zu schützen. Da kann ich nicht akzeptieren, dass NRW uns nachher die damit im Zusammenhang stehenden Schulden 50 Jahre abbezahlen lässt!“, kritisiert Kurzbach.

In Solingen ist bereits entschieden, dass die Nachuntersuchungen der positiven Befunde fortgeführt werden über die anfangs definierte Stichprobe von 100 Fällen hinaus.

 

Mehr Informationen:
Kommunale Akteure, die sich informieren möchten, wo sich in Deutschland Labors befinden, die Vollgenomsequenzierungen durchführen, finden eine Karte hier.