Energiewende

Sonne, Wind und Speicher machen Kreisstadt autark

Heinz Wraneschitz25. Oktober 2022
Rathaus der Stadt Roth – laut einem Projekt von Studierenden könnte sich die Kommune autark mit Energie versorgen.
Eine Energiekonferenz in Roth bei Nürnberg hat eine machbare Utopie gezeigt: Die Kommune könnte sich künftig ganzjährig mit regional gewonnener Energie autark versorgen.

Geht so etwas: eine 25.000-Einwohner-Kommune völlig autark und übers ganze Jahr mit regional gewonnener Energie versorgen? Fünf Studierende der Technischen Hochschule Nürnberg, auch „Ohm“ genannt, haben das für die Kreisstadt Roth bei Nürnberg untersucht. Das Ergebnis: Ein klares, wenn auch theoretisches Ja.

Die erste Frage: Woher kommt der Ökostrom? Aus einem Mix von Windkraftwerken (Leistung: 37 Megawatt (MW)) und Photovoltaik, kurz PV (Leistung: 10 MW). Die Windräder würden 92 Prozent, die PV-Anlagen lediglich 8 Prozent der Energie beisteuern. Das haben die Sechstsemester Timo Madre und Jonai Lubik errechnet.

Fehlende Windkraft-Standorte

Während es für PV genügend Flächen gibt, gibt es ein Umsetzungsproblem bei Windkraftstandorten: Im Rother Stadtgebiet liegt keiner mit ausreichendem Potenzial. Und Stadtwerke-Leiter Gerhard Brunner, der „das Energiekonzept gerne umsetzen würde“, sieht momentan wenig Chancen, dass Kommunen im Landkreis den Rothern die Aufstellung von zehn Windmühlen ermöglichen. Fakt aber ist auch für Brunner: „Wenn man Energiewende und Klimaneutralität haben will, wird es zum Bau von neuen Anlagen kommen, auch mal in meiner Nachbarschaft.“ Doch er gab sich kämpferisch: „Wenn wir eine Versorgung haben wollen, die nicht von Despoten abhängig ist, müssen wir die Energie selbst machen.“

Der größte Eingriff in die Natur wäre der Speicher selbst, der die überschüssige Energie für jene Zeiten vorhält, in denen die Sonne kaum scheint oder nur wenig Wind weht. Keine Batterie, wie sie heute in E-Autos oder Zahnbürsten verwendet wird, sondern ein Stülpmembranspeicher, ein Patent des Ohm-Professors und Seminarleiters Matthias Popp. Der Speicher mit 422 Metern Zylinder-Höhe und 103 Metern Durchmesser reicht aus, um den Gesamt-Strombedarf in der Stadt Roth zu sichern. Dieser lag 2021 bei 84,5 GWh, das entspricht einem durchschnittlichen Verbrauchswert von 9,2 MW. 80 Millionen Euro wurden dafür „konservativ ermittelt“. Diese Technik sei grundsätzlich realisierbar, bestätigte eine im Publikum anwesende Vertreterin eines Baumaschinenherstellers.

Günstige Wärmeversorgung möglich

Bei Diskussionen um die Energiewende wird oft vergessen, dass heute wesentlich mehr Wärme verbraucht wird als Strom. Der Speicher selbst könnte die notwendige Wärme von knapp zwei Gigawattstunden (GWh) aufnehmen. Doch für die notwendigen 650.000 m² Sonnenkollektorflächen, um diese Öko-Wärme für Heizung und Warmwasser zu erzeugen, reichen die Dächer der Kommune nicht aus. Es seien zusätzliche Freiflächen notwendig, zum Beispiel auf der Oberfläche des Speichers. Doch selbst bei einer komplett neuen Nahwärmeversorgung für den Ort läge der Wärmegestehungspreis laut Markus Dörfler bei gerade mal 6,97 Cent pro Kilowattstunde (C/kWh).

Alexander Nahlik und Patrick Pickelmann haben sich speziell mit den Stromkosten und der Speicherbewirtschaftung – also dem Stromhandel – beschäftigt. Und ihre Ergebnisse zeigten klipp und klar: „Das System würde sich lohnen. Speziell bei den steigenden Strompreisen seit Mitte 2022.“ Denn gerade mal 6,2 C/kWh kostet der aus dem Speicher entnommene Strom. Und für Spitzenstrom wurden in den letzten Monaten im Börsenhandel bis zu 30 C/kWh bezahlt.

Professor Popp setzt nun darauf, möglichst bald, egal wo, „einen kleineren Stülpmembranspeicher in einem Neubaugebiet realisieren zu können“. Die Studierenden jedenfalls „haben alles mit Kosten und Nutzen belegt“.