Energiegipfel Niedersachsen

Sportvereine brauchen dringend Unterstützung

Ulf Buschmann24. September 2022
Kinder und Jugendliche in den Sportvereinen dürfen nicht zu Krisenverlierern werden.
Wegen der steigenden Energiepreise steht den Sportvereinen das Wasser bis zum Hals. Dies ist beim Energiegipfel Niedersachsen sehr deutlich geworden. Innenminister Boris Pistorius (SPD) fordert vom Bund Unterstützung.

Als die Energiekosten begannen zu steigen, legte sich die Stirn vieler Kämmerer in den Kommunen in Falten – die Finanzplanung für das laufende und das kommende Jahr waren dahin. Den Sportvereinen ergeht es mittlerweile genauso. Woher sie das Geld nehmen sollen, um ihre Stromrechnungen bezahlen zu können, ist manchen Vorständen inzwischen ein Rätsel.

Derweil machten im Sommer der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Städte- und Gemeindebund Vorschläge zum Einsparen von Energie – der wohl am meisten diskutierte Vorschlag ist die Schließung von Schwimmbädern als größter Energiefresser unter den kommunalen Sportanlagen. Aber auch Duschen unter kaltem Wasser nach dem Sport gehört scheinbar immer mehr zum kommunalen Alltag.

Dass er von solcherlei Aktionen gar nichts hält, machte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius in dieser Woche deutlich. Der SPD-Mann, der auch für den Sport zuständig ist, war einer der Hauptredner beim Sport-Energiegipfel. Zu diesem hatten die Landesregierung und der Landessportbund (LSB) Niedersachsen eingeladen. Und das aus gutem Grund: Die explodierenden Energiepreise bereiten großen und noch mehr den kleinen Vereinen sehr große Sorgen.

„Den Sport vergessen“

Das Schließen von Sportstätten oder auch das Duschen nur mit kaltem Wasser können zwar eine Energiespaßmaßnahme sein, so Pistorius. Doch er befürchte, dass die Vereine von der Nordsee bis zum Harz viele Mitglieder verlieren könnten – noch mehr als dies hier und da schon in den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie der Fall gewesen sei. Die Schließung von Sportstätten würde aber gerade für Kinder und Jugendliche bedeuten, sich nicht bewegen zu können. „Wir alle haben die Aufgabe, dass Kinder und Jugendliche nicht zu Krisenverlierern werden“, sagte Pistorius.

Der Innenminister setzt stattdessen auf den Ausbau der energetischen Sanierung, andere Energiesparmaßnahmen sowie auf zusätzliche Hilfe vom Bund. Beim Schnüren des Entlastungspakets 3 sei die Kultur mit einer Milliarde dabei, „doch den Sport hat man vergessen.“ Pistorius geht davon aus, dass die Berliner Ampelkoalition ein weiteres Paket schnüren werde. Darin müsse unbedingt der Sport vorkommen. Die Frage darüber hinaus sei nun, wie sich diese Krise gemeinsam von der Politik, den Vereinen, den Fachverbänden und auch den kommunalen Spitzenverbänden zu bewältigen sei.

Auf kommunale Sportstätten angewiesen

Es sei leider bislang jedoch nicht gelungen, letztere mit ins Boot zu bekommen, um ein Dilemma für die Vereine abzuwenden. Dies bemängelte Reinhard Rawe, Vorstandsvorsitzender des LSB Niedersachsen. Denn immerhin seien die Hälfte aller Sportvereine auf die Nutzung kommunaler Anlagen wie Sportplätze, Sport- und Spielhallen sowie Schwimmbäder angewiesen. Würden die Kommunen eigenmächtig handeln, entstehe bisweilen großer Schaden.

Hajo Rosenbrock, Vorstandvorsitzender des Turn-Klubb (TK) Hannover, ergriff als einer der Vereinsvertreter das Wort – der TK Hannover gehört nicht nur in der Region der Landeshauptstadt zu den größten Anbietern. Rosenbrock appellierte an die Politik: „Wir wollen mitgenommen werden.“ Er sprach wohl vielen Anwesenden im Saal, und über die Plattform „Zoom“ zugeschalteten Teilnehmer*innen aus dem Herzen, als er beklagte, dass Politik und Verwaltung immer wieder Energiespar-Beschlüsse fassten, ohne die eigentlich Betroffenen zu hören.

Der Vereinschef machte anhand von Zahlen deutlich, wie sich die aktuelle Lage auf dem Energiesektor für seinen Verein auswirkt. Für die eigenen Sportanlagen muss der TK Hannover alleine an Geld für Strom statt wie bislang 50.000 dann rund 150.000 Euro aufbringen. Und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen würden statt mit 10.000 Euro mit 15.000 Euro jährlich zu Buche schlagen. Noch vor einigen Jahren seien dann in solch einer Situation eher mal die Beiträge angehoben worden. „Doch das ist nach Corona nicht der beste Weg“, zeichnete Rosenbrock das Dilemma nach.

Die Lage in Wolfenbüttel

Ein weiteres Beispiel für die aktuelle Situation ist der Wolfenbütteler Schwimmverein (WSV) mit neun Abteilungen und 1.300 Mitgliedern. Maurice Waldmann, Vorsitzender für Sport, zeigte die Entwicklung anhand konkreter Zahlen auf. Im vergangenen Jahr hatte der Verein demnach Kosten von genau 16.996,03 Euro. Der Ansatz für 2023 beläuft sich auf 28.868,33 Euro. Alleine die Kosten für Gas würden von 11.793,99 Euro 2021 auf dann 19.794,43 Euro steigen.

Für den WSV ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht. Alle Sanierungsmaßnahmen seien gestoppt, erklärte Waldmann. Wie sein TK-Hannover-Chef Rosenbrock sah auch der Wolfenbütteler jede Art von Beitragserhöhung kritisch. Dieser Schritt hätte in erster Linie Austritte von Kindern und Jugendlichen zur Folge: „Wir stehen vor der Gefahr, wieder einen ganzen Jahrgang zu verlieren.“

LSB: Härtefonds notwendig

Für LSB-Chef Rawe war in der Diskussion klar, was für die Vereine sinnvoll ist: „Wir brauchen so etwas wie einen Härtefonds.“ Den Ratschlag, etwa von Juristen, bei sich abzuzeichnenden Finanzengpässen Insolvenz anzumelden, kam weder Rawe noch die anderen Teilnehmer*innen des Energiegipfels infrage.

„Wenn Vereine in Insolvenz gehen, werden sie nicht neu gegründet“, sagte der LSB-Vorsitzende. Zudem ginge ein wesentlicher Teil der niedersächsischen Kultur und Identität verloren. Dabei habe der organisierte Sport gerade mit Beginn der Corona-Pandemie gezeigt, dass dieser mit Krisen umgehen könne.

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