Kommunalwahlen in Baden-Württemberg

Den Sprung ins Rathaus erfolgreich geschafft

Uwe Roth01. September 2021
In Esslingen wird Matthias Klopfer (SPD) von November an als neuer Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt steuern.
Wahlkämpfende in Corona-Zeiten setzen auf den Wechsel zu online, aber auch auf klassische Werbeträger, wie das Plakat. Drei Beispiele aus dem Kommunalwahlkampf in Baden-Württemberg.

In Baden-Württemberg haben drei SPD-Bürgermeister den Sprung ins Rathaus einer größeren Kommune geschafft. Matthias Klopfer, langjähriger Oberbürgermeister in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) beginnt im November seine Arbeit in dem 30 Kilometer entfernten Esslingen. Der 53-Jährige wird nach knappem Wahlausgang Nachfolger von Parteifreund Jürgen Zieger, der in 23 Jahren nicht nur die Stadt prägte, sondern als führender Funktionär in Verbänden die kommunale Daseinsvorsorge mitgestaltete. Frederick Brütting wechselt als OB von der Gemeinde Heubach (Ostalbkreis), wo er knapp zehn Jahre Bürgermeister war, in die benachbarte Große Kreisstadt Aalen. Auch der 37-Jährige folgt im Oktober einem SPD-Mitglied nach. Thilo Rentschler hatte auf eine weitere Kandidatur verzichtet.

Den weitesten Ortswechsel hatte Michael Salomo. Von Haßmersheim (Neckar-Odenwald-Kreis) führte ihn der nächste Karriereschritt in die 160 Kilometer entfernte Stadt Heidenheim. Der 32-Jährige trat nicht als SPD-Kandidat an. Er machte aus seiner Parteimitgliedschaft indes kein Geheimnis und holte sich das OB-Amt mit 61 Prozent gleich im ersten Wahlgang. Nachsehen hatte der CDU-Kandidat mit weniger als 30 Prozent.

Corona-Wahlkampfmodus

Alle drei Bewerber hatten zu Beginn des Jahres begonnen, ihren Wahlkampf klassisch zu planen. Dann kam im März die dritte Welle, und „mit einem Schlag war alles ganz anders“, erinnert sich Brütting. Er und sein Team gingen in den Corona-Wahlkampfmodus: Am schnellsten ging der Wechsel zu Online. Da musste der ehemalige Juso-Landesvorsitzende nicht viel dazulernen. Seine Accounts sind im Web etabliert. Instagram (Zielgruppe um die 30-Jährigen), Facebook (40 Jahre und älter) und WhatsApp. Wenn es passte, schaltete sein Team bei Google Werbung. Auf Gremiensitzungen habe er komplett verzichtet, sagt er. Über WhatsApp habe er viele ältere Menschen erreicht.

Klassische Werbeträger hatten ein Comeback: Klopfer ließ XXL-Plakate an Bauzäunen anbringen. Brütting fand zum Wählerbrief zurück. Freiwillige Helferinnen und Helfer verteilten 32.000 Stück. „Ich finde, es ist ein Gebot des Respekts, mich Ihnen vor Ihrer Wahlentscheidung in einem Brief vorzustellen“, schrieb er den Wählerinnen und Wählern. Den üblichen, im Lockdown aber verbotenen Hinterzimmer-Veranstaltungen trauert er nicht nach. „Da tauschen Kontrahenten drei Stunden lang vor 30 Zuhörern vorgefertigte Meinungen aus. Das bringt doch am Ende nichts. Darauf zu verzichten, ist befreiend gewesen.“

Insgesamt, sagt er, sei die Qualität der Kontakte gestiegen. Matthias Klopfer machte mit seinem Wahlkampf in Esslingen ähnliche Erfahrungen. „Alles passierte zuerst komplett online.“ Rasch habe sich gezeigt, dass die virtuelle Zusammenarbeit im Wahlkampfteam sehr effektiv sei, stellte er fest. Zoom, Teams und die anderen Videochat-Programme haben sich mittlerweile als Medium der Kommunikation etabliert. Die Wahlsieger warnen aber: Sie seien eine Bereicherung, aber kein Ersatz für persönliche Kontakte.

Themen für den Wahlkampf mussten die Kandidaten nicht suchen. Sie hätten sich aufgedrängt: Wohnungsnot, die hohen Mieten, die in allen Städten des Landes die Einkommen auffressen, fehlende Kitaplätze, leer stehende Einzelhandelsgeschäfte und insbesondere der Klimawandel. Ihren Wahlerfolg haben die Kandidaten zum Teil auch dem zu verdanken, dass sie als amtierende Rathauschefs auf erfolgreiche Projekte verweisen konnten – wie Brütting auf ein Wärmenetz in Heubach.

Konkrete Lösungen anbieten

Große Politik aufs Kommunale herunterbrechen, war nicht die Lösung, um Wählerinnen und Wählern Themen näherzubringen, so ihre Erkenntnis. Vielmehr ist es so, dass man an lokalen Lösungen zeigt, wie große Politik erfolgreich funktionieren kann. „Die großen Klimapolitik-Themen interessieren die Menschen weniger“, hat Klopfer festgestellt, „man muss sehr viel konkreter werden“. Die Klimaziele von Paris seien zu abstrakt, um sie zu vermitteln.

Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung stoße nicht auf die erwartete Aufmerksamkeit. „Die Bürger hören zu, wenn der Kandidat über grüne Fassaden spricht, über mehr Bäume, Brunnen an ganz bestimmten Orten in der Stadt oder über den dringenden Bau von Zisternen“, sagt Klopfer. „Wenn man die lokalen Kosten nennt, um den Klimawandel zu bekämpfen, wird der Wandel konkret.“ In den lokalen Themen stecken die Kontroversen. Fast jeder, der für mehr Klimaschutz plädiert, sieht auch die Wohnungsnot und fordert mehr bezahlbaren Wohnraum. Eine noch dichtere Bebauung versiegelt den Boden und belastet zusätzlich das Stadtklima. Das sei der Stoff für konstruktive Diskussionen, haben die erfolgreichen Wahlkämpfer erfahren.