Einzelhandel

Was die SPD für den Einzelhandel tun will

Karin Billanitsch15. September 2021
Der Einzelhandel und die Innenstädte haben unter den Corona-Lockdowns und Einschränkungen gelitten. Und auch vor Corona waren viele Innenstädte und Ortskerne keine attraktiven Orte mehr – ein Strukturwandel steht an.
Die Corona-Pandemie verstärkt die Strukturveränderungen in den Innenstädten und Stadtteilzentren. Das betrifft insbesondere den Einzelhandel. Vor der anstehenden Bundestagswahl diskutierte Stefan Genth, Chef des Handelsverbands HDE, mit dem wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Westphal.

Der Einzelhandel und die Innenstädte haben unter den Corona-Lockdowns und Einschränkungen gelitten. Und auch schon vor Corona waren viele Innenstädte und Ortskerne keine attraktiven Orte mehr – ein Strukturwandel steht an. Deshalb sind sich Experten einig, dass sich die Innenstädte und Zentren verändern werden und auch der stationäre Handel vor vielen Herausforderungen steht. Der Handelsverband Deutschland (HDE) steht vor der Bundestagswahl in besonders regem Austausch mit Politikern – HDE-Chef Stefan Genth diskutierte am Dienstag mit dem wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Westphal.

Bessere Bezahlung: Zwölf Euro Mindestlohn

Westphal wirft zunächst einen Blick auf die erfolgreichen Maßnahmen der Bundesregierung während der Corona-Pandemie: „Wir haben einen handlungsfähigen Staat wirken gesehen“, der in der Pandemie mit guten Hilfsprogrammen und Unterstützung der Wirtschaft reagiert habe. „In der 2020er Jahren wird es darum gehen, dass wir die Zukunft gestalten. Wir haben unsere Walkampfstrategie mit den drei Worten Respekt, Zukunft, Europa überschrieben.“

Und Respekt habe viel mit Arbeitsbedingungen, sozialer Gerechtigkeit und Sozialversicherungssystemen zu tun, die „… finanzierbar bleiben“ müssten für die Zukunft. Damit kommt Westphal auf die die Bezahlung von Arbeitskräften zu sprechen: „Da sind wir schon bei einem Punkt, der uns wichtig ist: Wir wollen den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen.“

„Wir haben immer nachgesteuert“

Was die Unterstützung für die Wirtschaft wie etwa Überbrückungshilfen angeht, verwahrt sich Westphal gegen Kritik seitens des HDE-Hauptgeschäftsführers, der nicht ganz glücklich mit allen Entscheidungen des Bundesfinanzministeriums und den „zähen“ Abstimmungen zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium gewesen ist.

Westphal, der – nicht nur in seinem Wahlkreis in Hildesheim – mit vielen Einzelhändlern gesprochen hat und deren Sorgen kennt – versichert mit Blick auf die Wirtschaftshilfen: „Wir haben immer nachgesteuert.“ Er nennt ein konkretes Beispiel: Sogar Saisonware konnte im Rahmen der Hilfen abgeschrieben werden, der Steuerzahler kam also für Waren auf, die nicht verkauft wurden.

Hilfen für Belebung der Innenstädte

Langfristig gebe es viele Unterstützungsmöglichkeiten, wie man Innenstädte beleben und attraktiv halten kann, so Westphal. Ein Entschuldungsprogramm für finanzschwache Kommunen, für die sich Kanzlerkandidat Olaf Scholz einsetzt, könnte diesen Städten Spielräume geben. „Dadurch, dass sie Kassenkredite bedienen, haben diese Städte ja gar keine Chance aus der Entschuldungsspirale herauszukommen“, erklärt Westphal.

Er weist außerdem auf ein Bundesprogramm im Rahmen der Städtebauförderung hin, mit dem Leerständen in den Innenstädten begegnet werden soll. Dieses wurde mit 260 Millionen Euro ausgestattet. Wie Innenstädte attraktiver werden, müsse aber nicht im Bundestag, sondern vor Ort entschieden werden. HDE-Chef Genth ergänzt, dafür habe sein Verband gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden gekämpft, und sei auch von MdB Bernhard Daldrup (SPD), dem kommunalpolitischen Sprecher der Fraktion, sehr unterstützt worden.

