Corona-Pandemie

SPD stellt Kommunen Rettungsschirm in Aussicht

Carl-Friedrich Höck24. April 2020
Die SPD-Abgeordnete Elisabeth Kaiser forderte im Bundestag einen Rettungsschirm für Kommunen.
Ein Schutzschirm für Kommunen in der Coronakrise? Über diese Forderung wurde am Donnerstag im Bundestag beraten. Die CDU sieht vor allem die Länder in der Verantwortung. SPD-Abgeordnete dagegen fordern eine gemeinsame Lösung, der Finanzminister werde entsprechende Vorschläge machen.

Im Bundestag brachte es der SPD-Abgeordnete Klaus Mindrup auf den Punkt: „Die Coronakrise trifft auch die Kommunen mit beispielloser Wucht. Vor allem die Sozialausgaben der Kommunen steigen stark, zugleich sinken die Einnahmen dramatisch.“ Ähnlich fassten die anderen Fraktionen die Lage der Städte und Gemeinden zusammen. „Die Sorgenfalten der Kämmerer sehen schon aus wie Ackerfurchen im Frühjahr“, sagte etwa der CDU-Politiker Christian Haase. Er bezifferte die finanzielle Mehrbelastung der Kommunen auf 17 Milliarden Euro.

Wie solidarisch soll der Bund sein?

Nur: Was folgt aus dieser Erkenntnis? Für Haase ist das Finanzproblem der Kommunen eine Angelegenheit, um die sich vor allem die Länder zu kümmern haben. Denn die seien laut Grundgesetz verpflichtet, den Städten und Gemeinden eine finanzielle Grundausstattung zur Verfügung zu stellen. Der Bund solle den Kommunen nur bei den erhöhten „KdU-Kosten“ unter die Arme greifen, also bei den Zahlungen für die Unterkunft im Rahmen der Grundsicherung.

Die Linke dagegen drängt auf einen „Schutzschirm für Kommunen“. Ihr Antrag dazu war auch der Anlass für die Bundestagsdebatte. Einen Rettungsschirm hatten zuvor bereits mehrere SPD-Abgeordnete gefordert. Die Sozialdemokratin Elisabeth Kaiser erinnerte im Plenum daran, dass viele Kommunen schon vor Covid-19 finanziell schwer zu kämpfen gehabt hätten. Umso mehr gelte es nun, sie zu unterstützen.

Kaiser: „Fördermaßnahmen entfristen!”

„Wir kennen auch die schwierige Situation der kommunalen Unternehmen. Veranstaltungszentren, Bäder oder Kultureinrichtungen sind durch Einnahmeausfälle bedroht“, sagte Kaiser. Finanzminister Olaf Scholz habe schnell reagiert und einen einfachen Zugang zu Corona-Hilfen ermöglicht. Nun gelte es, weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Eine Möglichkeit sei, „an die Kommunen gerichtete Fördermaßnahmen zu entfristen und Nachweispflichten zur Mittelverwendung zu vereinfachen.“ Zum Beispiel beim Digitalpakt, Programmen des Sports, der Kultur oder des Städtebaus. Und vor allem müssen die Kommunen endlich bei den Sozialkosten entlastet werden.

Ihr Parteigenosse Klaus Mindrup blies ins selbe Horn. Im Kampf gegen die Pandemie würde den Kommunen in Zukunft noch mehr als bisher eine Schlüsselrolle zukommen, etwa bei der Kontrolle des Verbreitungsgeschehens und bei notwendigen Maßnahmen vor Ort. „Und das kostet auch Geld“, so Mindrup.

„Finanzminister wird Vorschläge machen”

Der SPD-Abgeordnete warten vor einem „Verantwortungsbingo zwischen Bund und Ländern.“ Zwar seien die Länder laut Grundgesetz in der Verantwortung, aber auch der Bund müsse aktiver werden. „Ich hoffe, dass sich unser Koalitionspartner gemeinsam mit uns bewegt. Unser Finanzminister wird auch entsprechende Vorschläge machen.“ Den Linken-Antrag lehnte die SPD ab. Es gehe darum, gemeinsam mit den Ländern schnell und pragmatisch Lösungen zu finden, dazu sei der Antrag nicht geeignet.

