Anhörung im Bundestag

Sozialer Wohnungsbau geht zu langsam voran

Carl-Friedrich Höck10. Oktober 2018
Sozialer Wohnblock in Berlin
Sozialer Wohnblock in Berlin: Viele Sozialwohnungen fallen Jahr für Jahr aus der Bindung.
Der Bund will den Sozialen Wohnungsbau wieder dauerhaft fördern. Zuletzt hat er seine Zuschüsse auf eine Milliarde pro Jahr verdoppelt. Trotzdem werden kaum mehr Sozialwohnungen gebaut. Der Städtetag drängt die Bundesregierung, Länder und Kommunen noch stärker zu unterstützen.

Im Bau- und Kommunalausschuss des Bundestages wurde es am Mittwoch grundsätzlich. Diskutiert wurde über die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus. Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen bezeichnen Politiker aus Regierung und Opposition gerne als die soziale Frage unserer Zeit. Doch aktuelle Zahlen zeigen: Es läuft nicht rund.

Mehr Geld, aber kaum mehr Neubauten

Die Bundesländer müssen regelmäßig darlegen, wie sie die sogenannten Kompensationsmittel verwendet haben, die der Bund ihnen für den sozialen Wohnungsbau gibt. Auf Druck der SPD wurden diese Zuschüsse zuletzt mehrfach erhöht. Im Jahr 2016 stellte der Bund eine Milliarde Euro zur Verfügung – 500 Millionen mehr als zuvor. Im darauffolgenden Jahr stiegen die Finanzmittel noch einmal um 500 Millionen auf nun 1,5 Milliarden Euro.

Doch dass sich die Mittel verdreifacht haben führte nicht dazu, dass auch dreimal so viele Wohnungen gebaut wurden. So heißt es im Bericht für 2017: „Der geförderte Bau von Mietwohnungen stieg um rund 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr“ – bei 50 Prozent mehr Kompensationsmitteln. Anders gesagt: Es wurden nur 1.681 Wohnungen mehr neu gebaut als 2016.

Betrachtet man alle Wohnungen, die neu gefördert wurden, etwa im Zuge von Modernisierungen, sind die Zahlen sogar rückläufig. Im Jahr 2017 wurden 57.550 Wohnungen gefördert – sechs Prozent weniger als im Vorjahr.

Unterschiedliche Gründe

Woran liegt das? Die Länder verweisen auf gestiegene Baukosten und steigende Mieten im frei finanzierten Wohnungsmarkt. Das verschlinge einen Großteil der gestiegenen Zuschüsse. Auch die niedrigen Kapitalmarktzinsen werden als Grund genannt. Die Bundesregierung mutmaßt zudem, dass die Länder zu wenig eigene Mittel in die Wohnraumförderung stecken.

Sebastian Klöppel vom Deutschen Städtetag meint, dass die soziale Wohnraumförderung „einer gewissen Neujustierung bedarf.“ Aus Sicht der Städte müssen die eingesetzten Mittel noch weiter erhöht werden. Es sei gut, dass der Bund in einer finanziellen Mitverantwortung bleibt, sagt Klöppel. Um dies auch nach 2019 zu ermöglichen, will die große Koalition das Grundgesetz ändern. Der Gesetzentwurf wird derzeit im Bundestag beraten.

Große Lücke zwischen Bedarf und Angebot an Sozialwohnungen

Nicht nur die großen Zentren seien vom Wohnungsmangel betroffen, schreibt der Städtetag in einer Stellungnahme, sondern insgesamt 138 Kreise und kreisfreie Städte. In den Großstädten lägen 35 bis 50 Prozent der Haushalte unter der Einkommensgrenze, die zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigt. Doch nur sechs Prozent der bundesweit angebotenen Mietwohnungen seien Sozialwohnungen.

Obwohl der Bund sein Engagement zuletzt erhöht hat, fallen Jahr für Jahr mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als neu hinzukommen. Darauf verweist der Deutsche Mieterbund. Von ehemals rund vier Millionen preisgebundenen Wohnungen seien 2017 nur noch etwa 1,25 Millionen übriggeblieben. Der Grund ist, dass die Sozialbindungen oft nach rund 20 Jahren auslaufen. Laut Mieterbund sind zwischen 2006 und 2017 mehr als 600.000 Wohnungen aus der Bindung gefallen, während nur rund 242.000 neue Sozialwohnungen gebaut worden seien. „Um den Schwund an Sozialwohnungen zu stoppen, müssten also jährlich rund 40.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden“, rechnet der Bundesdirektor des Mieterbundes Lukas Siebenkotten vor. Zum Vergleich: Gefördert wurde 2017 der Neubau von 26.231 Wohnungen.

Die SPD will die Dauer der Bindung daher verlängern oder gar abschaffen. „Was einmal öffentlich geförderter Wohnraum war, muss es auch langfristig bleiben“, heißt es in einem Positionspapier von Parteichefin Andrea Nahles und SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. Ähnlich äußerte sich am Mittwoch der Stadtsoziologe Andrej Holm, der der Linken nahesteht: „Wir brauchen einen Ausstieg aus der Zwischennutzungslogik.“ Sozialbindungen zu befristen sei ein Luxus, den man sich jahrzehntelang geleistet habe.

Kritik an Fehlbelegung wird zurückgewiesen

Kritik am Instrument des sozialen Wohnungsbaus äußerte Oliver Arentz vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Uni Köln. Schätzungen zufolge sei jede zweite Sozialwohnung fehlbelegt. Sie werde also weiter von Menschen bewohnt, die aufgrund ihres Einkommens gar nicht mehr dazu berechtigt wären. Der Vertreter des Deutschen Städtetages wies das zurück. Zwar gebe es keine verlässliche Statistik, meinte Sebastian Klöppel. Aber die Erfahrungen etwa aus Hessen, wo in solchen Fällen eine Fehlbelegungsabgabe von den Bewohnern erhoben wird, sprächen eher für eine Fehlbelegungsquote von zehn Prozent.

In einer schriftlichen Stellungnahme mahnte der Städtetag an, den sozialen Wohnungsbau nicht isoliert zu denken. Er sei „eng mit einer integrierten Stadtentwicklungsplanung verbunden”. Auch solle von Anfang an berücksichtigt werden, wie die bestehende Infrastruktur angepasst werden muss, besonders bei Neubauten im Innenbereich. Im Grundgesetz könne daher auch eine Kompetenz des Bundes für den Bereich Städtebau ergänzt werden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup begrüßte diese Überlegung.