Gewerbemietspiegel in Kommunen

Im Wahlprogramm der SPD wird wegen der steigenden Mieten auch die Einführung eines Gewerbemietspiegels in den Kommunen vorgeschlagen. Auf Nachfrage von Genth, wie dieser umgesetzt werden solle, erläutert Westphal, dabei gehe es gerade für den Handel um langfristige Perspektiven. „Man muss langfristig eine Sicherheit haben für sein Geschäft und die Lage. Das könnte dazu beitragen, dass bei den Gewerbeimmobilien die Mieten nicht durch die Decke gehen“, sagt Westphal.

Leestände hätten oft damit zu tun, dass die Mieten zu hoch seien. Westphal sieht Vermieter gemeinsam mit Unternehmen in der Verantwortung, hier für gute Lösungen zu sorgen.

Einkaufsanreize in Kommunen

Angesichts der konjunkturellen Delle, die sich nach dem Konjunkturbarometer des HDE gerade abzeichnet, stellt sich die Frage, inwieweit konjunkturelle Anreize helfen könnten, mehr Menschen in die Innenstädte zu locken, um die Frequenz zu erhöhen. Genth bringt als Beispiel die SPD-geführte Stadt Düren, die Einkaufsgutscheine für den stationären Handel ausgegeben hat.

„Mehrere Kommunen, wie auch Hildesheim, haben solche Programme gemacht, die dem regionalen Handel zugutegekommen sind“, hat auch Westphal beobachtet. Die Kaufkraft an sich hat dank des Kurzarbeitergeldes wenig gelitten, sind sich beide einig. Dennoch seien zusätzliche Kaufanreize sinnvoll.

Sonntagsöffnungen im Dialog mit Gewerkschaft

Viele Kunden wünschten sich auch mehr Sonntagsöffnungen. Wäre die SPD bereit, rechtssichere Sonntagsöffnungen zu erreichen, fragen sich viele HDE-Mitglieder. „Das Thema muss vor Ort entschieden werden, in den Kommunen“, sagt Westphal dazu. Den Rahmen dazu gebe es. Er könne sich vorstellen, dass im Einklang mit der Gewerkschaft ver.di Lösungen möglich seien. „Wir haben ja auch viel nachzuholen. Es muss aber immer im Dialog entschieden werden.“

Förderung digitaler Infrastruktur

Bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven für den stationären Handel kommt schnell das Thema Digitalisierung auf: Hier muss stärker investiert werden, zeigt sich Genth überzeugt. Der HDE wünscht sich von einer künftigen Regierung einen Digitalisierungszuschuss für eine digitale Ausstattung und Innovationen.
„Wir werden nicht Mittel aufbringen, um Plattformökonomie wie Amazon zu unterstützen“, stellt Westphal klar.

Auch im Wahlprogramm der SPD wird diese Auffassung unterstrichen: „Es muss Alternativen zu den großen Plattformen geben – mit echten Chancen für lokale Anbieter. Dem regionalen stationären Handel könnte aber etwa Unterstützung angeboten werden, sagt Westphal. Regionale Plattformen gebe es beispielsweise schon. Auf der anderen Seite wird persönliche Beratung vor Ort immer wichtiger, zeigt sich Westphal überzeugt.

SPD-Positionspapier zur Zukunft der Innenstädte

In einem Positionspapier zur Zukunft der Innenstädte spricht sich die SPD für weitere Modellprojekte zur „Entwicklung, Erprobung und Nutzung eines strategischen Umgangs mit Chancen und Risiken der Digitalisierung aus. Dies solle auch dazu dienen, die Aktivitäten der Städte beim Auf- und Ausbau von digitalen Plattformen zur Stärkung der Innenstädte zu ermöglichen, heißt es.

In diesen Zusammenhang gehören demnach auch Maßnahmen zur „Förderung der Vernetzung von Angeboten, etwa auf lokalen oder regionalen Online-Marktplätzen, um die Produktsuche für die Kundschaft zu erleichtern“.

 

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