Ohnehin wird der Prozess dadurch erschwert, dass bisher nur unzureichende Zahlen vorliegen, was genau die Krise die Kommunen kosten wird. Das räumte am Freitag auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg ein. Schließlich sei noch unklar, wie lange die Krise dauert, sagte er in einem ZDF-Interview.

Städte und Gemeinden rechnen mit hohem zweistelligen Milliardenverlust

Zugleich betonte Landsberg: „Die Gewerbesteuer stürzt ab! Wir gehen davon aus, dass wir allenfalls 50 Prozent der Einnahmen haben werden.“ Im Vorjahr beliefen sich die Gewerbesteuereinnahmen noch auf etwa 50 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen etwa über den kommunalen Umsatzsteueranteil brächen ebenfalls ein. Zusammen mit den weiteren Kosten und Einnahmeausfällen – etwa an Theatern oder im öffentlichen Nahverkehr –  gehe er „von einem hohen zweistelligen Milliardenbetrag nur für dieses Jahr aus.“ Landsberg weiter: „Sie können mir jeden Bereich nennen, es wird überall teurer.“

Konkretere Zahlen werden Mitte Mai vorliegen. Dann steht die jährliche Steuerschätzung an. Zu erwarten ist, dass sich die Bundesregierung auf Grundlage dieser Daten mit den Ländern auf weitere Hilfen für Kommunen verständigen wird. Eine Sprecherin von Finanzminister Olaf Scholz beteuerte bereits Anfang April gegenüber der DEMO: „Die Bundesregierung hat die Entwicklung in den Kommunen im Blick. Wir beobachten die Lage sehr genau und werden, wenn notwendig, Anpassungen vornehmen.“

So wirkt sich die Coronakrise auf die Kommunalfinanzen aus

Die Coronakrise schadet nicht nur der Wirtschaft, sondern auch den kommunalen Haushalten und Institutionen. Zahlreiche Bereiche sind betroffen. Ein Überblick:

Steuereinnahmen: Die Kommunen verzeichnen massive Einbrüche bei den Steuereinnahmen. Geschlossene Restaurants und Geschäfte oder stillstehende Betriebe führen zu weniger Gewerbesteuer. Man erwarte „schon jetzt ein Minus beim Aufkommen der Gewerbesteuer um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr”, sagte Städtetags-Präsident Burkhard Jung am 7. April. Aus dem Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums für März 2020 geht hervor, dass das Aufkommen aus der Gewerbesteuerumlage – also der Anteil, den die Kommunen an Bund und Länder abführen – gegenüber den Vorjahresmonat um 54,5 Prozent gesunken ist. Die kommunalen Anteile an der Lohn- und Einkommenssteuer oder der Umsatzsteuer sinken ebenfalls. Hinzu kommt, dass manche ihre bestehenden Steuerschulden aufgrund der Krise nicht begleichen können. Deshalb werden Steuerzahlungen gestundet, ausgesetzt oder gekürzt, was die Kommunalhaushalte zusätzlich belastet.

Höhere Sozialkosten: Viele Menschen haben aufgrund der Krise ihren Job verloren. Damit steigen die Ausgaben der Kommunen, zum Beispiel weil sie die Kosten der Unterkunft für Arbeitsuchende in Grundsicherung tragen müssen. Alleine dies kostet die Kommunen mindestens zwei Milliarden Euro zusätzlich, schätzt der Deutsche Städtetag. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch und Bernhard Daldrup verweisen darauf, dass auch für weitere kommunal finanzierte Leistungen des Sozialgesetzbuches mehr Geld aufgewendet werden müsse. Etwa im Bereich der Jugendhilfe. „Auch freiwillige Leistungen wie die zusätzliche Unterstützung von Frauenhäusern und –Beratungsstellen, Wohnungslosen- und Obdachloseninitiativen und vieles andere mehr sind faktisch unverzichtbar“, merken die SPD-Politiker an.

Eintrittsgelder und Gebühren: Museen oder Schwimmbäder müssen geschlossen bleiben und können somit keine Tickets verkaufen. Dasselbe gilt für Kultureinrichtungen wie Theater oder Konzerthäuser. Eine Kurzarbeiter-Regelung soll helfen, die Ausgaben herunterzufahren. Doch unterm Strich wird hier wohl ein Minus bleiben. Verluste müssen viele Kommunen auch bei den Kita-Beiträgen hinnehmen.

Kommunale Unternehmen: Den Stadtwerken brechen ebenfalls Einnahmen weg. Laut einer Umfrage unter Führungskräften erwarten 22,5 Prozent einen Umsatz- und Gewinneinbruch bei ihrem Gemeindestadtwerk. Ein Beispiel: Die Coronakrise lässt den Stromverbrauch deutlich sinken – um 8,7 Prozent, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Anfang April mitteilte. Zwar nutzen die Privathaushalte verstärkt elektronische Geräte, aber die Industrie benötigt weniger Energie. Kommunale Verkehrsunternehmen befördern kaum noch Passagiere. Somit fehlen die Einnahmen aus dem Ticketverkauf. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing merkt gegenüber der DEMO an, dass die verschiedenen Unternehmensbereiche in unterschiedlicher Intensität betroffen seien. „Während etwa kommunale Bäder die finanziellen Folgen sofort spüren, sind die langfristigen Auswirkungen auf das Energiegeschäft der Stadtwerke noch nicht genau absehbar. Klar ist: Ein sinkender Stromabsatz führt auch zu weniger Einnahmen bei Stadtwerken. Damit fehlen Mittel, mit denen andere Bereiche bisher gestützt wurden.” Die Bundesregierung will kommunalen Unternehmen helfen und hat ihnen Zugang zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds ermöglicht.

Sparkassen: Zwischen 400 und 450 Millionen Euro im Jahr geben die Sparkassen normalerweise für gemeinwohlorientierte Projekte aus. Beispielsweise unterstützen sie Sportvereine, Museen oder Nachwuchskünstler*innen. Künftig könnten sie für solche Maßnahmen weniger Geld zur Verfügung haben. Denn wenn nun vermehrt Gewerbetreibende pleite gehen, ist zu befürchten, dass sie ihre Kredite bei der örtlichen Sparkasse nicht mehr zurückzahlen können, es also zu Zahlungsausfällen kommt. Immerhin: Laut Sparkassenverband sind die Sparkassen in aller Regel „sehr gut kapitalisiert“. Das heißt: Es ist unwahrscheinlich, dass die Geldinstitute selbst finanziell ins Schlingern geraten. (Mehr dazu hier auf demo-online.de)

Insgesamt schätzt der Deutsche Landkreistag die finanziellen Mehrbelastungen, die den Kommunen durch das SGB II und weitere Folgen der Eilgesetzgebung des Bundes entstehen, auf 2,5 Milliarden Euro. Diese Summe müsse der Bund ausgleichen, indem er den Umsatzsteueranteil der Gemeinden erhöht, fordert der kommunale Spitzenverband. Von den Bundesländern fordert der Landkreistag zusätzliche Schlüsselzuweisungen in Höhe von neun Milliarden Euro, um die „unverschuldet wegbrechenden Steuereinnahmen” auszugleichen. Zusammengerechnet ergibt das einen Bedarf von 11,5 Milliarden Euro, den der Bund und die Länder den Kommunen nach Ansicht des Landkreistages kompensieren sollen. Der Deutsche Städtetag spricht von einem zu befürchtenden Defizit der Kommunen in zweistelliger Milliardenhöhe für das Jahr 2020.